Wie Wasserstoff-Plasma die Stahlproduktion neu erfinden könnte

Wie Wasserstoff-Plasma die Stahlproduktion neu erfinden könnte

Die Eisen- und Stahlproduktion gilt als besonders energiehungrig und klimawirksam – sie ist für rund sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Neue Herstellungsmethoden sind deswegen dringend notwendig.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Die Flammen lodern nicht mehr, der Kohlenstaub weicht einem unsichtbaren Licht: In einem Labor der University of Minnesota tüfteln Forschende an einer Idee, die jahrhundertealte Prozesse bei der Stahlherstellung auf den Kopf stellen könnte. Statt Kohle und Hitze setzt ihre Methode auf Plasma – ein gasförmiges Meer reaktiver Wasserstoffatome. Es ist der Versuch, reines Eisen, das Fundament des Stahls, sauberer und effizienter zu gewinnen.

Ein fossiles Schwergewicht

Die Eisen- und Stahlproduktion gilt als Dinosaurier der Industriegeschichte: energiehungrig, unverändert seit Jahrhunderten, und für rund sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Der Einsatz von Koks, einer speziellen Kohleform, ist dabei zentral – und gleichzeitig der Grund für die gewaltigen Mengen an Treibhausgasen, die beim Schmelzen entstehen.

Das Team aus Minnesota suchte nach einem Ausweg aus dieser Sackgasse. Statt mit Feuer und Kohle arbeiteten die Forschenden mit Wasserstoffplasma. Dieses ionisierte Gas reißt den Sauerstoff direkt aus dem Eisenerz heraus und hinterlässt nichts als reines Eisen – und Wasserdampf.

Blick ins Unsichtbare

Der Clou der Arbeit liegt nicht nur im Verfahren selbst, sondern auch in der Möglichkeit, den Prozess erstmals live im Nanobereich zu beobachten. „Wir entwickelten eine neue Technik, die es uns erlaubt, Plasma-Material-Wechselwirkungen im Nanometerbereich zu verfolgen – das ist noch nie zuvor gelungen“, erklärt Jae Hyun Nam, Erstautor der Studie.

Damit wird ein unsichtbarer Prozess sichtbar: Wie die winzigen Wasserstoffatome den Sauerstoff von den Eisenatomen trennen, wie Strukturen entstehen und verschwinden – eine Choreografie auf molekularer Ebene.

Technische Akrobatik

Doch bis dahin war es ein langer Weg. Gemeinsam mit der Firma Hummingbird Scientific entwickelte das Team ein spezielles Haltersystem für Transmissions-Elektronenmikroskope. Damit ließ sich Plasma auf einem Bereich erzeugen, der so dünn war wie ein menschliches Haar.

„Die technischen Herausforderungen dieser Forschung zu meistern, war eines der schwierigsten Experimente, die wir durchgeführt haben“, berichtet Peter Bruggeman, Seniorautor und Professor für Maschinenbau in Minnesota. „Plasmen auf einer Größenskala von einem Haar zu erzeugen, erforderte erhebliche Ingenieurskunst, die wir gemeinsam mit Hummingbird Scientific gemeistert haben.“

Die Belohnung: eine Bildauflösung im Nanometerbereich – 100-mal feiner als mit bisherigen optischen Methoden.

Energie im neuen Licht

Neben den faszinierenden Bildern könnte auch die Energiebilanz der Methode überzeugen. „Plasma zu erzeugen, könnte energetisch deutlich effizienter sein, als Materialien durch Erhitzen zu verändern“, betont Andre Mkhoyan, Seniorautor der Studie und Lehrstuhlinhaber für Chemieingenieurwesen. „Diese Innovation könnte dazu führen, dass Prozesse mit weniger Energieverbrauch und damit auch wirtschaftlicher ablaufen.“

Stahlwerke, die heute gigantische Mengen Kohle verbrennen, könnten in Zukunft mit Wasserstoff und Strom aus erneuerbaren Quellen arbeiten. Das würde nicht nur Emissionen senken, sondern auch geopolitische Abhängigkeiten von fossilen Rohstoffen lockern.


Kurzinfo: Plasma-Verfahren für Eisenproduktion

  • Forschung an der University of Minnesota Twin Cities
  • Veröffentlichung in Nature Communications am 14. August 2025
  • Eisen und Stahl: sieben Prozent der globalen CO2-Emissionen
  • Traditionell: Reduktion mit Koks, sehr emissionsintensiv
  • Neues Verfahren: Wasserstoffplasma entfernt Sauerstoff aus Erz
  • Ergebnis: reines Eisen und Wasserdampf
  • Echtzeitbeobachtung im Nanobereich erstmals möglich
  • Zusammenarbeit mit Hummingbird Scientific für Spezialhalter
  • Energieeffizienter als herkömmliche Erhitzungsmethoden
  • Potenzial für saubere, kostengünstigere Stahlindustrie

Originalpublikation:

Andre Mkhoyan, Revealing the mechanisms of non-thermal plasma-enabled iron oxide reduction through nanoscale operando TEM (14-Aug-2025)

in: Nature Communications

DOI: 10.1038/s41467-025-62639-4

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Proudly powered by WordPress