Feiertage streichen bringt nichts

Feiertage streichen bringt nichts

Länger arbeiten, öfter arbeiten – all das ist nicht zielführend, sondern oft sogar kontraproduktiv, zeigt die Empirie: gestrichene Feiertage können sogar die Produktivität senken, weil die Erholung und Motivation leidet.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Wer mehr arbeitet, schafft auch mehr – so lautet eine der ältesten ökonomischen Faustregeln. Doch stimmt das auch im Maßstab ganzer Volkswirtschaften? Eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) stellt diese Logik in Frage: Die Abschaffung von Feiertagen habe in der Vergangenheit nicht zu mehr Wachstum geführt – im Gegenteil.

Sechs Realexperimente, kein Muster

Die Forscherinnen und Forscher des IMK analysierten sechs konkrete Fälle zwischen 1990 und 2023, in denen in einzelnen Bundesländern arbeitsfreie Feiertage gestrichen oder eingeführt wurden. Das Ergebnis: Es gibt keinen konsistenten Beleg dafür, dass weniger Feiertage die Wirtschaftsleistung steigern.

Die Gleichung: Wenn Feiertage wegfallen, steigt das Wachstum, geht offensichtlich nicht auf. Denn sie ist zu simpel und wird einer modernen Arbeitsgesellschaft nicht gerecht – so wie viele aktuelle Ideen zur Arbeitszeitverlängerung“ , sagt Prof. Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK.

Ein Blick auf die Zahlen untermauert die Aussage. So wuchs das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Sachsen 1995 – dem einzigen Bundesland, das den Buß- und Bettag beibehielt – um 9,7 Prozent. Im Bundesdurchschnitt lag das Wachstum nur bei 3,4 Prozent. Auch gegenüber benachbarten Ländern, die den Feiertag strichen, schnitt Sachsen deutlich besser ab.

Feiertag weg – und nichts passiert?

Ein weiteres Beispiel liefert der Reformationstag: 2017 wurde er bundesweit einmalig zum gesetzlichen Feiertag. Im Jahr darauf fiel er in mehreren westdeutschen Ländern wieder weg. Wäre weniger Feiertag gleich mehr Wachstum, müsste sich das im BIP niederschlagen. Doch 2018 lag das Wachstum in Bundesländern, die den Reformationstag nicht beibehielten, sogar leicht unter dem in jenen, die ihn dauerhaft einführten.

Auch Berlin, wo 2019 der Internationale Frauentag zum Feiertag wurde, zeigte eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Entwicklung. Das nominale BIP wuchs um zwei Prozentpunkte stärker als im Bundesdurchschnitt – trotz (oder vielleicht wegen?) des neuen Feiertags.

Kein Feiertag, kein Produktivitätsgewinn

Was hinter dem Befund steckt, ist eine Realität, die vielen wirtschaftspolitischen Debatten fehlt: In einer hoch arbeitsteiligen und flexibel organisierten Volkswirtschaft hängt Produktion nur zum Teil von der Zahl der Arbeitstage ab. Unternehmen planen Arbeit um Feiertage herum – nicht zuletzt wegen der Zuschläge. Entscheidend sei die Nachfrage, nicht die zusätzliche Zeit.

Die Forderung nach einem solchen Schritt zur Wachstumsförderung ist deshalb nicht zielführend“ , bilanziert Dullien. Hinzu kommt ein Aspekt, der in vielen Diskussionen unterschätzt wird: die menschliche Seite. Wer weniger Erholung hat, arbeitet nicht unbedingt mehr – oft nur erschöpfter. Die IMK-Forscher schreiben: „Denkbar ist, dass die Beobachtung fehlender positiver Wachstumseffekte einer geringeren Zahl an Feiertagen darauf zurückgeht, dass die geringere Erholungszeit die Produktivität senkt“ .

Weniger freie Tage, weniger Lust zu arbeiten?

Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass Menschen auf zunehmende Belastung mit Rückzug reagieren. In der Pandemie verkürzten viele Pflegekräfte nach hohen Arbeitsbelastungen ihre Arbeitszeit – ein Verhaltensmuster, das sich laut IMK auch bei wegfallenden Feiertagen zeigen könnte: Wer sich dauerhaft überlastet fühlt, zieht sich zurück, reduziert Stunden oder gibt Nebenjobs auf.

Damit zeigt sich: Der Zusammenhang zwischen Arbeitstagen und Wachstum ist komplexer als gedacht. Feiertage können sogar entlasten, die Motivation fördern – und langfristig die Produktivität stützen.

Ein Mythos mit politischer Wirkung

Die Behauptung, weniger Feiertage führten zu mehr Wachstum, hält sich dennoch hartnäckig. Arbeitgebernahe Institute beziffern den vermeintlichen Gewinn pro gestrichenem Feiertag auf bis zu 8,6 Milliarden Euro. Doch diese Zahl basiert auf einer Modellrechnung, nicht auf realen Entwicklungen.

Die IMK-Studie macht deutlich: Wo reale Daten analysiert werden, verliert der Mythos an Substanz. Und das hat politische Relevanz. Wer die Streichung von Feiertagen als Konjunkturprogramm verkauft, bedient ein Narrativ – aber keines, das der Realität standhält.


Kurzinfo: Feiertags-Studie
Untersuchungszeitraum:
1990–2023

Fälle:
Abschaffung und Einführung gesetzlicher Feiertage in mehreren Bundesländern

Datenbasis:
Nominales BIP nach Bundesländern (Statistisches Bundesamt)

Ergebnis:
In mehr als der Hälfte der Fälle entwickelte sich die Wirtschaft in Bundesländern mit zusätzlichen Feiertagen besser

Erklärung:
Wirtschaftsleistung hängt stärker von Nachfrage, Produktivität und Kapazitäten ab als von zusätzlicher Arbeitszeit

Fazit der Forschenden:
Keine empirische Basis für wachstumsfördernde Wirkung gestrichener Feiertage


Originalpublikation:
Sebastian Dullien, Alexander Herzog-Stein, Ulrike Stein: Abschaffung von Feiertagen als „Wachstumsbooster“: Idee ohne robustes empirisches Fundament. IMK Kommentar Nr. 14, Juni 2025

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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