Win-Win statt Flächenkonkurrenz: gerade in heißen und trockenen Regionen könnte schattenspendende Agrovoltaik deutliche Vorteile bieten, zeigt das Beispiel Longmont, Colorado.
(Bild: Colorado State University)
In der trockenen Weite Colorados, wo der Regen oft ausbleibt und jeder Tropfen für die Graslandschaften wertvoll ist, könnten erneuerbare Energien indirekt einen Hoffnungsschimmer bieten. Denn zwischen glänzenden Solarpanels blühen Gräser – trotz Dürre. Was bislang als Flächenkonkurrenz zwischen Energiewende und Naturschutz galt, könnte sich somit als überraschende Allianz erweisen.
Wenn Energie Schatten wirft – und das gut ist
Eine neue Studie von Colorado State University und Cornell University zeigt: Solaranlagen können in semi-ariden Grasländern während Trockenzeiten nicht nur Energie liefern, sondern auch das Pflanzenwachstum fördern. In extrem trockenen Jahren wuchsen Gräser unter den Panels in manchen Fällen um bis zu 90 Prozent besser als auf vergleichbaren Freiflächen.
Die Daten stammen aus einem vierjährigen Forschungsprojekt auf einer sogenannten Agrivoltaik-Anlage in Longmont, Colorado. Hier stehen Photovoltaik-Arrays über Wiesen, die normalerweise für Viehweiden genutzt werden. Das Projekt ist das erste, das systematisch untersucht, wie sich diese Kombination auf Bodenfeuchte, Pflanzenwachstum und mikroklimatische Bedingungen auswirkt.
Schatten, Tau und der richtige Winkel
Doch woran liegt das? Die Panels werfen Schatten, reduzieren damit Verdunstung und leiten zusätzlich Wasser von ihrer Oberfläche in die Umgebung. Besonders in Dürreperioden wirkt diese Kombination wie ein natürlicher Schutzschirm für das empfindliche Ökosystem.
„Es gibt mehrere Studien, die positive Effekte von Solaranlagen auf Pflanzen und Wasserhaushalt zeigen“, erklärt Matthew Sturchio, Postdoc-Forscher an der Cornell University und einer der Autoren. „Aber das ist die erste Analyse, die zeigt, wie sich dieser Effekt bei zunehmender Trockenheit verstärkt.“
Auch wenn die untersuchten Anlagen primär zur Stromerzeugung optimiert wurden, zeigt sich ihre ökologische Nebenwirkung deutlich. „Das wichtigste Ergebnis ist: Selbst ein auf maximale Energiegewinnung ausgelegtes Solarfeld hat in einem trockenen Jahr das Pflanzenwachstum gefördert“, so Sturchio.
Designfragen für das Ökosystem
Die Ergebnisse legen nahe, dass sich diese Effekte mit gezieltem Design weiter verbessern ließen. Panels könnten so angeordnet werden, dass sie gezielt Schatten spenden, wenn die Temperaturen steigen – oder mehr Licht durchlassen, wenn Gräser in der Wachstumsphase sind.
„Mit kleinen Anpassungen bei Ausrichtung, Abstand und Steuerung der Panels könnten wir zusätzliche ökologische Vorteile erschließen – insbesondere im Hinblick auf Wasserverfügbarkeit“, sagt Sturchio.
Die Idee geht weit über reine Stromproduktion hinaus: Die Forschenden sehen in Solararrays eine Chance zur ökologischen Aufwertung. Strategisch platzierte Anlagen könnten aride Graslandschaften nicht nur schützen, sondern sogar regenerieren.
Hoffnung auf die C4-Gräser
Alan Knapp, Professor an der Colorado State University, erforscht seit Jahrzehnten, wie Grasländer mit Wassermangel umgehen. In der aktuellen Studie wurden vor allem C3-Pflanzen untersucht – Gräser, die kühlere, feuchtere Bedingungen bevorzugen. Der nächste Schritt ist nun, die häufigeren C4-Gräser der Region in den Blick zu nehmen, die mit Wärme und Sonne besser zurechtkommen.
„Diese Grasländer sind noch stärker vom Wassermangel betroffen als die, die wir in der Studie untersucht haben. Deshalb erwarten wir, dass Solarpanels dort einen noch größeren positiven Effekt haben könnten“, so Knapp.
Agrivoltaik als Zukunftsmodell?
Die Ergebnisse passen in den Trend zur sogenannten Agrivoltaik – einem Ansatz, bei dem Solarstromerzeugung und landwirtschaftliche Nutzung kombiniert werden. Auf extensiv genutztem Land, das weder bewässert noch mit Maschinen bearbeitet wird, könnten gut geplante Anlagen zum Katalysator für Biodiversität und Klimaanpassung werden.
„Wir vermuten, dass Solaranlagen nicht nur durch ihr Mikroklima wirken, sondern auch durch die strukturelle Vielfalt, die sie ins Ökosystem bringen“, sagt Sturchio. „Diese Heterogenität könnte die Grundlage für widerstandsfähige Pflanzengemeinschaften sein.“
An der neuen Shortgrass Ecovoltaic Research Facility in Nunn, Colorado, sollen diese Hypothesen bald weiter untersucht werden – mit einem Ziel, das weit über Energie hinausreicht: eine Landschaft, die Strom liefert und zugleich wieder atmen kann.
Kurzinfo: Agrivoltaik im trockenen Grasland
- Projektstandort: Longmont, Colorado
- Dauer der Studie: Vier Jahre
- Hauptfokus: Pflanzenwachstum unter Solarpanels während Dürre
- Ergebnis: Bis zu 90 Prozent mehr Graswachstum im Schatten der Panels
- Ursache: Geringere Verdunstung, Wasserableitung, Mikroklima
- Technischer Ansatz: Agrivoltaik – Doppelnutzung für Strom & Ökologie
- Ziel: Verbesserung von Ökosystemresilienz und Energieproduktion
- Zukunft: Fokus auf C4-Gräser und neue Designstrategien
- Forschende: Cornell University & Colorado State University
- Potenzial: Kombination aus Klimaanpassung, Biodiversität und Energiegewinnung
Originalpublikation:
Matthew Sturchio & Alan Knapp:
Evidence of photovoltaic aridity mitigation in semi-arid grasslands
In: Environmental Research Letters (29. Mai 2025)
DOI: 10.1088/1748-9326/add94d
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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