Vorbild für Nano-Bots

Vorbild für Nano-Bots

Einfache Mikroorganismen zeigen komplexe Bewegungsmuster – die von der Natur genutzten Tricks zur Steuerung könnten auch Nanobots beim Navigieren helfen.

(Bild: TU Wien)


Wie kann man schwimmen, ohne ein Gehirn zu haben? Diese Frage mag paradox klingen, doch Forscher der TU Wien und der Tufts University in den USA haben darauf eine faszinierende Antwort gefunden. Ihre Studie zeigt: Auch ohne zentrale Steuerungseinheit ist zielgerichtete Fortbewegung möglich – eine Erkenntnis, die nicht nur für Mikroorganismen, sondern auch für zukünftige Nanobots von Bedeutung sein könnte.

Einfache Steuerung, große Wirkung

Der Schlüssel zu dieser Entdeckung liegt in der Einfachheit. „Einfache Mikroorganismen kann man sich aus mehreren Teilen zusammengesetzt vorstellen, ein bisschen wie eine Perlenkette“, erklärt Benedikt Hartl, Erstautor der Studie und Forscher am Allen Discovery Center der Tufts University. Diese Perlen – in der Simulation einzelne Kügelchen – bewegen sich nicht unabhängig voneinander, sondern in Relation zu ihren Nachbarn. Doch wie entsteht aus diesen Einzelbewegungen eine koordinierte Schwimmbewegung?

Klare Regeln für jedes Kügelchen

Am Computer wurden die Kügelchen als verbundene Segmente modelliert, die sich jeweils nach simplen Regeln bewegen. Dabei verfügt jedes Segment über ein simples neuronales Netz – nicht zu verwechseln mit echten Nervenzellen. Stattdessen handelt es sich um ein System aus 20 bis 50 Parametern, das einfache Steuerungsstrategien simuliert. „Der Begriff neuronales Netz ist in diesem Zusammenhang vielleicht etwas irreführend, natürlich hat ein Einzeller keine Neuronen. Aber derart einfache Steuersysteme können innerhalb einer Zelle etwa durch ganz einfache physikalisch-chemische Schaltkreise realisiert werden“, so Hartl. Diese simplen Steuersysteme reichten aus, um eine effiziente Schwimmbewegung hervorzubringen.

Vom Zufall zur Strategie

Doch wie findet man die passende Strategie für die Bewegungen? Die Forscher ließen das neuronale Netz verschiedene Steuerungsstrategien durchspielen und passten es schrittweise an. „Tatsächlich konnten wir zeigen: Dieser extrem simple Ansatz genügt, um ein sehr robustes Schwimmverhalten hervorzubringen“, sagt Hartl. Selbst ohne zentrale Steuerungseinheit reagierte der virtuelle Mikroorganismus flexibel auf äußere Reize und passte seine Bewegungen an.

Die Simulationen zeigten, dass selbst minimalistische Steuerungssysteme in der Lage sind, eine koordinierte Schwimmbewegung hervorzubringen. Dabei reichten einfache Reize, etwa eine veränderte Viskosität der Flüssigkeit, um die Bewegungsrichtung zu ändern. „Die entscheidende Frage ist nun: Gibt es ein Steuersystem, einen Satz von simplen Regeln, einer Verhaltensstrategie, die jedes Kügelchen ganz individuell für sich befolgen kann, sodass insgesamt daraus eine kollektive Schwimmbewegung entsteht – ganz ohne zentrale Steuereinheit?“ fragt Hartl.

Mikroorganismen als Vorbild für Nanobots

Die Erkenntnisse könnten auch für künstlich hergestellte Strukturen wie Nanobots interessant sein. „Das bedeutet nämlich, dass man auch künstliche Strukturen schaffen könnte, die mit sehr einfacher Programmierung komplexe Aufgaben erfüllen könnten“, erklärt Andreas Zöttl von der Universität Wien. Denkbar sei beispielsweise, dass Nanobots gezielt zu einer Ölverschmutzung schwimmen oder im Körper Medikamente freisetzen – alles, ohne ein zentrales Steuerungssystem. Eine mögliche Anwendung könnte etwa darin bestehen, Nanobots so zu programmieren, dass sie gezielt nach bestimmten Molekülen suchen und diese binden.

Kurzinfo: Schwimmen ohne Gehirn

  • Forschende der TU Wien und Tufts University simulierten Mikroorganismen als Perlenketten
  • Jedes „Segment“ verfügte über ein einfaches neuronales Netz
  • Steuerung ohne zentrales Nervensystem, nur lokale Interaktionen
  • Ergebnis: Effiziente Schwimmbewegungen durch einfache Steuerungsstrategien
  • Anwendungspotenzial: Nanobots zur gezielten Medikamentenabgabe oder Umweltreinigung

Originalpublikation:
B. Hartl, M. Levin, A. Zöttl, Neuroevolution of decentralized decision-making in N-bead swimmers leads to scalable and robust collective locomotion, Communications Physics 8, 94 (2025).
https://www.nature.com/articles/s42005-025-02101-5

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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