Das LED-Laufband informiert auch bei Stromausfall – dank Brennstoffzelle und Photovoltaik.
Bild: ©emergencity/TU Darmstadt
Mitten auf dem Riegerplatz in Darmstadt steht sie – rund, stabil, traditionsreich. Und doch ist sie alles andere als von gestern. Die neu eingeweihte Litfaßsäule 4.0 ist ein Prototyp für resiliente Kommunikation in Krisenzeiten. Entwickelt wurde sie vom LOEWE-Zentrum emergenCITY, der Technischen Universität Darmstadt und dem Medienunternehmen Ströer. Ihr Auftrag: im Katastrophenfall weiter senden, wenn andere Kanäle längst verstummt sind.
Digitale Infrastruktur fällt im Krisenfall rasch aus
Die Idee klingt simpel, ist aber hochaktuell: Bei einem großflächigen Stromausfall – etwa infolge von Naturkatastrophen, Cyberangriffen oder geopolitischen Eskalationen – bricht die digitale Infrastruktur rasch zusammen. Mobilfunknetze, Internet, Radio, Fernsehen: Alles läuft auf Strom. Doch der kann schnell zur Mangelware werden. Dann braucht es ein Kommunikationsmittel, das nicht nur autark, sondern auch sichtbar ist – und zuverlässig dort steht, wo die Menschen sind.
Die Renaissance eines Klassikers
Dass die Wahl auf die gute alte Litfaßsäule fiel, ist dem Architekten und Wissenschaftler Dr. Joachim Schulze zu verdanken. Die rund 65.000 Litfaßsäulen in Deutschland – allein 155 in Darmstadt – sind nicht nur ein vertrauter Teil des Stadtbilds. Sie sind auch gleichmäßig verteilt, oft in direkter Nähe zu Wohnquartieren. Für Schulze war klar: „Diese Säulen sind gebaute Nähe.“
Der Clou: Die Litfaßsäule 4.0 ist energieautark. Möglich machen das eine Methanol-Brennstoffzelle der Firma SFC Energy sowie zwei Photovoltaik-Module auf dem Dach. Drei LED-Displays zeigen im Krisenfall Warnungen und Informationen an, die von der Feuerwehr per Funk ausgelöst werden. Bis zu 72 Stunden bleibt die Säule auch ohne Stromnetz in Betrieb.
Vom Alltagsobjekt zum Warnmultiplikator
Bei der Einweihung betonten Hessens Wissenschaftsminister Timon Gremmels und Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus den Vorbildcharakter des Projekts. Die Litfaßsäule sei ein „Warnmultiplikator“, der „innovativ ein vertrautes Stadtmöbel umnutzt“, so Gremmels. Sinemus ergänzte: „In einer zunehmend digitalisierten Welt müssen unsere Infrastrukturen auch im Krisenfall resilient bleiben.“
Ein Leuchtturmprojekt für ganz Deutschland?
In den kommenden sechs Monaten wird untersucht, wie die Bevölkerung die neue Litfaßsäule wahrnimmt. Geplant sind Umfragen, Zählungen, Interaktionsstudien. Parallel wird die Technik weiter getestet. Perspektivisch soll die Säule in das Modulare Warnsystem des Bundes eingebunden werden.
Ströer-CEO Alexander Stotz denkt bereits größer: „Wenn Sicherheitskommunikation funktionieren soll, muss das Projekt deutschlandweit ausgerollt werden.“ Die Litfaßsäule, einst Sprachrohr für Theaterankündigungen und Behördenmitteilungen, könnte so zum Rückgrat einer analogen Notfallinfrastruktur werden.
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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