Links:Simulation des Blickfelds eines Patienten mit Makula-Degeneration. Recht: Simulation des Blickfelds mit PRIMA Augenprothese.
(Bild: Palanker Lab/Stanford Medicine)
Zu diesem Beitrag gibt es auch einen Podcast.
Kurzinfo: Bionisches Auge gibt Sehbehinderten ihr Sehvermögen teilweise zurück
- Neues Sehimplantat PRIMA ermöglicht erstmals funktionales Sehen bei Makuladegeneration
- Mini-Chip im Auge plus Hightech-Brille ersetzt zerstörte Photorezeptoren
- 27 von 32 Patientinnen und Patienten konnten nach einem Jahr wieder lesen
- Stromversorgung rein durch Licht (photovoltaisch, kabellos)
- Nebenwirkungen überwiegend leicht und vorübergehend
- Nächste Generation mit zehnfacher Auflösung in Entwicklung
- Ziel:Grauschattierungen und Gesichtserkennung ermöglichen
Als Daniel Palanker vor zwanzig Jahren mit Lasern arbeitete, kam ihm ein Gedanke: Wenn das Auge transparent ist, warum sollte man Informationen nicht einfach mit Licht übertragen? Heute sieht er, wie diese Idee bei der Behandlung von Patienten mit Makula-Degeneration Wirklichkeit wird – eine Kamera überträgt Bilddaten per Infrarot direkt ins Auge, wo sie von einem implantierten Chip in der Netzhaut aufgefangen werden.
Ein Chip, der wieder Licht ins Dunkel bringt
Das neue Sehimplantat PRIMA, entwickelt an der Stanford University, ist damit die erste Augenprothese, die Patientinnen und Patienten mit Makuladegeneration funktionales Sehen ermöglicht. Statt nur auf Helligkeitsreize zu reagieren, erkennen die Betroffenen wieder Formen, Buchstaben und Kontraste. „Alle bisherigen Versuche erzeugten nur Lichtempfindung, aber keine echte Formwahrnehmung. Wir sind die Ersten, denen das gelingt“, sagt Palanker, Professor für Ophthalmologie und leitender Studienautor.
Miniaturtechnik im Auge
Das System besteht aus einem winzigen, drahtlosen Chip – kaum größer als ein Sandkorn – und einer Brille mit integrierter Kamera. Diese projiziert Bilder in Echtzeit über Infrarotlicht auf die Netzhaut, wo der Chip sie in elektrische Impulse übersetzt. Diese übernehmen die Funktion zerstörter Photorezeptoren. „Die Projektion erfolgt unsichtbar im Infrarotbereich, damit noch vorhandene Zellen nicht gestört werden“, erklärt Palanker. Das Besondere: Der Chip arbeitet kabellos und wird allein durch Licht aktiviert – er braucht keine Batterie, keine Leitungen, keine Operation am Sehnerv.
Zurück zur Schrift
In der klinischen Studie mit 38 Personen über 60 Jahre, die an sogenannter geografischer Atrophie litten, konnten 27 von 32 Teilnehmenden ein Jahr nach der Implantation wieder lesen – Bücher, Speisekarten, sogar U-Bahn-Schilder. Die Brille erlaubt es, Kontraste zu verstärken, Helligkeit zu regulieren und bis zu zwölffach zu zoomen. „Bis zur vollen Leistungsfähigkeit braucht es einige Monate Training – ähnlich wie bei einem Cochlea-Implantat fürs Hören“, sagt Palanker. Das Ergebnis: Im Durchschnitt verbesserte sich die Sehschärfe um fünf Zeilen auf der Standard-Sehtafel, in einem Fall sogar um zwölf.
Ein neues Zusammenspiel aus natürlichem und künstlichem Sehen
Bemerkenswert ist, dass die Patientinnen und Patienten ihr natürliches peripheres Sehen behalten. Das Implantat fügt sich harmonisch ein – künstliche und natürliche Wahrnehmung verschmelzen. „Dass die Menschen gleichzeitig ihr peripheres und ihr prothetisches Sehen nutzen können, ist entscheidend. Sie orientieren sich dadurch besser im Raum“, sagt Palanker. Der Weg führt von punktuellen Lichtreizen zu einem echten räumlichen Bildverständnis – ein technologischer und medizinischer Meilenstein.
Zukunft in Graustufen
Noch sehen die Patientinnen und Patienten nur Schwarz oder Weiß. Doch Palankers Team arbeitet bereits an Software, die Graustufen hinzufügen soll – ein wichtiger Schritt, etwa für Gesichtserkennung. „Das steht ganz oben auf der Wunschliste unserer Patienten“, betont Palanker. In der nächsten Chip-Generation soll zudem die Auflösung steigen: statt 378 Pixeln auf 100 Mikrometern bis zu 10.000 Pixel mit nur 20 Mikrometern Breite. Das könnte eine Sehschärfe von 20/80 ermöglichen – mit elektronischem Zoom sogar nahezu 20/20. „Das Gerät, das wir 2005 nur erdacht haben, funktioniert heute erstaunlich gut“, sagt Palanker.
Originalpublikation:
Vision Restoration with the PRIMA System in Geographic Atrophy due to AMD
In: New England Journal of Medicine (20-Oct-2025 ) DOI 10.1056/NEJMoa2501396// http://dx.doi.org/10.1056/NEJMoa2501396
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
Letzte Beiträge
Medizin20. Oktober 2025Lesen trotz Makula-Degeneration: Augenimplantat stellt Sehvermögen teilweise wieder her
Künstliche Intelligenz17. Oktober 2025Hör auf’s Herz: Wie KI lernt, menschliche Gefühle zu verstehen
Biotech16. Oktober 2025Blut-Hirn-Schranke als Ansatzpunkt: Nanopartikel heilen Alzheimer-Symptome bei Mäusen
Chipindustrie16. Oktober 2025Besser für die Augen: neuartige Dünnschicht-LED strahlt im Spektrum der Sonne
Schreibe einen Kommentar