Je diverser, desto erfolgreicher. Trotzdem haben viele US-Unternehmen ihre Diversitäts-Politik zurückgefahren, um Repressalien des autoritären Präsidalregimes zu entgehen – das dürfte aber ihren wirtschaftlichen Interessen mittelfristig schaden.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Wo Vielfalt gelebt wird, sprudeln Ideen. So ließe sich das zentrale Ergebnis einer aktuellen Studie aus Finnland zusammenfassen, die sich mit der Innovationskraft von Unternehmen und ihrer Haltung gegenüber LGBTQ-Personen befasst. Die Forschenden der Aalto University und der University of Vaasa haben herausgefunden: Firmen mit einer inklusiven Unternehmenskultur bringen nicht nur mehr, sondern auch qualitativ hochwertigere Innovationen hervor.
Erstmals wurde dabei explizit die Verbindung zwischen sexueller und geschlechtlicher Inklusion am Arbeitsplatz und unternehmerischer Innovationsleistung untersucht. Frühere Studien hatten bereits einen Zusammenhang zwischen Diversität und wirtschaftlichem Erfolg aufgezeigt – doch das Team um Jukka Sihvonen geht einen Schritt weiter.
Vielfalt, messbar in Patenten
Die Wissenschaftler:innen stützten sich auf Daten des Corporate Equality Index (CEI), der US-amerikanische Firmen nach ihren LGBTQ-Politiken bewertet. Kombiniert wurden diese Angaben mit Patentdaten des US Patent and Trademark Office: Anzahl, Zitierhäufigkeit und inhaltliche Qualität der Patente standen dabei im Fokus.
Das Ergebnis: Ein Anstieg des CEI-Werts um eine Standardabweichung führte im Schnitt zu 20 Prozent mehr Patenten – und 25 Prozent mehr Zitierungen durch andere Firmen. Damit ist belegt: LGBTQ-freundliche Unternehmen gelten nicht nur als innovativ – sie sind es auch.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen mit progressiven LGBTQ-Richtlinien mehr Patente produzieren, häufiger zitiert werden und qualitativ hochwertigere Innovationen liefern“, sagt Jukka Sihvonen von der Aalto University.
Innovation kennt keine Parteigrenzen
Die Analyse erstreckte sich über einen Zeitraum von 15 Jahren – von 2003 bis 2017 – und wurde mit aktuellen Daten bis 2024 ergänzt. Auch in konservativen Bundesstaaten der USA zeigt sich der Effekt: Die Innovationsvorteile LGBTQ-freundlicher Firmen sind kein exklusives Merkmal liberaler Regionen.
„Das ist kein rein politisches Thema“, erklärt Sami Vähämaa, der die Studie mitverantwortet hat. „Die Ergebnisse bleiben weitgehend stabil – egal ob wir die konservativsten oder die progressivsten Bundesstaaten aus der Analyse herausnehmen.“
Auch Sihvonen betont im Hinblick auf von den Demokraten regierte Staaten: „Das ist kein Blue-State-Phänomen.“ Die Offenheit gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt erweist sich also als ökonomischer Erfolgsfaktor – unabhängig vom politischen Umfeld.
DEI als strategischer Wirtschaftsfaktor
In Zeiten, in denen Diversity-, Equity- und Inclusion-Initiativen (DEI) in den USA zunehmend umstritten sind, liefert die Studie harte Zahlen für eine sachliche Debatte. Während Gegner solcher Programme sie oft als Symbolpolitik abtun, zeigt sich hier: Inklusion kann Innovationsmotor sein – mit direkten Effekten auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit.
„Innovation ist der Treibstoff für Wachstum und Profitabilität“, so Sihvonen. „Der messbare Einfluss von LGBTQ-Freundlichkeit ist groß – und damit auch seine wirtschaftliche Bedeutung.“
Die Studie empfiehlt Unternehmen daher, Inklusion nicht nur als moralisches Gebot, sondern als strategische Ressource zu betrachten – gerade in Branchen, die vom Erfindungsreichtum ihrer Mitarbeitenden leben.
Mehr als nur ein Imagefaktor
Besonders bemerkenswert: Die Forschenden konnten belegen, dass sich die Qualität der Patente bei LGBTQ-freundlichen Unternehmen signifikant unterscheidet. Die Ideen sind origineller, anwendungsbreiter und international relevanter – ein Hinweis darauf, dass vielfältige Teams nicht nur mehr, sondern auch bessere Lösungen entwickeln. Damit widerspricht die Studie der These, dass Diversitätsstrategien primär Marketinginstrumente seien. Vielmehr zeigt sie, dass gelebte Inklusion strukturelle Vorteile schafft: offenere Diskussionskulturen, höhere psychologische Sicherheit – und eine größere Bandbreite an Perspektiven, aus denen Neues entstehen kann.
Am Anfang steht die Haltung
Was wie ein Randaspekt der Personalpolitik erscheint, wirkt also tief hinein in das Innovationsherz eines Unternehmens. Denn wo Menschen ihre Identität nicht verstecken müssen, arbeiten sie kreativer, kooperativer und produktiver.
Die ökonomische Pointe lautet deshalb: Wer Diversität ermöglicht, profitiert nicht nur gesellschaftlich – sondern auch betriebswirtschaftlich. Innovation beginnt nicht mit der zündenden Idee, sondern mit einer Unternehmenskultur, in der diese Idee überhaupt ausgesprochen werden darf.
LGBTQ-Freundlichkeit & Innovation auf einen Blick:
- Studie: „LGBTQ-friendly employee policies and corporate innovation“
- Zeitraum: Daten von 2003–2024
- Datengrundlage: CEI-Werte + US-Patentdaten (Anzahl, Qualität, Zitierungen)
- Kernaussagen:
- +20 % Patente pro Standardabweichung im CEI
- +25 % Zitierungen
- Höhere Patentqualität (Originalität, Allgemeingültigkeit, Internationalität)
- Erkenntnis: Inklusion fördert Innovation unabhängig vom politischen Umfeld
- Forschende: Aalto University, University of Vaasa
Originalpublikation:
Jukka Sihvonen,
„LGBTQ-friendly employee policies and corporate innovation“,
in: International Review of Financial Analysis (16-Jun-2025)
DOI: 10.1016/j.irfa.2025.104414
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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