CO₂-Filterung: Technik ist gut, Bäume sind besser

CO₂-Filterung: Technik ist  gut, Bäume sind besser

Es klingt wie ein Wettlauf zwischen zwei ungleichen Gegenspielern: Auf der einen Seite Milliarden-Investitionen in futuristische CO₂-Filteranlagen für die Atmosphäre, auf der anderen Seite Wälder, Moore und Wiesen – altbewährte Kohlenstoffspeicher der Natur. Doch dieser Gegensatz ist trügerisch, warnt eine neue Studie. Wer den Klimaschutz ernst meint, muss Technik und Natur gemeinsam denken – sonst droht das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Abkommens aus dem Blick zu geraten.

Ein gefährliches Entweder-oder

In einer neuen Studie in der Fachzeitschrift Climate Policy fordern Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Doppelstrategie für die sogenannte Entfernung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre. Es gehe nicht darum, die CDR-(Carbon Dioxide Removal)-Technologie gegen Natur auszuspielen – sondern darum, beide Ansätze klug zu kombinieren.

Wir müssen die Produktion neuer Treibhausgase schnellstmöglich senken. Gleichzeitig müssen wir aber auch bereits ausgestoßenes CO₂ aus der Atmosphäre entfernen und sicher speichern“, erklärt Charlotte Streck von der Universität Potsdam, Gründerin von Climate Focus und Hauptautorin der Analyse.

Derzeit fließen rund 250 Milliarden Dollar an Investitionen – größtenteils in technologische Verfahren wie Direktabscheidung oder unterirdische Speicherung. Doch diese Methoden sind teuer, riskant und noch lange nicht skalierbar.

Natur kann schon heute liefern

Ganz anders die sogenannten naturbasierten Lösungen. Ob Aufforstung, Moor-Renaturierung oder nachhaltige Landwirtschaft: Diese Ansätze beruhen auf Photosynthese – einem seit drei Milliarden Jahren bewährten Verfahren.

Wälder und andere Ökosysteme sind bewährte Kohlenstoffspeicher – und sie liefern darüber hinaus saubere Luft, Trinkwasser, Biodiversität und lokale Kühlung. Wir brauchen beides: Technologie und Natur“, so Streck.

Naturbasierte Methoden seien zudem sofort einsatzbereit, vergleichsweise günstig – und sozial wie ökologisch verträglich. Dass sie oft als „temporär“ abgetan würden, sei eine gefährliche Vereinfachung, kritisieren die Autoren. Zwar kann durch Feuer, Dürre oder Rodung gespeicherter Kohlenstoff wieder freigesetzt werden – doch technische Verfahren bergen ebenfalls Risiken, etwa wenn bei der Einlagerung in Gestein chemische Prozesse versagen.

Komplement statt Konkurrenz

Matthew Brander, Professor für Kohlenstoffbilanzierung an der University of Edinburgh, betont die Synergien: „Technische und naturbasierte CDR-Methoden können sich sinnvoll ergänzen – etwa in Investitionsportfolios, die auf Machbarkeit, Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit achten“.

Während Technologien höhere Speicherstabilität versprächen, punkteten naturbasierte Verfahren durch ihre sofortige Verfügbarkeit und ihren Preis. Die Zukunft liege nicht im Entweder-oder, sondern im Und.

Kritik an der Schieflage der Investitionen

Doch bislang spiegele sich dieser integrative Ansatz kaum in der Förderpolitik wider. Vielmehr dominiert der Hype um neue Technologien – befeuert von Start-ups, Investoren und Politikern, die auf schnelle Innovationen setzen.

Peter Ellis, Forschungsdirektor für natürliche Klimaschutzlösungen bei The Nature Conservancy, bringt es ironisch auf den Punkt: „Technische CO₂-Entfernung ist extrem teuer und braucht Unmengen an billiger erneuerbarer Energie – sowie Jahre an Forschung. Naturbasierte Verfahren hingegen basieren auf Photosynthese, die in selbstreplizierenden Prototypen namens Pflanzen bereits seit Milliarden Jahren perfektioniert wurde“.

Ein Portfolio fürs Pariser Ziel

Die Autorinnen und Autoren der Studie fordern daher eine Umkehr: Investitionen müssten sich breiter aufstellen und sowohl kurzfristige als auch langfristige Perspektiven einbeziehen. Nur so lasse sich das langfristige Ziel des Pariser Abkommens – die Begrenzung der Erderwärmung auf unter zwei Grad – glaubwürdig erreichen. „Politik und Finanzwelt sollten auf Ausgewogenheit setzen. Nur ein diversifiziertes Portfolio mindert die Risiken und maximiert den Beitrag zum Klimaschutz“, sagt Streck.


Kurzinfo CDR

  • CDR steht für Carbon Dioxide Removal, also die aktive Entfernung von CO₂ aus der Atmosphäre.
  • CDR kann technisch (z. B. Direktabscheidung, Verpressung in Gestein) oder natürlich (z. B. Aufforstung, Bodenbindung) erfolgen.
  • Laut Weltklimarat (IPCC) ist CDR unverzichtbar für die Einhaltung des Zwei-Grad-Ziels.
  • Technische Verfahren bieten langfristige Speicherung, sind aber teuer und komplex.
  • Natürliche Verfahren sind sofort umsetzbar, günstig und bringen ökologische Zusatznutzen.
  • Beide Ansätze haben Risiken – z. B. Feuer (Natur) oder Lecks (Technik).
  • Forschende empfehlen: Investitionen kombinieren, statt zu konkurrieren.

Originalpublikation:
Charlotte Streck et al.,

Considering durability in carbon dioxide removal strategies for climate change mitigation,

in: Climate Policy (10. Juni 2025),

DOI: 10.1080/14693062.2025.2501267

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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