Die Forschenden warnen: Werden die heutigen Emissionstrends bis 2090 fortgesetzt, steigt der Meeresspiegel um rund 0,8 Meter – von denen etwa 0,6 Meter durch Maßnahmen vor 2050 noch vermeidbar wären.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Kurzinfo: Meeresspiegel und Emissionen – was auf dem Spiel steht
• Studie von IIASA, Met Office, NIOZ, belgischen und deutschen Partnern
• Prognose: 0,8 Meter Anstieg bis 2300 bei unveränderten Emissionen
• 0,6 Meter davon wären durch schnelle Reduktion vermeidbar
• Hauptursachen: CO₂ aus Energie, Industrie, Verkehr
• Ozeane reagieren träge, Folgen über Jahrhunderte spürbar
• Inselstaaten besonders gefährdet
• Entscheidungen bis 2050 prägen kommende Jahrhunderte
Was heute wie ein fernes Szenario scheint, hat längst begonnen: Der Meeresspiegel steigt – und er wird es über Jahrhunderte weiter tun. Eine internationale Forschungsgruppe unter Leitung des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) zeigt nun, wie stark die politischen Entscheidungen bis Mitte des Jahrhunderts das Schicksal der Küstenlinie beeinflussen werden.
Jahrhundertentscheidungen für Jahrtausende
Die in Nature Climate Change veröffentlichte Studie quantifiziert erstmals, wie viel Meeresspiegelanstieg bis zum Jahr 2300 bereits „eingeloggt“ wird – abhängig davon, wie die Emissionen zwischen 2020 und 2090 verlaufen. Selbst wenn die Erwärmung in diesem Jahrhundert gebremst würde, reagieren Ozeane und Eisschilde weiter. „Wir müssen die Auswirkungen über 2100 hinaus betrachten, weil Meere und Eisschilde über Jahrhunderte träge nachziehen“, erklärt Alexander Nauels, Leitautor der Studie.
Das Erbe heutiger Emissionen
Unter den derzeitigen politischen Zusagen sind die Folgen beträchtlich: Schon die Emissionen bis 2050 würden die Erde um weitere 0,3 Meter Anstieg bis 2300 verpflichten. Werden die heutigen Emissionstrends bis 2090 fortgesetzt, wären es rund 0,8 Meter – von denen etwa 0,6 Meter noch vermeidbar wären. „Unsere Studie zeigt klar, dass die Klimapolitik der nächsten Jahrzehnte über die Zukunft der Küsten entscheidet“, so Nauels.
Dieser Unterschied klingt nach wenig – doch im Maßstab von Jahrhunderten bedeutet er das Schicksal ganzer Regionen. Manche Inselstaaten würden schlicht untergehen, Küstenstädte wie Jakarta oder Miami müssten dauerhaft aufgegeben werden.
Regionale Unterschiede, globale Verantwortung
Die Forscher betonen, dass die Effekte regional stark variieren. „Einige Regionen wie die pazifischen Inseln werden überdurchschnittlich betroffen sein“, sagt Matthew Palmer vom britischen Met Office. „Diese lokalen Unterschiede müssen viel detaillierter verstanden werden, um politische Entscheidungen zu stützen.“
Für die betroffenen Küsten bedeutet das: Anpassungsstrategien müssen langfristiger geplant werden – über Generationen hinweg. Deiche, Rückzugszonen, Umsiedlungen – all das sind Entscheidungen, die künftig von heute eingeleiteten Emissionspfaden abhängen.
Klimapolitik mit Langzeitwirkung
Die Studie legt nahe, dass die nächsten 25 Jahre entscheidend sein werden. Je später die Emissionen sinken, desto mehr ist unumkehrbar. Aimée Slangen vom niederländischen Royal Netherlands Institute of Sea Research betont: „Diese Entscheidungen bestimmen, wann Anpassungsgrenzen erreicht werden und wie viele Optionen Küstengemeinden noch haben.“
Damit verknüpft die Forschung den Klimaschutz mit Generationengerechtigkeit: Die Emissionen der Gegenwart schreiben das Drehbuch für die Überlebensfähigkeit künftiger Gesellschaften.
Ein Vermächtnis in Metern
Am Ende bleibt ein nüchterner, aber hoffnungsvoller Befund. „Der Unterschied zwischen entschlossenem Handeln heute und einem Weiter-so wird nicht nur in Gradzahlen gemessen, sondern in Metern Meeresspiegelanstieg“, resümiert Nauels. „Noch können wir beeinflussen, welches Erbe wir den kommenden Generationen hinterlassen.“
Was bleibt, ist die Erkenntnis: Die Ozeane vergessen nichts. Doch wer jetzt handelt, kann zumindest das Tempo ihrer Erinnerung drosseln.
Originalpublikation:
Nauels, A. et al,m (2025).
Multi-century global and regional sea-level rise commitments from cumulative greenhouse gas emissions in the coming decades.
in: Nature Climate Change
DOI: 10.1038/s41558-025-02452-5
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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