Edelstahl-Brücken sollen 100 Jahre halten

Edelstahl-Brücken sollen 100 Jahre halten

Nicht nur unsere Brückerepublik bröckelt – in den USA ist das Problem sogar noch größer. Abhilfe könnte ein neues Stahlveredelungs-Verfahren bringen.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Amerikas Straßen und Brücken ächzen unter der Last der Jahrzehnte. Über 200.000 Brücken in den USA gelten laut der American Road and Transportation Builders Association als sanierungsbedürftig. Der Grund liegt oft im Innersten verborgen: Rost. Denn wenn die Stahl-Bewehrung in Beton zu korrodieren beginnt, verliert die Konstruktion ihre Stabilität – und ihre Zukunft.

Stählerne Hülle gegen den Verfall

Ein junges Start-up namens Allium Engineering, gegründet von zwei MIT-Doktoranden, will dieses Problem nun grundlegend lösen. Die Idee: Eine dünne Edelstahl-Schicht um konventionellen Betonstahl macht diesen dauerhaft korrosionsresistent. Die Lebensdauer von Brücken und anderen Bauten soll sich so deutlich erhöhen: „In den USA hält ein üblicher Brückenbau heute etwa 30 Jahre. Wir wollen 100 Jahre möglich machen“, sagt Allium-Mitgründer und CEO Steven Jepeal. „Viele Bauwerke altern schneller als erwartet, weil das Material dafür einfach nicht geeignet war. Wir wollen den Infrastrukturwandel mitgestalten – aber auf eine Weise, die wirklich Bestand hat.

Industriefreundlich und kosteneffizient

Der Clou der Methode: Die Edelstahl-Hülle wird nicht nachträglich aufgebracht, sondern frühzeitig in den industriellen Produktionsprozess integriert. Noch bevor das Stahl-Vormaterial durch heiße Walzwerke läuft, wird es beschichtet – mit Technik, die auch in anderen Metallprozessen wie dem Schweißen zum Einsatz kommt. „Wir gehen direkt in die Stahlwerke und bringen unsere Schutzschicht auf das Rohmaterial auf, bevor es gewalzt wird“, erklärt Jepeal. „So lässt sich unser Verfahren nahtlos in bestehende Anlagen integrieren.

Für die Stahlwerke bedeutet das: keine großen Umstellungen. Und für die Baubranche: ein vertrautes Produkt mit neuen inneren Werten. Denn der Edelstahl-verstärkte Bewehrungsstahl sieht aus wie gewöhnlicher Stahl, lässt sich genauso verarbeiten – und ist dabei wesentlich langlebiger.

Brücken, die bleiben

Etwa 100 Tonnen des neuen Stahls wurden bereits in Bauprojekte in Kalifornien und Florida verbaut. Alliums erste Produktionsstätte im US-Bundesstaat Massachusetts liefert jährlich rund 1.000 Tonnen der Edelstahl-ummantelten Bewehrungen aus. Ziel ist es, weitere Anlagen direkt an Partner-Stahlwerke anzubinden, um die Technologie flächendeckend zu skalieren. „Unsere Mission ist es, Emissionen zu senken und gleichzeitig die Infrastruktur zu verbessern“, sagt Jepeal. „Alle Gesprächspartner sagen uns: Diese Technologie muss größer werden.

Dabei geht es nicht nur um Brücken. Langfristig will Allium seine Technologie auf andere Strukturen ausweiten: Schienen, Träger, Rohre. Doch im Moment liegt der Fokus klar auf dem Betonstahl – und dem riesigen Sanierungsbedarf weltweit.

Vom Forschungsprojekt zum Werkstoff der Zukunft

Jepeal kam über das MIT zur Start-up-Idee. Während seiner Promotion am Department of Nuclear Science and Engineering wurde er Zeuge, wie Kollegen mit Commonwealth Fusion Systems ein Fusions-Start-up gründeten. Der Funke sprang über.

Sein Mitgründer Sam McAlpine arbeitete zeitgleich an einem ARPA-E-Projekt zur Korrosionsresistenz in Extremumgebungen. Gemeinsam entwickelten sie die Idee, dieses Prinzip auf die Alltagsinfrastruktur zu übertragen. Erste Gespräche mit Tata Steel und Mentoren am MIT bestärkten sie: Die mangelhafte Langlebigkeit von Stahl ist ein weltweites Problem mit riesigem Potenzial. „Nahezu unsere gesamte Infrastruktur hat ein Korrosionsproblem“, so Jepeal.Tunnels, Brücken, Straßen, Industrieanlagen, Kraftwerke, Chemiebetriebe – sie alle brauchen besseren Stahl.

Nachhaltigkeit aus Stahl

Korrosionsfester Betonstahl bedeutet nicht nur Sicherheit, sondern auch Nachhaltigkeit. Denn weniger Reparaturen heißen weniger Materialeinsatz, geringere CO2-Emissionen und niedrigere Lebenszykluskosten. Damit passt sich Alliums Technologie in den Trend einer langlebigen, kreislauffähigen Infrastruktur ein – mit großem Potenzial für den globalen Markt.


Kurzinfo: Korrosionsschutz für die Infrastruktur

  • Start-up: Allium Engineering, gegründet von MIT-Promovierten Steven Jepeal und Sam McAlpine
  • Problem: Korrodierender Betonstahl schwächt Bauwerke und verursacht Milliardenkosten
  • Innovation: Edelstahl-Verkleidung für konventionellen Rebar, integriert in Stahlproduktion
  • Vorteile: 3-fache Lebensdauer, weniger Wartung, weniger CO2-Emissionen
  • Erste Anwendung: Brückenbau in Kalifornien und Florida
  • Produktion: Erste Fabrik in Massachusetts, Kapazität 1.000 Tonnen/Jahr
  • Skalierbarkeit: Integration in bestehende Stahlwerke weltweit geplant
  • Perspektive: Auch einsetzbar für Schienen, Träger, Rohre und industrielle Anlagen
  • Ziel: Infrastruktur mit 100 Jahren Lebensdauer, bei gleichbleibenden Kosten

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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