Harmonische Performance für acht Roboter-Arme: „RoboBallet verwandelt Industrieroboter in eine choreografierte Tanztruppe, in der jeder Arm mit Präzision, Zielstrebigkeit und Bewusstsein für seine Partner agiert.„
(Bild: Google DeepMind/UCL)
Auf den ersten Blick wirkt es wie ein unlösbares Puzzle: Acht Roboterarme, die gleichzeitig auf engem Raum arbeiten, ohne sich zu blockieren oder zu kollidieren. In der Realität bedeutete diese Koordination bislang endlose Stunden für spezialisierte Programmierer – mühselig, teuer und fehleranfällig. Doch nun zeigt ein internationales Team aus London, Zürich und Kalifornien, dass es auch anders geht: Mit einem neuen KI-System namens RoboBallet lernen Maschinen, sich wie Tänzer auf einer Bühne zu bewegen – präzise, elegant und gemeinsam.
Von der Handarbeit zum Algorithmus
Das Problem ist altbekannt: Industrielle Roboter können Schweißpunkte setzen, Teile verschrauben oder Kabel verlegen – aber nur, wenn vorher mühsam berechnet wurde, in welcher Reihenfolge und in welchem Winkel jeder Arm sich bewegt. Jeder Fehler kann Produktionslinien lahmlegen. RoboBallet, entwickelt von Forschenden der UCL, Google DeepMind und Intrinsic, ersetzt diese Handarbeit durch maschinelles Lernen.
Der Clou: Das System nutzt „Graph-Neuronale Netze“, die Hindernisse und andere Roboter als Punkte in einem Netzwerk darstellen. Verstärkendes Lernen sorgt dafür, dass der Algorithmus aus Versuch und Irrtum heraus immer bessere Lösungen findet. Nach nur wenigen Tagen Training war RoboBallet in der Lage, Bewegungspläne in Sekunden zu entwerfen – selbst für bislang unbekannte Anordnungen.
Eine Choreografie der Maschinen
Lead-Autor Matthew Lai beschreibt die Innovation mit einem poetischen Bild:
„RoboBallet verwandelt Industrieroboter in eine choreografierte Tanztruppe, in der jeder Arm mit Präzision, Zielstrebigkeit und Bewusstsein für seine Partner agiert. Es geht nicht nur darum, Kollisionen zu vermeiden, sondern Harmonie im großen Maßstab zu erreichen.“
Die Forscher testeten das System in Szenarien mit bis zu acht Robotern, die bis zu 40 Aufgaben parallel lösten – eine Dimension, an der frühere Verfahren scheiterten. RoboBallet erwies sich als hunderte Male schneller als die reale Ausführungszeit der Bewegungen.
Effizienz als Taktgeber
Der praktische Nutzen liegt auf der Hand: Produktionslinien könnten künftig flexibel reagieren, wenn ein Roboter ausfällt oder das Layout geändert werden muss. Statt monatelanger Planung gäbe es spontane Umstellungen. RoboBallet optimiert zudem die Platzierung von Robotern in der Fabrikhalle – mit messbaren Effizienzgewinnen.
Associate Professor Alex Li von der UCL betont:
„In heutigen Fabriken ist die Koordination mehrerer Roboterarme wie ein dreidimensionales Puzzle in Bewegung. Jede Handlung muss perfekt getimt und platziert sein. Derzeit brauchen Spezialisten dafür hunderte Stunden. RoboBallet kann solche Pläne sofort generieren.“
Der Name sei bewusst gewählt, fügt Li hinzu:
„So wie Balletttänzer sich im Einklang bewegen, können unsere Roboter nun mit übermenschlicher Präzision und Eleganz zusammenarbeiten.“
Grenzen und Möglichkeiten
Noch konzentriert sich die Methode auf das sogenannte „Reaching“ – Bewegungen, bei denen ein Arm eine Position erreicht, etwa beim Schweißen. Komplexere Tätigkeiten wie Greifen, Montieren oder Malen sollen folgen. Auch Abhängigkeiten zwischen Arbeitsschritten oder gemischte Robotertypen sind bislang nicht berücksichtigt.
Doch die Architektur ist flexibel: In Zukunft könnten heterogene Roboterteams in noch komplexeren Szenarien tanzen. Anwendungen reichen von der Automobilproduktion über Elektronikfertigung bis hin zum robotergestützten Hausbau.
Ein Tanz mit Zukunft
Gefördert von Google DeepMind und Intrinsic, wurde der Quellcode von RoboBallet bereits veröffentlicht. Forschende weltweit können nun darauf aufbauen. In einer Branche, in der Zeit gleich Geld bedeutet, ist das Potenzial enorm. Wenn Roboterarme künftig so selbstverständlich wie Tänzer im Ballettsaal interagieren, könnten Fabriken flüssiger, flexibler und intelligenter werden.
Kurzinfo: RoboBallet – Roboter im Takt der KI
- Entwickelt von UCL, Google DeepMind & Intrinsic
- Nutzt Graph-Neuronale Netze + Reinforcement Learning
- Koordiniert mehrere Roboterarme gleichzeitig
- Planung in Sekunden statt hunderten Stunden
- Tests: bis zu 40 Aufgaben mit acht Robotern
- Anwendungen: Automobilbau, Elektronik, Bauwesen
- Flexibel anpassbar bei Layoutänderungen oder Ausfällen
- Noch beschränkt auf „Reaching“-Aufgaben
- Open-Source-Code verfügbar für weitere Forschung
Originalpublikation:
Matthew Lai et al.,
RoboBallet: Planning for Multi-Robot Reaching with Reinforcement Learning and Graph Neural Networks’,
in: Science Robotics (3-Sep-2025)
DOI: 10.1126/scirobotics.ads1204
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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