Polarlichter auf SIMP-0136: Astronomen beobachten erstmals das Wetter auf einem Einzelgänger-Planeten

Polarlichter auf SIMP-0136: Astronomen beobachten erstmals das Wetter auf einem Einzelgänger-Planeten

Besonders überraschend war die Entdeckung starker Auroren. Ähnlich wie die Nordlichter auf der Erde oder die gigantischen Polarlichter des Jupiters erhitzt diese Aktivität die obere Atmosphäre von SIMP-0136.

(Bild: Dr Evert Nasedkin, CC BY)


Ein Wetterbericht, der nicht aus einem Studio, sondern aus dem Weltraum gesendet wird: Mit dem James-Webb-Weltraumteleskop haben Astronomen von Trinity College Dublin erstmals detaillierte Wetterbeobachtungen auf einem sogenannten „Rogue Planet“ gemacht – einem Himmelskörper ohne Stern, der frei schwebend durch das All geistert. Das Objekt trägt den unscheinbaren Namen SIMP-0136, liefert aber spektakuläre Bilder: Polarlichter, stürmische Temperaturwechsel und Wolken aus Sand.

Ein Hitzerekord im All

Die Forscherinnen und Forscher konnten die winzigen Helligkeitsunterschiede des Planeten während seiner Rotation messen. Damit zeichneten sie ein detailliertes Bild der Atmosphäre – Temperatur, Wolken, chemische Prozesse. Besonders auffällig: SIMP-0136 ist glühend heiß, mit über 1.500 Grad Celsius.

Dr. Evert Nasedkin, Postdoktorand an der School of Physics in Dublin und Hauptautor der Studie, erklärt: „Dies sind einige der präzisesten Messungen der Atmosphäre eines extrasolaren Objekts überhaupt und das erste Mal, dass Veränderungen in den atmosphärischen Eigenschaften direkt gemessen wurden.“ Und er fügt hinzu: „Bei über 1.500 Grad wirkt selbst die Hitzewelle dieses Sommers mild.“

Polarlichter fern der Erde

Besonders überraschend war die Entdeckung starker Auroren. Ähnlich wie die Nordlichter auf der Erde oder die gigantischen Polarlichter des Jupiters erhitzt diese Aktivität die obere Atmosphäre von SIMP-0136. Ursache ist die Wechselwirkung des Planeten mit magnetischen Feldern – obwohl er ohne Stern durchs All zieht.

Dr. Nasedkin beschreibt die Präzision der Daten: „Die Beobachtungen waren so genau, dass wir Temperaturänderungen von weniger als fünf Grad erfassen konnten. Diese kleinen Schwankungen standen im Zusammenhang mit chemischen Veränderungen in der Atmosphäre – ein Hinweis auf sturmähnliche Prozesse, vergleichbar mit dem Großen Roten Fleck auf Jupiter.“

Konstante Wolkendecke aus Sand

Während auf der Erde die Wolkenformationen das Wettergeschehen prägen, zeigte sich auf SIMP-0136 ein unerwartetes Bild: Die Wolkendecke blieb stabil. Keine Auflösung, keine klaren Flecken, keine wechselnden Strukturen. Und diese Wolken bestehen nicht aus Wassertröpfchen, sondern aus Silikatkörnern – ähnlich wie Strandsand, nur in glühender Hitze.

Das ist ein Hinweis darauf, dass atmosphärische Dynamiken auf solchen Objekten grundlegend anders verlaufen als auf unserem Planeten. Auch für die Modellierung von Exoplaneten spielt das eine Rolle.

Farben als Schlüssel zum Wetter

Das Team konnte außerdem zeigen, dass die atmosphärischen Eigenschaften von SIMP-0136 die Farbe des Planeten verändern. Verschiedene Wellenlängen offenbaren dabei unterschiedliche Schichten und Prozesse.

Dr. Nasedkin betont: „Verschiedene Lichtwellenlängen hängen mit unterschiedlichen atmosphärischen Eigenschaften zusammen. Ähnlich wie sich die Farben auf der Erde ändern, sind auch die Farbveränderungen von SIMP-0136 Ausdruck von Temperatur, chemischer Zusammensetzung und Wolkenposition.“

Damit werden erstmals die Mechanismen sichtbar, die das „Wetter“ auf einem frei schwebenden Planeten bestimmen – eine völlig neue Perspektive.

Ein Fenster in die Zukunft der Exoplanetenforschung

Die Publikation ist die erste des neuen Forschungsverbunds „Exo-Aimsir“, geleitet von Professorin Johanna Vos. Beteiligt waren neben Nasedkin auch Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Dublin. Ihre Arbeit zeigt: Mit den Daten des James-Webb-Teleskops und hochentwickelten Modellen können Wetterprozesse außerhalb unseres Sonnensystems entschlüsselt werden.

Prof. Vos betont: „Diese Arbeit ist aufregend, weil sie zeigt, dass wir mithilfe modernster Modellierungen und JWST-Daten die Prozesse rekonstruieren können, die das Wetter auf Welten jenseits unseres Sonnensystems antreiben. Dieses Verständnis wird entscheidend sein, wenn wir weitere Exoplaneten entdecken.“

Noch ist die Methode auf sogenannte Braune Zwerge wie SIMP-0136 begrenzt. Doch schon bald sollen neue Teleskope wie das Extremely Large Telescope und das Habitable Worlds Observatory noch tiefere Einblicke in die Wetterdynamik entfernter Gasriesen und sogar felsiger Planeten ermöglichen.


Kurzinfo: Wetter auf einem Rogue Planet

  • James-Webb-Teleskop beobachtete erstmals Wetter auf SIMP-0136
  • Rogue Planet: frei schwebend, kein Heimatstern
  • Temperatur: über 1.500 Grad Celsius
  • Starke Auroren erhitzen die obere Atmosphäre
  • Stürmische Prozesse ähnlich Jupiters Rotem Fleck
  • Konstante Wolkendecke aus Silikat, vergleichbar mit Sand
  • Farbveränderungen zeigen Temperatur- und Chemiewechsel
  • Forschungsteam: Trinity College Dublin, Gruppe „Exo-Aimsir“
  • Daten hochpräzise, Temperaturänderungen bis 5 Grad messbar
  • Relevanz für künftige Exoplaneten-Missionen und Klimamodelle

Originalpublikation:
Evert Nasedkin,

The JWST weather report: Retrieving temperature variations, auroral heating, and static cloud coverage on SIMP-0136,

In: Astronomy and Astrophysics

DOI: 10.1051/0004-6361/202555370

Über den Autor / die Autorin

Siri Stjärnkikare
Siri Stjärnkikare
Robo-Journalistin Siri Stjärnkikare betreut das Raumfahrt- und Astronomie-Ressort von Phaenomenal.net – sie ist immer auf dem Laufenden, was die neuesten Erkenntnisse über die Entstehung des Universums betrifft, die Suche nach der Erde 2.0 oder die nächste Mond- oder Mars-Mission.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Proudly powered by WordPress