Der Sonne folgen: Neueste Solartechnik könnte Europas Energiewende gerechter machen

Der Sonne folgen: Neueste Solartechnik könnte Europas Energiewende gerechter machen

Was passiert, wenn jeder EU-Staat genau so viel Energie produziert, wie er verbraucht – mit Hilfe von neuester Solartechnologie? Ganz einfach: Die Energiewende ist auch unter diesem Gerechtigkeitsprinzip erreichbar – und fast ohne Mehrkosten, so Forscher der Uni Aarhus.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Das Stromnetz der Zukunft ist kein Flickenteppich, sondern ein Puzzle – und jedes Land ist ein Teil davon. Doch was, wenn jede Nation in diesem Puzzle auch unabhängig funktionieren müsste? Eine neue Studie aus Dänemark zeigt: Europas Weg zur Klimaneutralität könnte gerechter, technologisch smarter und politisch stabiler werden, wenn jedes Land den Anspruch erhebt, sich im Jahresmittel selbst mit Energie zu versorgen. Nicht aus Abschottung – sondern aus Verantwortung.

Ein Plan für Selbstversorgung – und Gerechtigkeit

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Aarhus University und der Technischen Universität Dänemarks haben mithilfe eines komplexen Energiemodells durchgerechnet, was passiert, wenn jeder EU-Staat genau so viel Energie produziert, wie er verbraucht. Das Ergebnis: Die Energiewende ist auch unter diesem Gerechtigkeitsprinzip erreichbar – und zwar mit einem durchschnittlichen Kostenanstieg von nur 2,1 Prozent gegenüber dem günstigsten, rein kostengetriebenen Szenario.

Unsere Studie zeigt, dass Klimaneutralität nicht auf Kosten von Fairness gehen muss“, sagt Studienleiterin Parisa Rahdan. „Mit smarter Technologie und koordiniertem Vorgehen können wir einen Übergang gestalten, von dem alle profitieren.

Sonnenstrom in neuer Konfiguration

Im Zentrum des Szenarios steht ein alter Bekannter in neuem Gewand: Solarenergie. Doch es geht nicht nur um mehr Module, sondern um bessere Konzepte. Besonders wirkungsvoll sind laut Modell sogenannte einachsige Nachführsysteme, bei denen die Solarpanels der Sonne von Ost nach West folgen. Auch die gezielte Unterdimensionierung von Wechselrichtern – also die Begrenzung der maximalen Stromabgabe – bringt Vorteile, da Solaranlagen ohnehin selten unter Volllast laufen.

Technologien, die früher als zu teuer galten, sind heute kosteneffizient – weil Solarmodule drastisch günstiger geworden sind“, erklärt Rahdan. „Auch Ost-West-Ausrichtungen und kleinere Wechselrichterkonfigurationen spielen heute eine wirtschaftlich sinnvolle Rolle“.

Gerade in dicht besiedelten Ländern mit wenig Platz – wie den Niederlanden oder Belgien – können diese Ansätze den Unterschied machen. Sie ermöglichen eine hohe Energieausbeute auf kleiner Fläche und bringen mehr Autonomie ins System.

Mehr Unabhängigkeit, weniger Ungleichgewicht

Klar ist: Nicht jedes Land wird vom Prinzip der Eigenversorgung im gleichen Maße profitieren. Importabhängige Staaten müssen mit höheren Investitionen rechnen – bis zu 150 Prozent im Fall Belgiens. Andere Länder könnten sparen. Aber im Gesamtbild entsteht eine robustere, gerechtere und besser ausbalancierte Energielandschaft.

Und Selbstversorgung heißt nicht Abschottung. Auch wenn die Stromproduktion stärker national ausgerichtet wäre, soll der Handel mit synthetischen Kraftstoffen, Wasserstoff und Methanol weiterhin über Ländergrenzen hinweg stattfinden. Energieautonomie und Kooperation sind also keine Gegensätze – sondern zwei Seiten derselben Strategie.

Technisch machbar – politisch herausfordernd

Ist ein solch ehrgeiziger Ausbau der Solarenergie überhaupt realistisch? Die Forschenden haben es geprüft: Ja, sagen sie – aber nur, wenn viele Länder ihre bisherigen Ausbauraten deutlich übertreffen. Die Studie vergleicht die notwendigen Wachstumszahlen mit historischen Daten. In manchen Staaten sind neue Rekorde nötig, aber keine utopischen Sprünge.

Wir müssen unser Ambitionsniveau anheben“, betont Rahdan. „Aber technologische Entwicklung und politischer Rückenwind zeigen in die richtige Richtung. Jetzt ist der Moment zum Handeln“.

Eine Frage der Gerechtigkeit – und der Weitsicht

Der Appell an die Politik ist klar: Neue Solartechnologien gehören in die Energiemodelle der Mitgliedstaaten. Auch Themen wie Wechselrichterdimensionierung und Panelausrichtung verdienen mehr Aufmerksamkeit. Denn was heute als technische Detail erscheint, könnte morgen über die soziale Akzeptanz und Resilienz der Energiewende entscheiden.

Die Studie zeigt, dass Energiegerechtigkeit keine Belastung sein muss, sondern ein strategischer Vorteil. Eine Zukunft, in der jedes Land Verantwortung übernimmt, aber nicht allein bleibt. In der Sonnenkraft nicht nur Strom liefert, sondern auch politisches Vertrauen. Und in der aus vielen kleinen Beiträgen ein gemeinsames Ganzes entsteht.


Kurzinfo: Europas Energiepuzzle:

  • Veröffentlicht in: Nature Communications, 2025
  • Ziel: Klimaneutralität bei gleichzeitiger nationaler Selbstversorgung
  • Kerntechnologie: Solarenergie mit einachsigen Nachführsystemen
  • Neue Strategie: Unterdimensionierte Wechselrichter und Ost-West-Ausrichtung
  • Kosten: Im Durchschnitt nur 2,1 Prozent über günstigstem Szenario
  • Nutzen: Gerechtere Verteilung, mehr Resilienz, technologische Machbarkeit
  • Politische Botschaft: Energiegerechtigkeit ist erreichbar und sinnvoll

Originalpublikation:
Parisa Rahdan et al.,
„Strategic deployment of solar photovoltaics for achieving self-sufficiency in Europe throughout the energy transition“,
in: Nature Communications (volume 16, Article number: 6259 (2025))

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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