Recycling von Plastik mitten im Wasser – das könnte ein Ansatz sein, um die großen Müllstrudel in den Ozeanen zu verhindern: denn die neue Methode aus Korea könnte schon in Flüssen zum Einsatz kommen, bevor das Plastik ins Meer gespült wird.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
In der Sonne glänzt ein unscheinbares Quadrat auf der Wasseroberfläche. Es sieht aus wie eine Rettungsinsel aus dem Labor – doch was hier treibt, könnte ein Teil der Lösung für zwei der drängendsten Probleme unserer Zeit sein: die wachsende Plastikflut und die Suche nach sauberem Wasserstoff als Energieträger. Entwickelt wurde das System von einem Team des koreanischen Institute for Basic Science (IBS). Der Clou: Mithilfe von Sonnenlicht, Wasser und einem schwimmenden Katalysator wandeln sie PET-Flaschen in reinen Wasserstoff um – emissionsfrei und stabil.
Vom Müll zur Molekülkraft
Im Zentrum der Innovation steht ein sogenannter Photokatalysator – ein Material, das unter Lichteinfluss chemische Reaktionen antreibt. Diese Technik ist nicht neu, doch bisher scheiterten viele Ansätze an der rauen Realität: Sonnenlicht, Hitze und chemische Reaktionen setzten den empfindlichen Materialien schnell zu. Die Forschenden aus Seoul haben nun eine Lösung gefunden: Der Katalysator wird in ein Hydrogel eingebettet, das ihn nicht nur stabilisiert, sondern auch an der Wasseroberfläche schweben lässt.
„Der Schlüssel war, eine Struktur zu entwickeln, die nicht nur im Labor, sondern auch draußen funktioniert“, erklärt Dr. Lee Wanghee, Co-Erstautor der Studie und inzwischen am MIT tätig.
„Jedes Detail – vom Materialdesign bis zur Grenzfläche zwischen Luft und Wasser – musste für die Praxis optimiert werden.“
Zwei Probleme, eine Lösung
Das System funktioniert überraschend effizient: Es zersetzt PET-Kunststoffe – also die Grundsubstanz vieler Flaschen – in Nebenprodukte wie Terephthalsäure und Ethylenglykol. Gleichzeitig entsteht sauberer Wasserstoff, der direkt in die Luft entweicht. Im Gegensatz zu konventionellen Verfahren wie der Dampfreformierung von Methan, bei der große Mengen CO₂ entstehen, ist das neue Verfahren CO₂-frei – und nutzt mit Sonnenlicht eine erneuerbare Energiequelle.
„Diese Forschung eröffnet einen neuen Weg, bei dem Plastikmüll zur Energiequelle wird“, sagt Professor Kim Dae-Hyeong, einer der Studienleiter. „Es ist ein bedeutsamer Schritt, der Umweltverschmutzung und Energiebedarf gemeinsam adressiert.“
Schwimmend stabil – auch im Meer
Ein weiterer Vorteil: Das System ist robust. Es arbeitet selbst in stark alkalischen Bedingungen, in Meerwasser, Flüssen oder sogar Leitungswasser. In Freilufttests mit einer ein Quadratmeter großen Vorrichtung wurde Wasserstoff aus gelöstem Plastik erzeugt – ganz ohne Laborbedingungen.
Die Forschenden konnten zudem nachweisen, dass ihr System über zwei Monate lang stabil blieb. Besonders wichtig: Durch die Platzierung an der Grenzfläche von Luft und Wasser werden Rückreaktionen vermieden, bei denen der erzeugte Wasserstoff sonst wieder verloren gehen könnte.
Von der Laborinsel zur Industriefläche
Die Anwendung im großen Maßstab ist mehr als ein Gedankenexperiment. In Simulationen und Feldversuchen zeigten die Forschenden, dass das System auf Flächen von zehn oder hundert Quadratmetern skalierbar ist. Damit ließe sich künftig an geeigneten Orten – etwa auf Klärbecken, Stauseen oder Fabrikdächern mit Wasserreservoirs – grüner Wasserstoff gewinnen, ohne zusätzlichen Platzverbrauch.
„Diese Arbeit ist ein seltenes Beispiel für ein Photokatalyse-System, das nicht nur im Labor, sondern unter realen Bedingungen zuverlässig funktioniert“, betont Professor Hyeon Taeghwan, Mitautor der Studie.
„Es könnte ein Schlüsselbaustein für eine wasserstoffgetriebene, klimaneutrale Gesellschaft werden.“
Auf dem Weg zur Kreislaufenergie
Die Vision: Ein Kreislauf, in dem Abfall nicht mehr als Problem, sondern als Rohstoff betrachtet wird – angetrieben von der Sonne. Was heute die Umwelt belastet, könnte morgen Tankstellen und Heizsysteme versorgen. Noch ist der Weg zur Massenproduktion weit, doch der Beweis ist erbracht: Es funktioniert, und im Freien, unter realen Bedingungen.
Kurzinfo: Sonnenenergie trifft Kunststoff
- Technologie: Photokatalyse mit Sonnenlicht zur Erzeugung von Wasserstoff
- Innovation: Katalysator wird in Hydrogel eingebettet, schwimmt auf Wasseroberfläche
- Vorteile:
- Kein CO₂-Ausstoß
- Keine fossilen Brennstoffe nötig
- Funktioniert auch in Meer- und Leitungswasser
- Abbauprodukte: Ethylenglykol, Terephthalsäure – chemisch verwertbar
- Stabilität: Über zwei Monate nachgewiesen, auch unter harschen Bedingungen
- Skalierbarkeit: Simulationen für Flächen bis 100 m² → industrietauglich
- Anwendungsorte: Seen, Wasserbecken, Kläranlagen, Fabrikumfelder
- Perspektive: Kombination aus Müllentsorgung und grüner Wasserstoffgewinnung
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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