Klimakoloss in Tarnfarben – Wie das US-Militär seine Emissionen senken könnte

Klimakoloss in Tarnfarben – Wie das US-Militär seine Emissionen senken könnte

Der weitaus größere Teil der Emissionen entsteht abseits des Schlachtfelds: beim Flugbetrieb in Friedenszeiten, beim Kampf-Training am Boden und auf See, beim Betrieb von über 1.700 Militärstützpunkten weltweit.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


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Das größte Militär der Welt hat nicht nur politische Schlagkraft, sondern auch eine gewaltige Klimabilanz: Wäre das US-Verteidigungsministerium ein Land, rangierte es beim CO₂-Ausstoß weltweit auf Platz 47 – gleichauf mit Staaten wie Schweden oder Venezuela. Allein zwischen 2010 und 2019 blies es über 636 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente in die Atmosphäre.

Doch wie lässt sich dieser Koloss in Bewegung bringen – oder besser: bremsen? Eine neue Studie des Soziologen Brett Clark von der University of Utah liefert erstmals eine präzise Datenanalyse, wie eng Militärbudget und Energieverbrauch miteinander verwoben sind. Und sie kommt zu einem klaren Ergebnis: Weniger Militärausgaben führen zuverlässig zu weniger Emissionen.

Nicht nur Bomben und Panzer – auch Klimawandel

Zwar ist der ökologische Schaden durch Kriege bekannt – von verbrannten Ölfeldern bis hin zu verseuchten Böden. Doch der weitaus größere Teil der Emissionen entsteht abseits des Schlachtfelds: beim Flugbetrieb, beim Training, beim Betrieb von über 1.700 Militärstützpunkten weltweit – und bei der Klimaanlage in Nevada.

Natürlich wirkt sich das Militär auf die Umwelt aus. Aber wir denken dabei meist an Kriegsschäden – nicht an die Emissionen, die durch Routinebetrieb, Trainingsflüge oder die Stromversorgung von Basen entstehen“, erklärt Clark.

Gemeinsam mit Forschenden der Penn State University und der University of British Columbia analysierte Clark Daten der US-Energiebehörde und des Stockholmer Friedensforschungsinstituts. Der Fokus lag auf der direkten Energieverwendung: also Treibstoff für Flugzeuge, Schiffe, Fahrzeuge und Strom an Militärstandorten.

Kerosin als Klimakiller

Der größte Einzelposten: Kerosin. Ganze 55 Prozent des militärischen Energiebedarfs entfallen auf den Luftverkehr. Wer also ernsthaft den ökologischen Fußabdruck des Militärs verkleinern will, muss am Himmel ansetzen.

Fliegerei ist extrem energieintensiv. Jede ernsthafte Strategie zur Emissionsreduktion muss diesen Bereich ins Zentrum stellen“, sagt Ryan Thombs, Co-Autor der Studie.

Und dabei gäbe es durchaus Spielräume: Seit dem Vietnamkrieg 1975 hat sich der Energieverbrauch trotz höherer Militärausgaben halbiert – dank effizienterer Ausrüstung und Basisstilllegungen. Dennoch bleibt das US-Militär der größte Einzelverbraucher fossiler Energie weltweit.

Jeder Dollar zählt – in beide Richtungen

Die Forschenden modellierten, wie sich Änderungen im Militärbudget auf den Energieverbrauch auswirken. Das Ergebnis ist überraschend asymmetrisch: Eine Erhöhung um ein Prozent führt zu einem Anstieg des Energieverbrauchs um 0,648 Prozent – eine Reduktion hingegen zu einer Einsparung von 1,09 Prozent.

Wenn wir Militärausgaben reduzieren, sparen wir nicht nur Energie – wir gewinnen auch politische und finanzielle Spielräume“, betont Clark. „Denn jeder Dollar, der ins Militär fließt, fehlt in Bereichen wie Gesundheit, Bildung oder Klimaschutz.“

Die Studie zeigt, dass eine konsequente Reduktion der Militärausgaben bis 2032 zu Energieeinsparungen führen könnte, die dem gesamten Jahresverbrauch von Slowenien oder dem US-Bundesstaat Delaware entsprechen.

Zwischen Bedrohung und Verantwortung

Ein zentrales Dilemma bleibt: Das Militär sieht sich selbst als Garant für Sicherheit – auch im Angesicht klimabedingter Risiken wie Dürren, Flüchtlingsbewegungen oder geopolitischer Instabilität. Doch je mehr Ressourcen es beansprucht, desto stärker wird es Teil des Problems.

Das Militär ist ein Bedrohungsmultiplikator, aber zugleich auch einer der größten Emittenten. Diese Spannung müssen wir ernst nehmen – und nicht ignorieren“, mahnt Clark.

Auch wenn die Studie keine einfachen Lösungen bietet, ist sie ein Weckruf an Politik und Gesellschaft: Wer die Erderwärmung wirklich bremsen will, darf die Rolle des Militärs nicht länger ausblenden. Klimaschutz beginnt nicht nur beim Tempolimit – sondern auch im Verteidigungsetat.


Kurzinfo: US-Militär und Klimakrise

  • Emissionen: 636 Mio. Tonnen CO₂ (2010–2019)
  • Globaler Rang: Platz 47 (wenn eigenständiger Staat)
  • Größte Emissionsquelle: Flugverkehr (55 % des Energieverbrauchs)
  • Militärausgaben 2022: 812 Mrd. US-Dollar
  • Energieverbrauch 2022: 622 Billionen BTU
  • Basen weltweit: ca. 900 in den USA, 800 international
  • Sparpotenzial: Reduktion der Emissionen auf Niveau von Slowenien möglich
  • Kernproblem: Mehr Militärausgaben = weniger Mittel für Klima, Bildung, Soziales
  • Fazit der Studie: Klimaschutz braucht auch Abrüstung

Originalpublikation:
Clark, Brett et al. (2025):

Reducing U.S. military spending could lead to substantial decreases in energy consumption,

in: PLOS Climate, 2. Juli 2025.
DOI: 10.1371/journal.pclm.0000569

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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