Wissenschaftler nehmen Proben in der Mossy-Tropfsteinhöhle im Norden Saudi-Arabiens
Bild: The Green Arabia Projekt
Wer heute durch die Arabische Wüste reist, sieht Sand, so weit das Auge reicht – flimmernde Hitze, endlose Trockenheit, kaum Leben. Doch unter der Erde, in tiefen Höhlen Saudi-Arabiens, liegt ein Archiv verborgen, das von einer ganz anderen Vergangenheit erzählt. In Stalaktiten und Stalagmiten, gewachsen Tropfen für Tropfen, steckt der Schlüssel zu einem Kapitel Erdgeschichte, das das Bild von Arabien grundlegend verändert.
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Chemie hat in sieben Höhlen der Region uralte Tropfsteine analysiert. Die Ergebnisse sind spektakulär: Immer wieder, über die vergangenen acht Millionen Jahre hinweg, wurde das heutige Wüstenland für einige Jahrtausende zur grünen Oase – üppig, regenreich, lebensfreundlich. Ein Befund, der nicht nur geologisch, sondern auch evolutionsgeschichtlich von Bedeutung ist.
Tropfsteine als Klima-Chronisten
Die Analyse sogenannter Speläotheme – Tropfsteinformationen aus Kalziumkarbonat – erlaubt einen direkten Blick in das Klima der Vergangenheit. Denn Tropfsteine wachsen nur, wenn ausreichend Regenwasser durch den Boden sickert. Eingeschlossene Isotope und Wassertröpfchen verraten, wann es regnete, wie stark, und woher das Wasser stammte.
Mit radiometrischen Datierungen konnten die Forschenden die Entstehungszeiten der Tropfsteine präzise rekonstruieren – die ältesten regenreichen Phasen datieren auf rund 7,5 Millionen Jahre zurück. Weitere Feuchtperioden fielen in die Zeit vor zwei Millionen Jahren – just als erste menschliche Vorfahren Asien erreichten.
Grüne Korridore für Tiere und Menschen
Die klimatischen Zeitfenster mit Monsunregen machten die Arabische Halbinsel zeitweise durchquerbar – für Tiere ebenso wie für unsere Vorfahren. Bislang galt die Region als klimatischer Sperrriegel zwischen Afrika und Eurasien. Nun zeigt sich: Sie war wohl eher eine wechselhafte Drehtür.
„Unsere Studie belegt, dass Arabien immer wieder eine grüne Brücke war“, sagt Geologe Hubert Vonhof. Diese feuchteren Episoden, so kurz sie im geologischen Maßstab auch gewesen sein mögen, hatten enorme Bedeutung für Wanderungsbewegungen in der Tier- und Menschheitsgeschichte.
Das Verschwinden des Monsuns
Doch der Regen blieb nicht. Über Millionen Jahre hinweg verlagerte sich der Monsungürtel nach Süden. Die Folge: Die arabische Halbinsel trocknete langsam aus. Heute zählt die Region zu den trockensten der Welt. Eine Entwicklung, die – wie Erstautorin Monika Markowska betont – auch mit globalen Klimaveränderungen zusammenhängt, etwa mit der Abkühlung der Nordhalbkugel.
Ob der menschengemachte Klimawandel diese Dynamik umkehren kann, ist unklar. Bisherige Studien legen nahe, dass steigende Temperaturen nicht automatisch mehr Regen für Arabien bedeuten.
Fossile Tropfen mit großer Aussagekraft
Die Isotopenanalysen der Tropfsteine lieferten nicht nur Zeitangaben, sondern auch Hinweise auf die Herkunft des Wassers – eindeutig identifizierbar als Monsunregen. „Die winzigen Wassereinschlüsse sind wie konservierte Regentropfen aus der Urzeit“, sagt ein beteiligter Forscher.
Dass diese Tropfen nun Auskunft geben über Wanderungswellen, Klimadynamiken und grüne Epochen mitten in der Wüste, ist ein wissenschaftlicher Coup. Es zeigt: Auch die trockensten Orte der Erde bergen in ihren Tiefen Geschichten von Wasser – und von Leben.
Die Pointe: Wüsten sind nie nur Wüste
Die Arabische Wüste war einst ein Garten – mehrfach. Das macht die Region nicht nur geologisch spannend, sondern auch kulturell und evolutionär bedeutsam. Sie war kein ewiges Niemandsland, sondern ein klimatisches Tor. Ein Ort, an dem Menschheitsgeschichte möglicherweise ganz anders verlief, als wir dachten. Wer heute durch Sand wandert, läuft vielleicht über uralte Spuren – die der Regen einst freigespült hat.
Tropfsteine als Klimaarchive Was sind Tropfsteine? Tropfsteine – also Stalaktiten (von der Decke) und Stalagmiten (vom Boden) – entstehen durch kalkhaltiges Regenwasser, das durch das Gestein in Höhlen sickert. Sie wachsen nur, wenn es genug Niederschlag gibt – und speichern dadurch wertvolle Informationen über vergangene Klimabedingungen. Warum eignen sie sich zur Klimaforschung? Die chemische Zusammensetzung des Kalziumkarbonats verrät Temperatur, Niederschlagsmenge und sogar die Herkunft des Wassers. Eingeschlossene Isotope und winzige Wassertröpfchen sind wie konservierte Momentaufnahmen vergangener Regenzeiten. Wie wird das Alter bestimmt? Forschende datieren Tropfsteine mithilfe radiometrischer Verfahren. Dabei wird der Zerfall von Uran-Isotopen gemessen, die mit dem Wasser in die Höhle gelangt sind. So lassen sich selbst Millionen Jahre alte Formationen exakt zeitlich einordnen. Was hat das mit der Arabischen Wüste zu tun? Die neuen Analysen zeigen: Über die letzten acht Millionen Jahre hinweg war die Arabische Wüste mehrfach feucht und grün. Diese Zeitfenster ermöglichten Tierwanderungen – und womöglich auch menschliche Migrationen zwischen Afrika und Eurasien. Was bedeutet das für die Klimaforschung? Tropfsteine sind stille Zeugen vergangener Klimawandel – und helfen, langfristige Veränderungen zu verstehen. Besonders spannend: Die arabischen Regenperioden hängen eng mit der Lage des Monsungürtels zusammen – und damit mit globalen Klimaentwicklungen. |
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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