Islandtief und Azorenhoch bestimmen die Großwetterlage in Europa – doch mit dem Klimawandel wird das Zusammenspiel beider Phänomene chaotischer – und das Wetter auf dem alten Kontinent extremer.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Der Sommer 2023 spaltete Europa. Während in Deutschland die Regenschirme kaum zur Ruhe kamen, kämpften Griechenland, Italien und Spanien mit Flammen, die ganze Landstriche verschlangen. Zwei völlig verschiedene Wetterrealitäten – gleichzeitig auf einem Kontinent. Was wie ein Laune der Natur wirkt, folgt einem Muster: der Nordatlantischen Oszillation, kurz NAO. Und die zeigt im Sommer ein immer extremeres Gesicht.
Gegensätze unter einem Himmel
Die NAO beschreibt das wechselnde Luftdruckgefälle zwischen Island und den Azoren – ein unsichtbares Kräftefeld, das das Wetter in Europa lenkt. Ist der Druckunterschied groß, entsteht eine sogenannte positive NAO-Phase: In Südeuropa bleibt es vergleichsweise kühl, im Norden hingegen trocken und heiß. Bei einer negativen Phase wie im Sommer 2023 ist es umgekehrt: Der Mittelmeerraum trocknet aus, während Nordwest- und Mitteleuropa von kühler, feuchter Luft überzogen werden. Was früher als Laune der Atmosphäre galt, wird heute immer mehr zum Signal: Der Klimawandel verändert nicht nur Temperaturen – sondern auch die Dynamik der Großwetterlagen.
Die NAO wird launischer
In einer neuen Studie haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und der Universität Hamburg genau diese Veränderungen vermessen. Ihre Erkenntnis: Die NAO im Sommer schwankt künftig stärker – sowohl ins Positive als auch ins Negative. Mit anderen Worten: Europas Wetter wird extremer. „Noch interessanter ist allerdings, dass die Variabilität zunimmt. Das bedeutet, dass es mehr und stärkere Extreme der NAO im Sommer geben wird – positive wie negative“ , sagt Studienleiter Quan Liu.
Grundlage der Untersuchung waren umfassende Klimamodelle mit Datensätzen von 1850 bis zum Jahr 2100. Die Modelle simulieren verschiedene Szenarien einer bis zu vier Grad wärmeren Welt – und zeigen dabei klar: Das Druckgefälle zwischen Azoren und Island wird nicht nur stärker, sondern auch unberechenbarer. Und je extremer die NAO, desto stärker auch die verbundenen Wetterereignisse.
Hitzewellen auf dem Vormarsch
Was auf meteorologischen Karten nach Luftdrucklinien aussieht, hat in der Realität gravierende Folgen. Denn mit der Zunahme der NAO-Extreme gehen auch mehr Hitzewellen, Dürren und Unwetter einher – teils gleichzeitig auf verschiedenen Seiten des Kontinents. Daniela Matei, Koautorin der Studie, bringt es auf den Punkt: „Die Zunahme der NAO-Extreme im Sommer kann verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft und auf die Gesundheit der Menschen in Europa haben“ .
Insbesondere die Landwirtschaft leidet unter den gegensätzlichen Wetterphasen: Während auf der einen Seite Felder vertrocknen, droht auf der anderen Seite Ernteverlust durch Überschwemmungen. Dazu kommen gesundheitliche Risiken wie Hitzeschläge, Atemwegserkrankungen und Kreislaufprobleme – besonders in Regionen, die bislang weniger an hohe Temperaturen gewöhnt waren.
Ein Blick zurück – und nach vorn
Um den Trend nicht nur aus Modellen, sondern auch aus realen Daten zu bestätigen, analysierten die Forschenden historische Wetteraufzeichnungen. Das Ergebnis: Auch in der Vergangenheit – besonders in den letzten 40 Jahren – gab es häufiger starke Ausschläge der sommerlichen NAO. Die Entwicklung ist also nicht bloß theoretisch, sondern längst Realität.
Für die Zukunft planen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die physikalischen Ursachen hinter der zunehmenden Variabilität weiter zu untersuchen. Dabei soll auch das sogenannte Ost-Atlantik-Muster, ein weiteres Strömungsphänomen, näher beleuchtet werden. Denn die Kombination mehrerer atmosphärischer Faktoren könnte Europas Wettersommer noch komplizierter – und gefährlicher – machen.
Europa zwischen Flut und Flamme
Was also tun, wenn sich Europa künftig öfter zwischen Flut und Flamme wiederfindet? Frühwarnsysteme und bessere Klimaanpassung sind zentrale Pfeiler – ebenso wie ein rascher Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, um die globale Erwärmung zu begrenzen. Die neue Studie liefert dafür einen klaren Handlungsauftrag. Sie zeigt: Die Veränderungen sind messbar, sie sind im Gange – und sie treffen nicht nur einzelne Regionen, sondern den gesamten Kontinent.
Kurzinfo: Nordatlantische Oszillation (NAO)
• Atmosphärisches Phänomen: beschreibt den Luftdruckunterschied zwischen Islandtief und Azorenhoch
• Positive Phase: Starkes Druckgefälle → Hitze in Nordeuropa, Kühle im Süden
• Negative Phase: Schwaches Druckgefälle → Regen in Nordeuropa, Hitze und Trockenheit im Süden
• Klimawandel: Führt laut Studie zu stärkerer Variabilität und häufigeren Extremen im Sommer
• Folgen: Hitzewellen, Dürren, Waldbrände, wirtschaftliche Schäden, Gesundheitsrisiken
Originalpublikation:
Liu, Q. et al.,
„More extreme summertime North Atlantic Oscillation under climate change“,
in: Communications Earth & Environment 6, 474 (2025).
DOI: 10.1038/s43247-025-02422-x
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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