Kornkammern im Hitzestress

Kornkammern im Hitzestress

Vor allem der Maisanbau wird in Zukunft unter der Doppelbelastung von Hitze und Trockenheit leiden.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Extreme Hitze ist schlimm. Trockenheit auch. Doch wenn beides gleichzeitig zuschlägt, geraten ganze Regionen aus dem Takt – ökologisch, wirtschaftlich und sozial. Genau dieses Szenario könnte in Zukunft deutlich häufiger auftreten. Das zeigt eine neue Studie des Centrums für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg, veröffentlicht in Environmental Research Letters. Die Forschenden um Klimaphysikerin Dr. Victoria Dietz analysierten zahlreiche Klimasimulationen – und kommen zu einem beunruhigenden Ergebnis: Die gleichzeitige Häufung von Hitze und Trockenheit nimmt mit jedem Zehntel Grad Erwärmung zu – insbesondere in jenen Regionen, die die Welt mit Mais versorgen.

Ostasien und Mitteleuropa besonders betroffen

Schon eine Erwärmung um zwei Grad Celsius verdoppelt oder verdreifacht die Wahrscheinlichkeit für sogenannte Koinzidenzen – das gleichzeitige Auftreten extremer Hitze und Dürre – in wichtigen Anbauregionen. Besonders dramatisch fällt die Entwicklung in Ostasien aus: Dort verdreifacht sich das Risiko im Vergleich zu einer Welt mit nur 1,5 Grad Erwärmung. Auch Südasien und Mitteleuropa sehen sich einer Verdoppelung gegenüber.

In Mitteleuropa, Ostasien und im zentralen Nordamerika werden Trockenheitsperioden mit hohen Temperaturen künftig häufiger gleichzeitig auftreten“, sagt Victoria Dietz, Hauptautorin der Studie. Der Blick auf die Daten offenbart, wie schnell sich das Klima ändert – und mit ihm die Produktionsbedingungen für Grundnahrungsmittel.

Vier Kornkammern, ein Extremjahr

Die Folgen sind weitreichend. Denn anders als früher treten diese Extremereignisse nicht nur isoliert auf. Laut Studie könnten bei einer Erwärmung um zwei Grad Celsius alle 14 Jahre vier oder mehr zentrale Maisanbaugebiete gleichzeitig unter Hitzestress und Wassermangel leiden – etwa in Nordamerika, Ostasien, Südasien und Mitteleuropa. In der Vergangenheit galt eine solche Koinzidenz als Ausnahmefall. Heute ist sie eine statistisch realistische Zukunft. „Unsere Modelle zeigen: Bei einer Erderwärmung von zwei Grad Celsius könnten alle 14 Jahre vier oder mehr der wichtigsten Anbaugebiete für Mais gleichzeitig von Hitze und Trockenheit betroffen sein – mit potenziell verheerenden Folgen für Menschen und Natur“, so Dietz.

Lieferketten und Märkte unter Druck

Solche gleichzeitigen Ausfälle haben das Potenzial, globale Märkte ins Wanken zu bringen. Während einzelne schlechte Ernten bisher oft durch internationalen Handel kompensiert werden konnten, steht dieses Sicherheitsnetz bei parallelen Krisen auf dem Spiel.

Bestenfalls kann internationaler Handel die lokalen Ernteausfälle etwas abfedern. Doch der Klimawandel schwächt auch die Pufferwirkung der Märkte. Denn wenn in vielen oder sogar allen Kornkammern gleichzeitig Extreme stattfinden, steht weltweit deutlich weniger Mais zur Verfügung“, warnt Mitautor Dr. Leonard Borchert.

Für viele Länder des globalen Südens, die stark von Nahrungsmittelimporten abhängen, ist das eine bedrohliche Entwicklung. Preissteigerungen, Hungerkrisen und politische Instabilität sind reale Szenarien, wenn klimatische Extremausreißer zur neuen Normalität werden.

Anpassung allein reicht nicht

Was tun? Die Autorinnen und Autoren der Studie fordern zweierlei: erstens eine drastische Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad. Und zweitens eine umfassende Anpassungsstrategie für die Landwirtschaft. Dazu gehören widerstandsfähigere Pflanzensorten ebenso wie kluge Bewässerungskonzepte und verbesserte Frühwarnsysteme.

Unsere Arbeit zeigt, wie dringend geboten es ist, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten, um das Risiko extremer Ernteausfälle zu begrenzen. Gleichzeitig sind lokale Anpassung und widerstandsfähigere Pflanzensorten notwendig, um sich bestmöglich auf Hitze und Trockenheit vorzubereiten“, sagt Borchert.

Doch Zeit ist ein knappes Gut. Denn die Klimamodelle zeigen: Die nächsten zwei Jahrzehnte werden entscheidend sein – für die Kornkammern der Welt, für globale Ernährungssicherheit und für die Stabilität ganzer Gesellschaften.


Studien-Fakten im Überblick

  • Studie: The Future of Hot and Dry Events in the Breadbasket Regions of Maize
  • Methodik: Klimasimulationen in mehreren globalen Erwärmungsszenarien
  • Zentrale Erkenntnis: Gleichzeitige Hitze- und Dürreepisoden nehmen stark zu
  • Regionen mit hohem Risiko: Ostasien, Mitteleuropa, Südasien, Nordamerika
  • Kritischer Schwellenwert: Zwei Grad Erwärmung führt zu systemischen Ausfällen
  • Folgen: Bedrohung für Ernten, Preise, Handel, Ernährungssicherheit
  • Empfehlungen: Klimaschutz verstärken, resiliente Sorten entwickeln, Handel flexibilisieren

Originalstudie:

Dietz V, Baehr J, Suarez-Gutierrez L, Sillmann J, Borchert L (2025): The Future of Hot and Dry Events in the Breadbasket Regions of Maize; Environmental Research Letters;
https://iopscience.iop.org/article/10.1088/1748-9326/adda63

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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