Die bisher unberührte Tiefsee gilt als „Erbe der Menschheit“. Sie ist aber auch eine konkrete Schatzkammer, die Profite verspricht. Vor allem die Manganknollen im Pazifik wecken Begehrlichkeiten von Konzernen. Die faustgroßen Mineralbrocken sind prall gefüllt mit wertvollen Rohstoffen wie Nickel, Kobalt und Kupfer – genau jene Metalle, die für Batterien und die grüne Energiewende dringend gebraucht werden. Doch wer darf sie fördern? Und zu welchem Preis?
Kanadischer TMC-Konzern prescht voran
Diese Fragen treiben derzeit nicht nur Umweltaktivisten um, sondern sorgen auch auf diplomatischem Parkett für Zündstoff. Der kanadische Konzern The Metals Company (TMC) hat einen umstrittenen Vorstoß gewagt: Statt sich an die Internationale Meeresbodenbehörde (IMB) der Vereinten Nationen zu halten, die eigentlich für den Tiefseebergbau zuständig ist, hat TMC versucht, eine Lizenz direkt bei der US-Ozeanographiebehörde NOAA zu erhalten. Der geplante Abbauort: die Clarion-Clipperton-Zone, ein riesiges Gebiet im östlichen Pazifik zwischen Mexiko und Hawaii.
Völkerrechtsbruch oder wirtschaftliche Notwendigkeit?
IMB-Generalsekretärin Leticia Carvalho spart nicht mit deutlichen Worten: „Der Tiefseeboden ist laut UN-Konvention das gemeinsame Erbe der Menschheit. Kein Staat und kein Unternehmen darf sich einfach darüber hinwegsetzen. Was TMC versucht, ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht.“ Tatsächlich unterliegt die Nutzung der Tiefsee strengen Regeln, die verhindern sollen, dass einzelne Nationen oder Unternehmen sich auf Kosten aller bereichern. Die IMB vergibt Lizenzen und stellt sicher, dass Umweltauflagen eingehalten werden.
Doch TMC-Chef Gerard Barron sieht das anders. Er spricht von einer „strategischen Chance für die USA“ und betont, dass sein Unternehmen den Rohstoffbedarf für die Energiewende decken könne – ohne politisch heikle Abhängigkeiten von Ländern wie China oder der Demokratischen Republik Kongo, wo Kobalt oft unter problematischen Bedingungen abgebaut wird. „Wir bieten eine sichere und verantwortungsvolle Alternative“, so Barron.
Die Umwelt als Verlierer
Doch ob der Abbau in der Tiefsee tatsächlich „verantwortungsvoll“ sein kann, bezweifeln Wissenschaftler und Umweltorganisationen. Die Clarion-Clipperton-Zone ist eines der letzten unberührten Ökosysteme der Erde. Hier leben bizarre Kreaturen, die sich über Millionen Jahre an die extreme Umgebung angepasst haben – viele davon noch völlig unbekannt. Der Abbau von Manganknollen würde gigantische Sedimentwolken aufwirbeln, Lichtverhältnisse verändern und langfristige Schäden anrichten. „Wir wissen nicht, was wir zerstören, bevor wir es überhaupt erforscht haben“, warnen Experten.
Zudem stehen hinter der Gier nach Tiefseemetallen große wirtschaftliche Interessen. Während Regierungen in Nachhaltigkeitsstrategien investieren, treiben Konzerne wie TMC die industrielle Nutzung der letzten unberührten Regionen des Planeten voran. Und sie finden Gehör: Die USA, die selbst kein Mitglied der UN-Seerechtskonvention sind, haben bislang wenig Interesse gezeigt, TMC in die Schranken zu weisen.
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
Letzte Beiträge
Stadtplanung13. Juni 2025HUDI-Index zeigt Lebensqualität in europäischen Städten
Astronomie12. Juni 2025Kosmischer Klimaschock
Meeresschutz12. Juni 2025Mit Sonnenkraft gegen Plastikmüll
Klimaschutz11. Juni 2025Neue Öl- und Gasfelder mit 1,5-Grad-Ziel nicht vereinbar
Schreibe einen Kommentar