Bis auf weiteres bleiben brilliante Ideen offenbar menschlichen AutorInnen vorbehalten – was sich wohl nicht zufällig beim Schreiben von Essays besonders bemerkbar macht.
(Bild: Redaktion/Pablo Ignacio Paspartú (PiPaPu))
Es war ein ungewöhnliches Schreibduell – Mensch gegen Maschine, Studierende gegen Chatbot. 145 reale Essays traten gegen ebenso viele Texte an, die von ChatGPT verfasst wurden. Das Ergebnis: Die KI schreibt glatt und grammatisch einwandfrei, doch es fehlt etwas Entscheidendes – die menschliche Note.
Rhetorik statt Rechenleistung
„Wir wollten wissen, wie gut KI wirklich darin ist, menschliches Schreiben zu imitieren“, sagt Professor Ken Hyland von der University of East Anglia. Gemeinsam mit dem chinesischen Kollegen Prof. Kevin Jiang untersuchte er, ob ChatGPT überzeugende argumentative Texte verfassen kann – und ob man sie von studentischen Arbeiten unterscheiden kann.
Im Zentrum standen sogenannte Engagement Marker: rhetorische Fragen, persönliche Kommentare und direkte Ansprachen der Lesenden. Kurz: all das, was einen Text lebendig und nachvollziehbar macht.
Der Mensch fragt – die Maschine erklärt
Während die KI sich an die formalen Konventionen akademischen Schreibens hielt, blieben ihre Texte oft distanziert. „Die Essays von ChatGPT waren zwar flüssig und formal korrekt“, sagt Hyland, „aber sie enthielten kaum Fragen, persönliche Einschübe oder eine klare Position.“
Im Gegensatz dazu zeichneten sich die studentischen Texte durch einen persönlichen Stil aus. Sie stellten Fragen, bezogen Stellung und holten die Lesenden mit direkten Formulierungen ab. „Das macht einen Text nicht nur überzeugender, sondern auch menschlicher.“
Warum das wichtig ist
Für Lehrkräfte weltweit ist diese Studie ein Hoffnungsschimmer. Seit der Veröffentlichung von ChatGPT wächst die Sorge, dass Studierende KI nutzen, um Aufgaben zu automatisieren. „Viele fürchten, dass dadurch zentrale Fähigkeiten wie kritisches Denken oder Ausdruckskraft leiden“, erklärt Hyland.
Die neuen Ergebnisse zeigen jedoch: Noch erkennt man den Unterschied – nicht am Satzbau, sondern an der Haltung. Wer schreibt, sollte auch etwas zu sagen haben. Genau daran scheitert die Maschine.
KI als Hilfsmittel, nicht als Ersatz
Dennoch verteufelt das Forscherteam die Technologie nicht. Im Gegenteil: Sie plädieren für eine pädagogische Integration. „KI kann ein wertvolles Lernwerkzeug sein“, sagt Hyland. „Aber wenn Studierende zu uns kommen, bringen wir ihnen nicht nur Schreiben bei, sondern Denken – und das kann kein Algorithmus leisten.“
Ein Algorithmus ohne Haltung
Was die Studie letztlich unterstreicht: Schreiben ist mehr als korrekte Grammatik und logische Struktur. Es ist ein Akt der Kommunikation, der Nähe schafft, Haltung zeigt und zum Denken anregt. Und genau hier stößt die KI an ihre Grenzen. Die Essays von ChatGPT sind höflich, aber unbeteiligt. Noch kann sie den menschlichen Funken nicht ersetzen – zum Glück.
Kurzinfo: Wer schreibt besser – Mensch oder Maschine?
Studienaufbau
Verglichen wurden 145 studentische Essays mit 145 von ChatGPT generierten Texten.
Was wurde untersucht?
Rhetorische Mittel wie Fragen, persönliche Kommentare und direkte Ansprache – sogenannte Engagement Marker.
Schwächen der KI
- Kaum persönliche Haltung
- Wenig Interaktion mit Lesenden
- Mangel an Überzeugungskraft
Stärken der Studierenden
- Rhetorische Vielfalt
- Klare Positionierung
- Höheres Maß an Überzeugung
Fazit der Forschenden
KI kann unterstützen – aber nicht ersetzen. Kritisches Denken bleibt bis auf weiteres eine menschliche Domäne.
Originalpublikation:
Jiang, F. K., & Hyland, K. (2025). Does ChatGPT write like a student? Engagement markers in argumentative essays. Written Communication. Advance online publication.
https://doi.org/10.1177/07410883251328311
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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