Karriereknick Kind: Mütter verlieren nach der Geburt deutlich mehr Einkommen als gedacht

Karriereknick Kind: Mütter verlieren nach der Geburt deutlich mehr Einkommen als gedacht

Die Forscherinnen und Forscher sprechen von einem zweifachen Effekt: Während junge Mütter unmittelbar weniger verdienen, verlieren sie zugleich das Lohnwachstum, das gerade in den ersten Berufsjahren entscheidend ist.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Kurzinfo: Mütter verlieren mehr Einkommen als gedacht

  • Folgen: geringere Einkommen, schwächere Rente
  • Neue Studie von ZEW Mannheim und Universität Tilburg
  • Datenbasis: 186.000 Mütter, Jahrgänge 1975–2021
  • Durchschnittlicher Verlust: 30.000 Euro nach vier Jahren
  • Frühere Schätzungen um 30 Prozent zu niedrig
  • Besonders betroffen: Mütter unter 30 Jahren
  • Ursache: Verpasste Lohnzuwächse und Karriereschritte
  • Methode: Vergleich mit gleichaltrigen kinderlosen Frauen
  • Datengrundlage: „Integrierte Arbeitsmarktbiografien“ der Bundesagentur für Arbeit


Ein Kind verändert alles – auch das Konto. Vier Jahre nach der Geburt ihres ersten Kindes verdienen Mütter in Deutschland im Schnitt fast 30.000 Euro weniger als gleichaltrige Frauen ohne Kinder. Das zeigen neue Berechnungen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim und der Universität Tilburg. Die bislang gängigen Schätzungen unterschätzten den Verlust um fast ein Drittel.

Einbruch in der entscheidenden Lebensphase

Der sogenannte „Child Penalty“, also der Einkommensnachteil von Müttern, trifft vor allem junge Frauen. „Werden Frauen unter 30 Jahren erstmals Mutter, erleiden sie einerseits Verluste im gegenwärtigen Einkommen, andererseits verpassen sie auch wichtige Karriereschritte in der besonders prägenden frühen Berufsphase“, erklärt Studien-Koautor Dr. Lukas Riedel vom ZEW. Frauen, die erst später Mutter werden, haben sich im Arbeitsmarkt oft bereits etabliert und können nach der Geburt eher an frühere Erfolge anknüpfen.

Die Forscherinnen und Forscher sprechen von einem zweifachen Effekt: Während junge Mütter unmittelbar weniger verdienen, verlieren sie zugleich das Lohnwachstum, das gerade in den ersten Berufsjahren entscheidend ist. Dieser Rückstand lässt sich später meist nicht mehr vollständig aufholen.

Verlust, der bleibt

Die Daten zeigen, dass sich der Einkommensabstand zwischen Müttern und kinderlosen Frauen nicht nur in den Jahren nach der Geburt verfestigt – er wächst weiter. „Je älter und damit berufserfahrener die Mutter, desto geringer sind nach einigen Jahren die Verluste gegenüber dem Einkommen vor der Geburt. Da jüngere Mütter durch die Geburt auch Lohnwachstum verpassen, sind ihre relativen Verluste größer und weisen in der Zeit nach der Geburt zudem einen deutlich negativen Trend auf“, so Riedel.

Langfristig summieren sich die Einbußen nicht nur zu einem finanziellen Problem, sondern auch zu einer strukturellen Ungleichheit. Die geringeren Einkommen führen zu kleineren Rentenansprüchen – und damit zu einem Gender Gap, der sich bis ins Alter zieht.

Neue Methode, klareres Bild

Frühere Berechnungen, so das ZEW, hätten die tatsächliche Lücke unterschätzt. Der Grund: Die gängigen „Event Studies“ verglichen oft Mütter mit anderen Müttern – unabhängig davon, ob diese bereits Kinder bekommen hatten. Die neue Studie korrigiert diesen methodischen Fehler. „Unsere Schätzmethode nutzt nur saubere Vergleiche mit gleichaltrigen Frauen, die noch kein Kind haben. So können wir die Einkommensentwicklung im Fall ohne Geburt realistisch abbilden“, erläutert Valentina Melentyeva von der Universität Tilburg.

Dadurch zeigen sich nicht nur genauere Zahlen, sondern auch differenzierte Muster nach Alter und Berufserfahrung. „Dieses Vorgehen erlaubt nicht nur, die Einkommensverluste nach der Geburt abhängig vom Alter der Mütter zu schätzen. Zusätzlich lassen sich so auch unterschiedliche Ursachen für die Gehaltsunterschiede analysieren“, ergänzt Riedel.

Daten über Jahrzehnte

Die Forschenden nutzten amtliche Statistiken von mehr als 186.000 Müttern aus der „Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiografien“ zwischen 1975 und 2021. Sie zeigen ein klares Muster: Frauen, die jung Mutter werden, sind im Nachteil – weil sich Familie und Beruf in Deutschland noch immer schwer vereinbaren lassen. Zwar wurden Betreuungsangebote ausgebaut, doch Vollzeitstellen sind für viele weiterhin kaum machbar.

Ein strukturelles Problem

Die Studie verdeutlicht, dass Einkommenslücken nicht nur aus individueller Entscheidung entstehen, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Strukturen sind. Solange Kinderbetreuung, Teilzeit und Karrierechancen ungleich verteilt bleiben, wird sich auch der „Child Penalty“ nicht schließen.


Originalpublikation:

Valentina Melentyeva & Lukas Riedel:

Child Penalty Estimation and Mothers’ Age at First Birth

ZEW Discussion Paper 25-033/07/2025 https://ftp.zew.de/pub/zew-docs/dp/dp25033.pdf

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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