Plastik, das vergeht – Hoffnung aus dem Labor gegen den Müll im Meer?

Plastik, das vergeht – Hoffnung aus dem Labor gegen den Müll im Meer?

Müllstrudel sind nur der sichtbare Teil des Problems – denn das Plastik zerfällt in immer kleinere Partikel

(Bild: Redaktion/GPT4o)

Von der Plastiktüte zur globalen Bedrohung – der Weg des Kunststoffs war rasant und unaufhaltsam. Heute versinken Strände im Müll, Meeresbewohner verheddern sich in Netzen, und selbst im menschlichen Blut lassen sich winzige Plastikpartikel nachweisen. Die Erde hat ein Plastikproblem, so groß wie ein Kontinent. Doch nun könnte ausgerechnet ein unscheinbares Kürzel Hoffnung bringen: SSbD – Safe and Sustainable by Design.

Ozean verkommt zur Mülldeponie

Seit Jahren ringen die Vereinten Nationen um ein weltweites Plastikabkommen. Während die Verhandlungen stocken, ist der Ozean längst zur Deponie geworden. Rund 400 Millionen Tonnen Kunststoff werden jedes Jahr produziert, drei bis fünf Prozent davon landen in der Umwelt. Plastik verrottet nicht, es zerfällt – zu Mikro- und Nanoplastik, das überall eindringt, wo es nichts zu suchen hat.

Es ist Zeit, Plastik ganz neu zu denken

Doch mitten im Problem wächst eine Idee. Forschende des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung (ZMT) schlagen vor, Plastik grundlegend neu zu denken: biologisch abbaubar, umweltfreundlich, sicher. Keine romantische Utopie aus dem Bioladen, sondern ein ambitionierter Vorschlag für eine neue Materialgeneration – biologisch abbaubare Kunststoffe der dritten Generation.

Erst definieren, dann entwickeln

Schon in den 1970ern träumte die Industrie zwar vom „Bio-Plastik“, die Realität sah völlig anders aus: „Der Fehler früherer Ansätze war, dass man auf Plastikpolymere setzte, die sich kaum zersetzten“, erklärt Nachhaltigkeitsforscher Raimund Bleischwitz. In den 1990ern folgten natürliche Polymere aus Zucker oder Stärke. Fortschrittlich, ja, aber immer noch zu langsam im Abbau – vor allem im kalten, dunklen Meer.

Mit SSbD will die EU nun den Spieß umdrehen: Erst definieren, was ein sicherer, nachhaltiger Kunststoff ist – und dann das Material dafür entwickeln. Das Konzept ist Teil des europäischen „Green Deals“ und soll den ökologischen Fußabdruck der Chemiebranche drastisch verkleinern.

Zehn Baustellen für besseres Plastik

Doch was heißt das konkret? Die ZMT-Forschenden nennen zehn Produktgruppen, für die solche neuen Kunststoffe besonders dringend wären: Von Mikroplastik in Zahnpasta über Abrieb von Putztüchern bis zu Fischernetzen und Mulchfolien in der Landwirtschaft. Überall dort, wo Plastik heute in die Umwelt gelangt, könnte künftig ein Material zum Einsatz kommen, das sich dort von selbst abbaut – ohne Gift, ohne Rückstände.

Das klingt kühn, vielleicht sogar visionär. Doch Bleischwitz verweist auf die Geschichte: „Auch Emissionsgrenzwerte für Autos oder Kraftwerke kamen zuerst – die Technik folgte später.“ Warum sollte es bei Plastik anders laufen?

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Noch ist der abbaubare Kunststoff der dritten Generation nicht serienreif. Aber der Druck wächst. Selbst bei sofortigem Handeln drohen bis 2040 über 700 Millionen Tonnen Plastikmüll die Ökosysteme zu überfluten. Allein mit Recycling, Aufklärung und Sammelaktionen wird sich das nicht stoppen lassen. Es braucht einen Paradigmenwechsel – beim Design, beim Denken, bei den Regeln. Vielleicht beginnt der Weg zu saubereren Ozeanen also nicht am Strand. Sondern im Labor.

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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