Kanonen ohne Butter: Warum die IMI vor den ökonomischen Folgen der Aufrüstung warnt

Kanonen ohne Butter: Warum die IMI vor den ökonomischen Folgen der Aufrüstung warnt

Fabrikneue Panzer auf einem Güterzug: Einmal produziert, schaffen sie keinen Mehrwert, sondern sind totes Kapital – während gleichzeitig Geld für produktive Bereiche fehlt.

(Bild: Redaktion/GPTo)


Geld für Panzer statt Pflege, Milliarden für Munition statt Modernisierung: Die Informationsstelle Militarisierung (IMI) zieht in ihrer neuen Kurzstudie „Militärausgaben und Sozialabbau: Rüstung statt Rente – Kanonen statt Butter“ eine klare Bilanz. Trotz vollmundiger Versprechen erweise sich der Rüstungsboom nicht als wirtschaftlicher Motor, sondern als fragwürdige Umverteilung zulasten der Mehrheit. „Rüstung macht die Reichen reicher und die Armen zahlreicher“, heißt es mit Verweis auf Sozialforscher Christoph Butterwegge.

Milliarden für die Bundeswehr

Seit Jahren wachse der Verteidigungsetat: von 32,5 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf rund 90,6 Milliarden Euro 2024, inklusive Sondervermögen und Ukraine-Hilfen. Mit der jüngst beschlossenen Aussetzung der Schuldenbremse für Militärausgaben könne der Anteil am Bruttoinlandsprodukt auf bis zu 3,5 Prozent steigen – das wären rund 150 Milliarden Euro, ein Drittel des Bundeshaushalts. „Von einer kaputtgesparten Bundeswehr kann keine Rede sein“, hält die IMI entgegen und verweist auf frühere, kaum eingehaltene Sparziele.

Falsche Versprechen vom Wirtschaftswachstum

Besonders kritisch sieht die IMI die zunehmende Rhetorik über angebliche Wachstumseffekte. Wirtschaftsinstitute wie das Kieler IfW oder das ifo-Institut suggerierten, dass schuldenfinanzierte Rüstungsausgaben das BIP steigern könnten. Tatsächlich würden dem aber viele internationale Studien widersprechen: Militausgaben hätten langfristig eher einen negativen Effekt auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. „Vergleichsstudien zeigen: Investitionen in Bildung, Gesundheit oder Klimaschutz bringen deutlich mehr für die Konjunktur als Waffenkäufe“, heißt es in der Analyse.

Aufrüsten oder umverteilen?

Wer soll das alles bezahlen? Die arbeitgebernahen Institute haben eine klare Antwort: nicht durch Steuererhöhungen, sondern durch Einsparungen bei den Sozialausgaben soll der Haushalt in der Balance bleiben. IMI zitiert ifo-Chef Clemens Fuest: „Kanonen und Butter – das ist Schlaraffenland. Das geht nicht. Sondern: Kanonen ohne Butter.“ Eine Debatte, die nicht nur ökonomisch fragwürdig, sondern auch sozial brisant ist. Gerade bei Renten, Pflege oder Bildung drohten massive Kürzungen, so das IMI, während die Militärausgaben weiter aus dem Vollen schöpfen könnten.

Ein teures Sicherheitsversprechen

Auch die sicherheitspolitische Argumentation überzeugt die Studienautoren nicht. Selbst der Bundesnachrichtendienst sehe aktuell keine Hinweise auf eine akute Bedrohung durch Russland. Die NATO sei Russland militärisch deutlich überlegen, eine „Blankheit“ der Bundeswehr sei angesichts explodierender Budgets eher ein Problem des Missmanagements. „Der gegenwärtige Aufrüstungswettlauf ist ökonomisch ineffizient, sozial unverträglich und sicherheitspolitisch fragwürdig“, so das Fazit der IMI. „Wer Frieden will, muss auch über Verteilungsgerechtigkeit sprechen.“

Faktencheck: Was die IMI fordert

Titel der Studie: „Aufrüstung statt Aufbruch? Die wirtschafts- und sozialpolitischen Folgen des neuen Rüstungskurses“ (April 2025)

Herausgeberin: Informationsstelle Militarisierung e.V. (IMI), Tübingen

Zentrale Thesen:
Die These von der „kaputtgesparten Bundeswehr“ sei empirisch nicht haltbar
Rüstungsausgaben verdrängen Investitionen in soziale und ökologische Zukunftsbereiche
Die These vom „Rüstungs-Keynesianismus“ sei ökonomisch unseriös und langfristig wachstumshemmend
Kritik an aktuellen Entwicklungen:
Schuldenfinanzierte Rüstungsausgaben werden langfristig aus dem Haushalt finanziert und führen zu Sozialkürzungen
Die Debatte um Verteidigung dominiert zunehmend öffentliche Finanzplanungen
Rhetorik und Argumentationsmuster greifen auf historisch belastete Bilder wie „Kanonen statt Butter“ zurück
Forderungen der IMI:
Öffentliche Debatte über Alternativen zur Hochrüstung
Keine Ausnahmen von der Schuldenbremse für das Militär
Vorrang für Investitionen in Bildung, Klima, Gesundheit und Soziales
Demokratische Kontrolle der Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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