Ob Flächenentsiegelung, mehr Stadtgrün oder weniger Nachverdichtung: Der Städtebau muss zukünftig viel stärker auf die Hitzeentwicklung in Ballungsgebieten Rücksicht nehmen.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
In deutschen Städten wird der Sommer für Millionen zur körperlichen Belastung – und das nicht erst in Jahrzehnten, sondern schon heute. Über zwölf Millionen Menschen leben laut dem aktuellen „Hitzecheck“ der Deutschen Umwelthilfe (DUH) in Gebieten mit extremer Hitzebelastung. Eine Analyse, die wachrüttelt – und Handlungsdruck erzeugt.
Stadtklima unter Hitzestress
Die neue Untersuchung basiert auf Daten aus 190 Städten mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der Clou: Erstmals wurde ein sogenannter „Hitzebetroffenheitsindex“ (HBI) entwickelt, der neben Temperaturdaten auch den Anteil versiegelter Flächen, das Volumen an Stadtgrün sowie die Bevölkerungsdichte berücksichtigt. So lässt sich nicht nur sagen, wie heiß es wird – sondern auch, wie sehr Menschen tatsächlich darunter leiden.
Die Ergebnisse zeigen: 31 Städte erhalten eine Rote Karte – hier leben besonders viele Menschen in stark belasteten Quartieren. In weiteren 131 Städten ist die Lage kritisch (Gelbe Karte). Nur 28 Städte kommen vergleichsweise gut weg und bekommen eine Grüne Karte.
Süddeutsche Städte besonders betroffen
Der Hitzeschwerpunkt liegt im Süden der Republik. In Mannheim, Ludwigshafen oder Worms leben zwischen 88 und 91 Prozent der Menschen in Gebieten mit starker Hitzebelastung – eine Folge dichter Bebauung, geringer Durchlüftung und mangelnder Grünflächen. „Unser Hitze-Check ist ein Alarmsignal und sollte ein Weckruf für Kommunal-, Landes- und Bundespolitik sein“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. „Er zeigt klar auf, wo der Handlungsbedarf, Grünflächen zu schaffen, am dringlichsten ist.“
Doch auch vermeintliche Klimaoasen wie Kiel, Wilhelmshaven oder Flensburg stehen unter Beobachtung: Trotz kühlerer Temperaturen weisen manche dieser Städte hohe Versiegelungsgrade auf. Die DUH warnt: Mit zunehmender Erderwärmung könnte es auch dort ungemütlich werden.
Eine Frage der Gerechtigkeit
Neben gesundheitlichen Risiken zeigt der HBI auch soziale Schlagseiten. Denn oft sind es Menschen in dicht besiedelten und ärmeren Vierteln, die unter der Hitze am meisten leiden. Sascha Gey von der Potsdamer Luftbild Umwelt Planung GmbH, die an der Analyse beteiligt war, betont: „Geografische Hitzebetroffenheitsindizes wie dieser können zu einer effizienteren, effektiveren und sozial gerechteren Klimaanpassungspolitik beitragen.“ Kommunen hätten damit ein Werkzeug in der Hand, um gezielt dort zu handeln, wo Hilfe am dringendsten gebraucht werde.
DUH fordert Mindestgrün-Anteil
Die Deutsche Umwelthilfe lässt es nicht bei der Analyse bewenden. Barbara Metz fordert klare gesetzliche Vorgaben: „Wir fordern verbindliche Mindestgrünanteile auf jedem Grundstück, Gebäude und im öffentlichen Raum.“ Dazu brauche es Änderungen im Baugesetzbuch sowie in allen Landesbauordnungen. Bauministerin Hubertz und Umweltminister Schneider seien ebenso gefragt wie die Länder.
Zudem müsse die Städtebauförderung auf den Prüfstand: „Die Kommunen brauchen die notwendige finanzielle Unterstützung, um die Städte zu begrünen – für die Gesundheit der Bevölkerung“, so Metz. Denn jährlich sterben laut DUH bis zu 3.000 Menschen in Deutschland an den Folgen extremer Hitze.
Hitzeprotest per Mausklick
Parallel ruft die DUH Bürgerinnen und Bürger dazu auf, selbst aktiv zu werden. Auf www.duh.de/hitze-check können Menschen ihre Stadt auffordern, mehr für Hitzeschutz zu tun – per Online-Einspruch. Ein niederschwelliges Angebot mit politischem Potenzial, denn: Der Sommer ist längst da, die Folgen der Erderhitzung spürbar – und die Versäumnisse aus der Vergangenheit holen die Stadtplanung nun ein.
Bleibt zu hoffen, dass der Hitze-Check mehr ist als nur ein weiteres Datenwerk – und die Politik diesen Temperaturanstieg endlich ernst nimmt. Denn der nächste heiße Sommer kommt bestimmt.
Kurzinfo: Hitze-Check 2025 der DUH
- Erfasst: 190 Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern
- Neuer „Hitzebetroffenheitsindex“ (HBI) analysiert Oberflächentemperatur, Versiegelung, Grünvolumen & Bevölkerungsdichte
- Ergebnisse: 31 Rote Karten (hohe Hitzebelastung), 131 Gelbe, 28 Grüne Karten
- Besonders betroffen: Mannheim, Worms, Ludwigshafen (über 88 Prozent der Bevölkerung leben in stark belasteten Gebieten)
- DUH-Forderung: Verankerung von Grünflächenfaktoren im Baugesetzbuch
- Ziel: sozial gerechte, gezielte Klimaanpassung auf kommunaler Ebene
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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