Zu den besonders CO2-lastigen Industriebranchen gehört die Zementproduktion – dort dürfte besonders großes Interesse an kostengünstigen Methoden zur Emissionsreduktion bestehen.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Es ist ein kaum bekanntes Dilemma beim Klimaschutz: Technologien zur CO₂-Abtrennung sind zwar da – etwa in Zementwerken oder bei der direkten Luftabscheidung –, doch sie kämpfen mit einem grundlegenden Widerspruch. Was CO₂ gut bindet, gibt es nur schwer wieder frei – und umgekehrt. Ein Forschungsteam am Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat nun eine potenzielle Lösung entwickelt: nanoskalige Membranen, die gezielt Ionen trennen. Das klingt sehr technisch – ist aber ein entscheidender Schritt, um CO₂-Kreisläufe wirtschaftlicher und effizienter zu gestalten.
Zwei Prozesse, ein Konflikt
Das Grundprinzip heutiger CO₂-Abtrennung basiert meist auf Hydroxiden – sie binden CO₂ zu Carbonat. In einem zweiten Schritt wird dieses Carbonat in einer elektrochemischen Zelle in reines CO₂ zurückverwandelt. Doch beide Schritte brauchen unterschiedliche Bedingungen: Die Aufnahme erfordert viele Hydroxid-Ionen, die Freisetzung hingegen viele Carbonat-Ionen. „Diese beiden Prozesse sind wie zwei Systeme, die dieselbe Flüssigkeit benutzen, aber unterschiedliche Zusammensetzungen brauchen. Es ist unmöglich, beide gleichzeitig optimal zu betreiben“, erklärt Professor Kripa Varanasi, der das Projekt leitet. Die Folge: entweder ineffiziente Prozesse – oder hoher Energieaufwand.
Nanofiltration als Lösung
Die MIT-Forschenden führten deshalb einen dritten, trennenden Schritt ein. Mit Hilfe spezieller Nanomembranen lassen sich Hydroxid- und Carbonat-Ionen effizient voneinander separieren. Dabei nutzen sie deren unterschiedliche elektrische Ladungen aus.
„Die Nanofiltration trennt die Ionen überraschend gut – mit bis zu 95 Prozent Effizienz“, sagt Simon Rufer, einer der Erstautoren der Studie. Die Hydroxid-Ionen fließen dann zurück zum Absorber, die Carbonat-Ionen zur elektrochemischen Freisetzung. So laufen beide Teilsysteme unter optimalen Bedingungen.
Mehr Effizienz, weniger Kosten
Was theoretisch plausibel klingt, bewies das Team durch Modellrechnungen und Experimente. Das Ergebnis: Die neue Methode steigert die Effizienz um das Sechsfache und senkt die Kosten von rund 600 auf 450 US-Dollar pro Tonne CO₂.
„Früher liefen die Systeme auf Messers Schneide – eine kleine Konzentrationsänderung konnte alles lahmlegen. Mit dem Filter gewinnen wir Spielraum und Stabilität“, erklärt Rufer. Die Idee sei universell einsetzbar: bei der direkten Luftabscheidung ebenso wie bei Industrieabgasen.
Vom Bottleneck zum Boost
Auch für Folgeprozesse – etwa die Umwandlung von CO₂ in Treibstoffe oder Kunststoffe – könne das Verfahren nützlich sein, betont das Team. Denn auch dort gelte: Zuviel Hydroxid bremst die Reaktion. Die neue Trenntechnologie könnte also als Baustein einer ganzen CO₂-Wertschöpfungskette dienen. Zudem erlaubt die höhere Effizienz, auf weniger aggressive Chemikalien auszuweichen. „Viele herkömmliche Absorptionsmittel sind giftig oder umweltschädlich. Mit unserer Lösung können wir auch weniger reaktive – aber dafür sicherere – Chemikalien nutzen“, so Varanasi. Die eingesetzten Komponenten seien handelsüblich und könnten in bestehende Anlagen integriert werden.
Vom Labor in die Industrie
Die Forschenden sehen großes Potenzial. Mit weiteren Verbesserungen könnten die Kosten auf 200 Dollar für jede zurückgewonnen Tonne CO₂ sinken – ein Wert, bei dem sich der Einstieg in den CO₂-Abtrennungs-Markt für viele Unternehmen lohnen könnte, die dafür Zertifikate erhalten. Schon heute gebe es Firmen in emissionsstarken Branchen, die über 500 Dollar pro Tonne für solche Verschmutzungs-Zertifikate zahlen. „Es gibt bereits einen Markt – die Frage ist nur, wie breit wir ihn machen können“, sagt Rufer. Varanasi ergänzt: „Unsere Vision ist eine skalierbare, bezahlbare und robuste Technologie, mit der Industrieunternehmen ihre Klimaziele erreichen können.“
Kurzinfo: CO₂-Trennung mit Nanomembranen
- Beseitigt Zielkonflikt zwischen CO₂-Bindung und -Freisetzung
- Erhöht Energieeffizienz des Gesamtprozesses um das Sechsfache
- Spart mindestens 20 Prozent der bisherigen Kosten ein
- Stabiler Betrieb auch bei schwankenden Konzentrationen
- Einsetzbar bei direkter Luftabscheidung und Industrieprozessen
- Ermöglicht sicherere Chemikalien durch verbesserte Reaktionsführung
- Nutzung kommerziell verfügbarer Komponenten
- Gute Integration in bestehende Anlagen
Originalpublikation:
“Carbonate/hydroxide separation boosts CO₂ absorption rate and electrochemical release efficiency”,
in: ACS Energy Letters,
DOI: 10.1021/acsenergylett.5c00893
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
Schreibe einen Kommentar