Politische Spaltung sorgt für Paarprobleme

Politische Spaltung sorgt für Paarprobleme

Der Brexit als Trennungsgrund? In Großbritannien haben Paare offenbar besonders viel Grund sich zu streiten, etwa über das Pro und Kontra des EU-Austritts. Aber auch sonst scheint das Trennungsrisiko von Paaren mit auseinanderdriftenden politischen Ansichten auffällig hoch zu sein.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Zu diesem Beitrag gibt es einen Podcast.


In einer Beziehung streitet man über vieles – über Geld, über Kindererziehung, über den Abwasch. Aber über den Brexit? In Großbritannien ist das längst Realität. Dort hat die politische Spaltung nicht nur das Parlament, sondern auch so manches Ehebett entzweit. Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung und der Universität Padua legt nun offen, wie tief Politik in den Alltag von Paaren eingreift – und wie sie Beziehungen zum Scheitern bringen kann.

Parteipräferenzen und Trennungsrisiko

Die Forscher Bruno Arpino und Alessandro Di Nallo analysierten mit einem neuen Ansatz Daten aus über drei Jahrzehnten – aus der British Household Panel Study und der UK Household Longitudinal Study. Dabei konzentrierten sie sich auf Paare, deren politische Einstellungen regelmäßig erhoben wurden. Das Ergebnis ist deutlich: Partner, die dieselbe Partei bevorzugen, bleiben häufiger zusammen.

Unsere Studie füllt eine Forschungslücke – sie zeigt, dass politische Präferenzen durchaus eine entscheidende Rolle für die Stabilität einer Beziehung spielen können“, erklärt Alessandro Di Nallo vom Max-Planck-Institut.

Besonders ausgeprägt ist der Effekt bei parteipolitisch ungleichen Paaren: Während sich Partner mit gleicher Parteizugehörigkeit zu 0,77 Prozent pro Jahr trennen, liegt die Rate bei politischen „Mischbeziehungen“ bei 1,06 Prozent – ein um 38 Prozent höheres Risiko. Das mag zunächst gering klingen, ist aber auf lange Sicht ein klarer Unterschied, so Di Nallo.

Wenn der Brexit zum Beziehungstest wird

Noch stärker wirkt sich der Brexit aus. Die Abstimmung von 2016 hat das Land tief gespalten – und auch viele Paare. Wenn einer für den Verbleib in der EU war und der andere für den Austritt, stieg die jährliche Trennungswahrscheinlichkeit auf 1,8 Prozent – gegenüber 1,1 Prozent bei Einigkeit. Das entspricht einem Anstieg um über 60 Prozent.

Das Vereinigte Königreich ist aufgrund seines Datenreichtums der perfekte Testfall. Anhand von Parteipräferenzen und Brexit-Meinungen konnten wir das Trennungsrisiko detailliert analysieren“, so Di Nallo. Selbst Paare, die keine politische Meinung äußerten, waren instabiler – offenbar fehlt dann ebenfalls ein gemeinsames Wertefundament.

Was Paare zusammenhält – und was sie trennt

Die Studie zeigt: Politische Einstellungen sind für die Paarstabilität ebenso relevant wie Unterschiede in Religion oder Bildung. Interessanterweise ist es weniger entscheidend, welche Partei jemand wählt – entscheidend ist, dass beide Partner ähnlich denken. Konflikte entstehen vor allem dort, wo das politische Grundverständnis auseinanderdriftet.

Die Politik im Schlafzimmer

Was abstrakt klingt, hat ganz konkrete Folgen: Gemeinsame Wahlnächte, hitzige Diskussionen am Frühstückstisch oder das plötzliche Verstummen bei politischen Themen – all das kann eine Beziehung belasten. Politische Polarisierung wirkt längst nicht mehr nur auf Parteitagen, sondern auch auf Sofas, Küchenstühlen und Kopfkissen.

Wichtige politische Ereignisse haben erhebliche Auswirkungen auf den Familienzusammenhalt. Die Politik beeinflusst die Familien, und nicht nur umgekehrt“, sagt Di Nallo. Die Entscheidung für oder gegen Europa wurde für viele Paare zum Lackmustest – nicht nur für politische Überzeugungen, sondern für das gemeinsame Leben an sich.

Spaltung auf dem Kopfkissen

Die Forscher sehen in ihren Ergebnissen nicht nur eine Momentaufnahme der britischen Gesellschaft, sondern ein warnendes Beispiel für andere Länder. Denn ähnliche Dynamiken zeigen sich auch in den USA, Frankreich oder Deutschland. Wenn politische Polarisierung wächst, wächst auch das Risiko, dass sie bis in die intimsten Beziehungen vordringt. Doch dass nun in Zukunft alle von vornherein den Partner oder die Partnerin nach politischen Kriterien auswählen, ist auch keine gute Idee.

Wenn vor allem Menschen mit ähnlichen politischen Ansichten Beziehungen eingehen, kann dies gesellschaftliche Spaltungen verstärken“, erklärt Di Nallo. Die Gefahr bestehe darin, dass sich Gleichgesinnte zunehmend vom Rest der Gesellschaft abkapseln – im sozialen Umfeld ebenso wie im Privaten. Was gut für das Paar sein mag, ist nicht unbedingt gut für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.


Kurzinfo: Politik als Trennungsfaktor

  • Herausgeber: Universität Padua & Max-Planck-Institut für demografische Forschung
  • Datenbasis: 30 Jahre aus UK-Panelstudien
  • Zentrale Erkenntnisse:
    • Gleichgesinnte Paare: 0,77 Prozent jährliche Trennungsrate
    • Politisch ungleiche Paare: 1,06 Prozent Trennungsrate (+38 Prozent)
    • Brexit-Differenzen: Trennungsrate steigt auf 1,8 Prozent
  • Auffällig: Auch Paare ohne klare politische Position besonders trennungsanfällig
  • Schlussfolgerung: Gemeinsame politische Werte wirken stabilisierend
  • Veröffentlichung: Demography, 2025, DOI: 10.1215/00703370-11983537

Originalpublikation:

Bruno Arpino, Alessandro Di Nallo:

„Sleeping With the Enemy: Partners’ Heterogamy by Political Preferences and Union Dissolution. Evidence From the United Kingdom“,

in: Demography (2025)

DOI: 10.1215/00703370-11983537

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Proudly powered by WordPress