Im ersten Schritt wird aus Kohlendioxid Ethanol fermentiert, im zweiten Schritt verwandeln spezielle Ölhefen den Alkohol zu einem palmölähnlichen Fett.
(Bild: Mibelle Group, 2025)
Palmöl steckt in Schokolade, Shampoo und Waschmitteln – es ist das unsichtbare Bindeglied vieler Alltagsprodukte. Doch der Preis ist hoch: Für die zur Herstellung nötigen Palmen-Plantagen brennen Regenwälder, Arten verschwinden, Kohlendioxid entweicht in die Atmosphäre. Nun präsentiert ein Konsortium aus der Schweiz, den USA und Deutschland eine Alternative, die zugleich visionär und handfest klingt: ein Fett aus CO₂.
Willkommen in der Welt des Palmölersatzes durch Recycling von Klimagasen – eine Innovation, die Kosmetik, Lebensmittel und Chemieindustrie verändern könnte.
Vom Klimagas zum Rohstoff
Die Mibelle Group, das US-Biotech-Unternehmen LanzaTech und das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB haben nach mehrjähriger Forschung eine Lösung entwickelt, die in zwei Schritten funktioniert. Zunächst wandeln Mikroorganismen CO₂ per Gasfermentation in Alkohol um. Dieser Prozess ähnelt dem Bierbrauen – nur dass hier Kohlendioxid anstelle von Malz und Hopfen als Ausgangsstoff dient.
Im zweiten Schritt greifen Öl-Hefen ein, die aus dem Alkohol eine Fettmischung synthetisieren. Diese ähnelt Palmöl so sehr, dass sie es in Kosmetik und möglicherweise auch in Nahrungsmitteln ersetzen kann. Das Besondere: Zum Einsatz kommen ausschließlich natürliche, nicht gentechnisch veränderte Mikroorganismen.
Ein Meilenstein für die Branche
Die Kosmetikindustrie ist bislang einer der größten Verbraucher von Palmöl. Dass hier ein Umdenken notwendig ist, zeigen Umweltberichte seit Jahren. Doch ein vollständiger Ausstieg schien lange illusorisch. Nun hat sich das geändert.
„Diese Innovation ist das Resultat unserer langjährigen Partnerschaft mit LanzaTech und ein Meilenstein für die Kosmetikindustrie. Gepaart mit der Innovationskraft des Fraunhofer IGB setzen wir damit neue Maßstäbe für die gesamte Branche„, erklärt Peter Müller, CEO der Mibelle Group.
Das neue Fett ist nicht nur palmölfrei, sondern besitzt auch pflegende Eigenschaften, die für Cremes und Lotionen entscheidend sind. Damit punktet es sowohl ökologisch als auch funktional.
Vom Labor zum Markt
Noch befindet sich das Projekt in der Pilotphase. Am Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse in Leuna übertragen die Forscherinnen und Forscher die Verfahren in größere Maßstäbe. Erste Kilogramm-Mengen konnten bereits hergestellt werden.
„Nach erfolgreicher Forschung im Labor konnten wir nun mit der Entwicklung des Pilotprozesses beginnen„, berichtet Susanne Heldmaier, Leiterin für Research & Technical Innovation bei der Mibelle Group. „Dieses hochwertige Fett ermöglicht es uns, Kosmetikprodukte zu entwickeln, die Hautschutz und Umweltschutz zugleich bieten. In Zukunft hoffen wir, immer mehr palmölbasierte Rohstoffe auf diese nachhaltige Lösung umstellen zu können.“
Chance für globale Lieferketten
Palmöl ist mit Abstand das ertragreichste Pflanzenöl. Genau das machte es unverzichtbar – und zugleich problematisch. Denn die Nachfrage wächst weiter, während nachhaltiger Anbau die Lücke nicht schließen kann. Ein Ersatzstoff aus CO₂ könnte die Lieferketten robuster machen und zugleich die Entwaldung bremsen.
Die Partner sehen darin nicht nur einen Beitrag zur Klimapolitik, sondern auch eine industriepolitische Chance. Europa könnte sich unabhängiger von tropischen Plantagen machen und gleichzeitig innovative Verfahren exportieren.
Kurzinfo: Palmölersatz aus CO₂
- Technologie: Kombination von Gasfermentation (LanzaTech) und Öl-Hefen (Fraunhofer IGB)
- Ausgangsstoff: CO₂ wird zunächst in Alkohol, dann in Fett umgewandelt
- Eigenschaften: Fettmischung ähnelt Palmöl, ist 100 Prozent palmölfrei und besitzt pflegende Wirkung
- Partner: Mibelle Group, LanzaTech, Fraunhofer IGB
- Pilotphase: Herstellung im Kilogramm-Maßstab am Fraunhofer-Zentrum CBP in Leuna
- Anwendung: Kosmetikprodukte, perspektivisch Lebensmittel und Reinigungsmittel
- Vorteile: Schutz von Regenwäldern, Beitrag zum Klimaschutz, robustere Lieferketten
- Mikroorganismen: ausschließlich natürlich vorkommend, nicht gentechnisch verändert
- Bedeutung: mögliche Entlastung der globalen Palmölproduktion
Originalpublikation:
Pressemitteilung des Fraunhofer IGB
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
Letzte Beiträge
Biologie11. September 2025Leben im Eis: Wie Arktis-Algen selbst bei minus 15 Grad aktiv bleiben
Nachhaltigkeit11. September 2025Deutschland zögert beim Zweithandykauf – Refurbished-Smartphones bleiben Nischenmarkt
Meeresforschung10. September 2025Doppelte Last: Wie der Mensch die Ozeane bis 2050 an ihre Grenzen treibt
Artensterben9. September 2025Rückgang um 70 Prozent: Auch naturnahe Landschaften verlieren ihre Insekten
Schreibe einen Kommentar