Rechenarbeit läuft am Ende immer darauf hinaus, dass sich Elektronen durch eine Leitung bewegen – und dabei Wärme entsteht. Je mehr Bits und Bytes, desto mehr Wärme. Passive Kühlung durch Verdunstung könnte einen Ausweg bieten.
(Bild: Tianshi Feng/UCSD)
Mit jeder neuen Anwendung für Künstliche Intelligenz wächst der Stromhunger der digitalen Welt – vor allem in Rechenzentren. Dort fressen nicht nur Server Energie, sondern auch ihre Kühlung. Forscher der University of California San Diego setzen genau hier an: Mit einer neu entwickelten Fasermembran, die Wärme ganz ohne Lüfter oder Pumpen ableitet. Sie könnte helfen, die wachsenden Energiebedarfe der Dateninfrastruktur spürbar zu senken.
Verdunstung statt Ventilator
Bis zu 40 Prozent des Stromverbrauchs in modernen Rechenzentren entfallen heute auf die Kühlung – ein Wert, der in Zeiten wachsender KI-Modelle und Cloud-Dienste weiter steigen dürfte. Die neue Lösung der Ingenieure aus Kalifornien basiert auf einem physikalischen Prinzip, das man aus der Natur kennt: Verdunstung. Statt auf komplexe Mechanik setzt das System auf eine passive Kühltechnik, die ihre Wirkung allein aus der Struktur eines neu entwickelten Fasermaterials bezieht.
„Verglichen mit herkömmlicher Luft- oder Flüssigkeitskühlung kann Verdunstung eine höhere Wärmemenge abführen – bei geringerem Energieeinsatz“, sagt Renkun Chen, Professor für Maschinenbau und Mitautor der Studie.
Eine Membran mit Köpfchen
Das Kernstück der Technik ist eine dünne Faserfolie mit einem Netzwerk aus winzigen, miteinander verbundenen Poren. Durch sogenannte Kapillarwirkung wird eine Kühlflüssigkeit an die Oberfläche der Membran gezogen. Dort verdunstet sie – und zieht dabei die Hitze aus dem darunterliegenden Chip.
Entscheidend ist dabei die richtige Porengröße: Zu klein, und das Material verstopft. Zu groß, und es droht unerwünschtes Sieden. Die UC-San-Diego-Membran findet die Balance: „Wir nutzen eine poröse Fasermembran mit optimaler Porengröße – so erreichen wir eine effiziente Verdunstung ohne Nebenwirkungen“, so Chen.
Vom Filter zur Zukunftstechnik
Ursprünglich wurde das Material für die Filtration entwickelt – etwa in der Wasseraufbereitung. Nun zeigen die Forscher, dass es auch unter extremer Hitze stabil bleibt. In Tests widerstand die Membran einem Wärmestrom von über 800 Watt pro Quadratzentimeter – ein Wert, der selbst für Hochleistungsserver enorm ist. „Niemand hatte diese Materialien bislang für Verdunstungskühlung in Betracht gezogen“, sagt Chen. „Dass sie nicht nur standhalten, sondern unter Hitze sogar besonders gut funktionieren, hat uns überrascht.“
Noch sei die Technik nicht ausgereizt, sagt das Team. Das aktuelle System arbeite weit unterhalb des theoretischen Maximums. Ziel ist nun, die Performance weiter zu optimieren – unter anderem durch den Einbau in sogenannte Cold Plates, also Kühlkörper, die direkt auf Chips montiert werden.
Geringer Wasserverbrauch – große Wirkung
Ein weiteres Argument für die neue Technik: Sie kommt mit deutlich weniger Wasser aus als viele bestehende Kühlsysteme, die auf Verdunstung basieren. Gerade im Hinblick auf die Nachhaltigkeit großer Rechenzentren – etwa in Regionen mit Wasserknappheit – könnte das ein entscheidender Vorteil sein.
Zudem könnte die passive Membran-Kühlung künftig auch außerhalb klassischer Serverräume eingesetzt werden: bei leistungsstarker KI-Hardware, in tragbarer Elektronik oder sogar bei zukünftiger Quantencomputing-Technologie.
Von der Idee zur Ausgründung
Parallel zur Weiterentwicklung hat das Forschungsteam bereits die Gründung eines Start-ups angekündigt. Ziel: die Kommerzialisierung der Membran-Technologie. Der Markt ist riesig – allein 2024 wurde weltweit mehr als ein Drittel des Stromverbrauchs großer Internetunternehmen für Rechenzentren aufgewendet. Prognosen zufolge könnte sich der Bedarf bis 2030 verdoppeln. „Diese Arbeit zeigt, was möglich ist, wenn man bekannte Materialien neu denkt“, resümiert Chen.
Kurzinfo: Kühlmembran für Hochleistungsrechner
- Entwickelt an der UC San Diego (Jacobs School of Engineering)
- Kühlung durch passive Verdunstung über Faserstruktur
- Verzichtet auf zusätzliche Energie, Lüfter oder Pumpen
- Rekordleistung: >800 Watt pro Quadratzentimeter Wärmeabfuhr
- Weniger Wasserverbrauch als herkömmliche Systeme
- Ursprung: ursprünglich als Filtermembran konzipiert
- Potenzial: Kühlung von CPUs, GPUs und KI-Hardware
- Nächste Schritte: Prototypenbau & Kommerzialisierung via Start-up
Originalstudie:
Feng, Tianshi et al.,
“High-Flux and Stable Thin Film Evaporation from Fiber Membranes with Interconnected Pores“,
in: Joule, 101975June 13, 2025
DOI: https://www.cell.com/joule/abstract/S2542-4351(25)00156-4
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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