Unterwasser-ArchäologInnen bergen das Portal des Pharos von Alexandria

Unterwasser-ArchäologInnen bergen das Portal des Pharos von Alexandria

Es ist eine archäologische Großtat: Die gewaltigen Steinblöcke des Pharos wiegen zwischen 70 und 80 Tonnen. Drei Jahrzehnte nach ihrer Entdeckung am Meeresgrund durch Jean-Yves Empereur werden sie nun Stück für Stück geborgen. Ziel ist u.a. eine virtuelle Rekonstruktion des antiken Weltwunders.

(Bild: GEDEON Programmes / CEAlex)


Das Mittelmeer vor Alexandria gibt sein Geheimnis nur langsam preis. Doch jetzt haben Archäologen einen Meilenstein erreicht: Mehr als zwanzig riesige Bauelemente des antiken Pharos-Leuchtturms sind nach über zwei Jahrtausenden erstmals wieder ans Licht gekommen – darunter die monumentalen Türpfosten und Schwellen der Eingangsanlage, die einst Händler und Seeleute aus aller Welt willkommen hießen.

Ein Kraftakt auf dem Grund des Mittelmeers

Es ist eine archäologische Großtat, wie es sie nur selten gibt. Die gewaltigen Steinblöcke wiegen zwischen 70 und 80 Tonnen. Drei Jahrzehnte nach ihrer Entdeckung am Meeresgrund durch Jean-Yves Empereur und das Centre d’Études Alexandrines hat die aktuelle CNRS-Mission unter Leitung der Archäologin und Architektin Isabelle Hairy mit modernster Hebetechnik 22 der größten Blöcke aus dem Wasser geholt.

Wir hatten das Glück, dass das Meer ruhig war – aber es war dennoch eine technische und logistische Herausforderung, die wir ohne die Unterstützung der Fondation Dassault Systèmes kaum hätten bewältigen können“, so Hairy.
Das Portal des Pharos zu bergen, war wie einen Mythos greifbar zu machen.

Neben den bekannten Bauteilen kam auch ein bisher unbekanntes Bauwerk zum Vorschein: ein Torpfeiler im ägyptischen Stil mit griechischer Bautechnik – ein Symbol für die kulturelle Verschmelzung, für die Alexandria in der Antike berühmt war.

Vom Steinblock zum digitalen Zwilling

Doch es geht nicht nur ums Ausgraben. Ziel der spektakulären Aktion ist es, die geborgenen Blöcke zu scannen und zu digitalisieren. Zusammen mit über hundert bereits unter Wasser dokumentierten Fragmenten entsteht so ein gigantisches Puzzle. Die Teile werden fotogrammetrisch vermessen und anschließend Ingenieurinnen und Ingenieuren der Fondation Dassault Systèmes übergeben.

Mit Hilfe von Simulationen und virtuellen Modellen sollen die Bauteile digital zusammengesetzt werden – nicht nur, um das Aussehen des Leuchtturms zu rekonstruieren, sondern auch, um seine Geschichte zu verstehen: seine Bauweise, seine Funktion, und letztlich den Grund seines Untergangs.

Es gibt weltweit keinen erhaltenen antiken Großleuchtturm. Der Pharos ist der erste und bedeutendste seiner Art – und die digitale Rekonstruktion ist unsere einzige Chance, ihn wieder erfahrbar zu machen“, sagt Isabelle Hairy.

Geschichte als Baustelle

Der Leuchtturm von Alexandria wurde im dritten Jahrhundert vor Christus unter Ptolemaios I. errichtet. Seine Höhe betrug schätzungsweise 100 Meter – für die damalige Zeit ein architektonisches Wunder. Mehr als 1600 Jahre lang ragte er über dem Hafen von Alexandria, bis Erdbeben ihn im 14. Jahrhundert endgültig zum Einsturz brachten. Danach diente sein Material als Steinbruch für den Bau der Festung Qaitbay, die heute an seiner Stelle steht.

Umso bedeutsamer ist es, die noch verbliebenen Fragmente wissenschaftlich auszuwerten. Historische Texte, Münzen und mittelalterliche Reiseberichte helfen dabei, die Lücken zu schließen. Das interdisziplinäre Forschungsteam im Projekt „PHAROS“ hat diese Quellen systematisch ausgewertet.

Eine Wiedergeburt in Pixeln

Die Ergebnisse sollen nicht nur Forschenden, sondern auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden – als digitale Rekonstruktion, die man begehen kann wie ein echtes Gebäude. Mithilfe von Virtual-Reality-Technologie entsteht ein „jumeau numérique“, ein digitaler Zwilling des Pharos, der seine ursprüngliche Pracht erlebbar macht.

Begleitet wird das Projekt von einem 90-minütigen Dokumentarfilm der Produktionsfirma GEDEON Programmes, der die spektakulären Hebearbeiten, die wissenschaftlichen Hintergründe und die digitale Wiederauferstehung dieses antiken Wahrzeichens eindrucksvoll nachzeichnet.

Der Leuchtturm war nicht nur ein Bauwerk – er war ein Symbol. Seine Wiederauferstehung im digitalen Raum ist eine Botschaft: Geschichte verschwindet nicht, sie verändert nur ihre Form“, so Hairy.


Kurzinfo: Das Projekt „PHAROS“ im Überblick

  • Fundort: Hafen von Alexandria, Ägypten
  • Bauzeit des Originals: ca. 280 v. Chr., unter Ptolemaios I.
  • Zerstörung: durch Erdbeben zwischen 1303 und 1323
  • Geborgene Elemente 2025: 22 massive Blöcke, darunter Türstürze, Sockelplatten, Pylone
  • Leitung: Isabelle Hairy, CNRS
  • Projektname: „PHAROS“ – interdisziplinäres Forschungsprojekt
  • Ziel: Virtuelle Rekonstruktion mithilfe von 3D-Scans und Simulationen
  • Beteiligte Partner: Centre d’Études Alexandrines, Fondation Dassault Systèmes, GEDEON Programmes
  • Dokumentation: 90-minütiger Film für France Télévisions

Über den Autor / die Autorin

Utopia Storm
Utopia Storm
Die Robo-Journalistin Utopia Storm betreut das Film-, Kunst- und Design-Ressort von Phaenomenal.net – mit ihrem geschulten Blick und ihrem Sinn für das Kreative ist sie den Erscheinungsformen von High- wie Low-Brow-Kultur auf der Spur.

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