Nicht nur Mondlicht, sondern auch die Gravitationswirkung des Mondes scheint unsere biologischen Rhythmen zu beeinflussen, vom Menstruationszyklus bis zu Schlafverhalten und seelischem Zustand. Doch gerade LED-Licht bringt die innere Monduhr nun offenbar seit dem Smartphone-Zeitalter aus dem Takt.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Seit Jahrtausenden richtet sich das Leben auf der Erde nach dem Rhythmus des Mondes. Ebbe und Flut sind sichtbare Folgen seiner Anziehungskraft. Doch beeinflusst er auch uns Menschen – subtil, verborgen im Innern? Eine neue Studie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg legt nahe: Ja, der Mensch trägt eine innere Monduhr in sich, die insbesonder den Menstruationszyklus steuert. Aber diese Uhr gerät zunehmend aus dem Takt – nicht wegen kosmischer Veränderungen, sondern durch die Strahlkraft von LEDs, Smartphones und Computer-Bildschirmen.
Eine innere Uhr im Mondrhythmus
Die Würzburger Chronobiologin Charlotte Förster untersuchte mit ihrem Team historische Menstruationsaufzeichnungen von Frauen aus den vergangenen 200 Jahren. Das Ergebnis: „Wir zeigen, dass die Synchronisation mit dem Mond seit der Einführung von LEDs und der zunehmenden Nutzung von Smartphones und Bildschirmen jeder Art deutlich nachgelassen hat“, erklärt Förster. Vor 2010 waren die Zyklen signifikant mit Voll- und Neumond synchronisiert. Heute zeigt sich diese Übereinstimmung nur noch im Januar, wenn die gravitativen Kräfte von Sonne und Mond besonders stark wirken.
Vom Meer bis zum Menschen
Dass Organismen sich nach dem Mond richten, ist nicht ungewöhnlich. Zahlreiche Meeresbewohner steuern ihre Fortpflanzung nach Mondphasen – ein evolutionärer Vorteil, der Überleben sichert. Beim Menschen zeigt sich ein ähnliches Muster: Der Menstruationszyklus dauert im Schnitt 29,5 Tage, also so lang wie ein Mondzyklus. Andere Forschungen haben schon angedeutet, dass Menstruationszyklen und Mondphasen temporär übereinstimmen können.
Förster betont: „Monduhren sind bei Meeresorganismen weit verbreitet, aber bisher nicht für den Menschen nachgewiesen.“ Die Würzburger Daten liefern nun Indizien dafür, dass der Mensch eine solche innere Uhr besitzt – wenn auch empfindlich gestört durch die künstliche Aufhellung der Nacht.
Schlaflos bei Vollmond
Die Hypothese passt zu Ergebnissen aus der Schlafforschung. Der Basler Chronobiologe Christian Cajochen und der US-Forscher Horacio de la Iglesia konnten zeigen, dass Menschen um Voll- und Neumond kürzer schlafen. „Interessanterweise gilt dies auch für Großstadtmenschen, bei denen die nächtliche Stadtbeleuchtung weit heller ist als das Vollmondlicht“, so Förster. Auch psychiatrische Studien stützen diese These: Der Psychiater Thomas Wehr fand heraus, dass Menschen mit bipolaren Störungen zu Voll- und Neumond häufiger zwischen manischen und depressiven Phasen wechseln.
Damit verdichten sich die Hinweise, dass der Mondrhythmus mehr ist als ein poetisches Bild. Er scheint Spuren im Körper zu hinterlassen – Spuren, die wir durch künstliches Licht überstrahlen.
Die Macht des blauen Lichts
Doch warum wirken LEDs stärker als Kerzen oder Glühbirnen? Förster liefert eine klare Erklärung: „LEDs haben eine wesentlich höhere Energie als Gaslaternen und Glühbirnen. Zusätzlich haben sie einen hohen Anteil an Blaulicht, gegenüber dem unsere Photorezeptoren im Auge besonders empfindlich sind.“ Genau diese Strahlkraft greift in das fein abgestimmte Zusammenspiel der inneren Rhythmen ein.
Das künstliche Licht verkürzt die Periodenlänge, was wiederum die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Menstruations- und Mondzyklus übereinstimmen. Mit anderen Worten: Unsere innere Monduhr verliert ihren Taktgeber.
Zwischen Faszination und Vorsicht
Die Forschenden betonen jedoch, dass es sich um Grundlagenforschung handelt. Förster warnt: „Unsere Befunde zeigen eine Korrelation zwischen diesen beiden Phänomenen auf. Einen kausalen Zusammenhang konnten wir nicht herstellen.“ Dennoch sehen sie mögliche Anwendungen. Denn die Länge des Menstruationszyklus könnte ein Marker für Fruchtbarkeit und Alterungsprozesse sein. Damit könnten die Ergebnisse auch medizinisch relevant werden – etwa für die Familienplanung oder für die hormonelle Forschung.
Kurzinfo: Mondrhythmus und künstliches Licht
- Neue Studie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg
- Daten aus zwei Jahrhunderten Menstruationsaufzeichnungen analysiert
- Vor 2010: deutliche Synchronisation von Menstruations- und Mondzyklen
- Nach 2010: kaum noch messbar, am stärksten im Januar
- Hypothese: Mensch besitzt innere Monduhr, beeinflusst von Licht und Gravitation
- Andere Studien: Voll- und Neumond beeinflussen Schlafdauer
- Psychiatrie: Bipolare Störungen häufiger bei Voll- und Neumond
- Hypothese: LEDs und Smartphones stören Synchronisation durch hohen Blaulichtanteil
- Durch LED-Licht verkürzte Zyklen stören Kopplung an den Mondrhythmus zusätzlich
- Relevanz für Fruchtbarkeit, Empfängnisverhütung und Altersforschung
Originalpublikation:
Charlotte Helfrich-Förster et al.,
Synchronization of women’s menstruation with the Moon has decreased but remains detectable when gravitational pull is strong.
In: Science Advances
DOI: 10.1126/sciadv.adw4096
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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