Am Ende hängt alles vom Geld ab: Die „zweite Quanten-Revolution“ steht kurz bevor
(Foto: Redaktion/ChatGPT)
Es klingt nach Science-Fiction, doch für die Europäische Kommission ist es knallharte Industriepolitik: Mit dem geplanten „Quantum Act“ will sie die Grundlagen für eine neue technologische Ära legen – und Europa ganz nach vorn bringen im globalen Rennen um die Rechenmacht von morgen. Während die USA und China bereits Milliarden in die Quantenforschung pumpen, setzt Brüssel nun ebenfalls zum Sprung an. Nicht mit einem waghalsigen Sprint, sondern mit einem strategisch geplanten Langstreckenlauf. Die Hoffnung: Wer bei der Quanten-Revolution vorne liegt, kann vielleicht auch verlorenes Terrain bei klassischen Halbleitern wettmachen.
Vom Zufall zur Kontrolle
Um zu verstehen, warum dieser Vorstoß mehr ist als nur ein weiterer Tech-Plan aus dem Kommissions-Labyrinth, lohnt ein Blick zurück. Die erste Quantenrevolution begann im 20. Jahrhundert mit bahnbrechenden Entdeckungen der Quantenmechanik – und brachte uns Technologien wie den Laser oder den Transistor. Doch sie beruhte darauf, quantenphysikalische Effekte zu nutzen, ohne sie präzise zu kontrollieren.
Die zweite Quantenrevolution, die nun bevorsteht, geht tiefer: Sie zielt darauf, Quantenphänomene wie Superposition oder Verschränkung gezielt zu steuern – etwa in Form von Quantencomputern, ultrasensiblen Sensoren oder abhörsicherer Kommunikation. Das Versprechen: exponentielle Rechenleistung, neue Materialien, sichere Datenströme. Die Voraussetzung: gewaltige Investitionen in Forschung, Ausbildung und Infrastruktur.
Virkkunen als Taktgeberin
Die Frau, die diesen Wandel politisch flankieren soll, ist Henna Virkkunen, die neue EU-Kommissarin für Digitale und Grenztechnologien. Die finnische Konservative, bislang eher als Verkehrsexpertin bekannt, hat sich überraschend rasch in das komplexe Feld eingearbeitet. Virkkunen steht für einen pragmatischen, aber ehrgeizigen Kurs. Ihr Credo: „Europa darf nicht länger der Markt sein, auf dem andere spielen – wir müssen wieder Spielfeld und Spielmacher sein.“
Der „Quantum Act“, den sie vorantreibt, soll Quantenprojekte bündeln, rechtlich absichern und mit frischem Geld versehen – ähnlich wie es der „Chips Act“ für Halbleiter tut. Zugleich soll er anknüpfen an bereits existierende Initiativen, etwa die EuroHPC JU, die „Gemeinsame Unternehmung für europäisches Hochleistungsrechnen“. In diesem Rahmen wurden an verschiedenen Standorten bereits leistungsstarke Supercomputer in Betrieb genommen – ein wichtiger Baustein, denn Quantencomputer werden nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung klassischer Rechner konzipiert.
Vorsprung durch Verschränkung?
Besonders in Bereichen wie Materialwissenschaft, Medikamentenentwicklung, Logistikoptimierung oder KI verspricht sich die Kommission Fortschritte durch zukünftige Quantenanwendungen. Ein Beispiel: Die Berechnung neuer Moleküle, die bisher Jahre dauert, könnte durch Quantenalgorithmen in Tagen gelingen. Auch in der Kryptografie erhofft sich Europa mehr technologische Souveränität – gerade angesichts geopolitischer Spannungen.
Und schließlich steht über allem eine strategische Hoffnung: Während Europa im klassischen Chipmarkt hinter Asien und den USA zurückliegt – hier liegt der Marktanteil weltweit gerade mal noch bei zehn Prozent – könnte es in der neuen Quantenära den Takt vorgeben, wenn es jetzt investiert.
Nötig ist auch ein finanzieller Quantensprung
Noch ist das Rennen offen. Noch dominieren Grundlagenforschung und Prototypen. Aber das Fenster schließt sich.
Henna Virkkunen hat es selbst auf den Punkt gebracht: „Wir können nicht mehr warten, bis Innovationen zu uns kommen. Wir müssen sie gestalten – auf Basis unserer Werte, für unsere Wirtschaft, mit unseren Talenten.“ Ob das gelingt, entscheidet sich nicht allein im Brüsseler Plenarsaal – sondern in den Laboren, Rechenzentren und Start-ups Europas. Doch es ist eben auch eine Frage des Geldes: wird Europa wirklich bereit sein, soviel wie die USA und China auf den Tisch zu legen?
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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