Welt am Limit: Kein Wirtschaftssektor auf Kurs für 1,5 Grad

Welt am Limit: Kein Wirtschaftssektor auf Kurs für 1,5 Grad

Besonders alarmierend: Laut World Resource Institute wäre für zentrale Stellschrauben wie den Kohleausstieg oder die Entwaldung ein Vielfaches des heutigen Tempos nötig, um die Klimaziele noch einzuhalten.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Kurzinfo: State of Climate Action 2025

  • Herausgegeben von: World Resources Institute, ClimateWorks Foundation, Bezos Earth Fund
  • Ziel: Fortschritte bei 45 Klimaschutz-Indikatoren bewerten
  • Ergebnis: Kein Sektor auf 1,5-Grad-Kurs
  • Hauptprobleme: Kohleausstieg, Entwaldung, fossile Subventionen
  • Lichtblicke: Solarenergie, grüner Wasserstoff, private Klimafinanzierung
  • Handlungsempfehlung: Schnellerer Ausstieg aus fossilen Energien, mehr Tempo bei sauberen Technologien
  • Zeithorizont: Ziele für 2030, 2035 und 2050
  • Basis: Pariser Klimaabkommen


Das Weltklima steht auf der Kippe. Zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen zieht ein globaler Report eine bittere Bilanz: Kein einziger Sektor ist auf dem Weg, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das „State of Climate Action 2025“-Papier des World Resources Institute (WRI) und weiterer Partner zeigt, dass selbst die positivsten Entwicklungen viel zu langsam verlaufen.

Warnsignal auf Rot

„Alle Systeme stehen auf Rot“, mahnt Clea Schumer vom WRI. „Eine Dekade der Verzögerung hat den Weg zur 1,5-Grad-Marke gefährlich verengt. Jedes Jahr ohne Beschleunigung vergrößert die Lücke – und macht den Aufstieg steiler.“
Von 45 überprüften Indikatoren des Klimahandelns liegt keiner im grünen Bereich. Sechs bewegen sich zwar in die richtige Richtung, aber zu langsam; 29 sind weit abgeschlagen. Fünf laufen sogar in die falsche Richtung – darunter die öffentliche Finanzierung fossiler Energien, die seit 2014 im Schnitt um 75 Milliarden US-Dollar jährlich gewachsen ist. Selbst der Verkauf von Elektroautos, einst Hoffnungsträger, verliert in Europa und den USA an Schwung.

Ein globales Zeugnis mit schlechten Noten

„Wir fallen nicht nur zurück – wir bestehen die wichtigsten Fächer schlicht nicht“, sagt Sophie Boehm, Co-Autorin des Berichts. Während Privatinvestitionen in Klimaprojekte stiegen, haben Staaten fossile Energien weiter massiv gefördert. Deforestation nimmt erneut zu, Kohle bleibt stabiler Energieträger, und der Energiehunger der Welt wächst schneller als die Windparks gebaut werden können.
Die Autorinnen und Autoren vergleichen die Ergebnisse mit einem „globalen Zeugnis“, das zeigt, wo die Menschheit steht: beim Kohleausstieg, bei der Aufforstung, beim Klimafinanzfluss – fast überall durchgefallen.

Teilerfolge, die Hoffnung machen

Doch es gibt Lichtblicke. Der Anteil von Solar- und Windstrom hat sich seit 2015 verdreifacht. Grüne Technologien, von Wasserstoff bis CO₂-Entnahme, wachsen schneller als je zuvor. „Saubere Energieinvestitionen übersteigen bereits zum zweiten Mal die fossilen“, so Kelly Levin vom Bezos Earth Fund. „Das beweist, dass Fortschritt möglich ist, wenn Ehrgeiz und Finanzierung zusammenkommen.“
Dennoch warnt der Bericht: Selbst wenn das heutige Wachstum anhielte, würde es nicht reichen, die 2030-Ziele zu erreichen. Um auf Kurs zu kommen, müsste der Ausbau von Solar- und Windkraft doppelt so schnell voranschreiten – mit jährlichen Zuwachsraten von rund 29 Prozent.

Tempo statt Trägheit

Besonders alarmierend: Für zentrale Stellschrauben wie den Kohleausstieg oder die Entwaldung wäre ein Vielfaches des heutigen Tempos nötig. Um das Ziel von 1,5 Grad zu halten, müssten jährlich rund 360 Kohlekraftwerke abgeschaltet und sämtliche neuen Projekte gestoppt werden. Die Abholzung müsste neunmal schneller sinken – derzeit verschwinden pro Minute 22 Fußballfelder Wald.
„Die Welt steht an einem Wendepunkt“, betont WRI-Präsident Ani Dasgupta. „Wir können weiter die Systeme zementieren, die Klimakatastrophen befeuern – oder wir beschleunigen den Wandel hin zu einer gesunden, nachhaltigen Zukunft.“

Der Faktor Zeit

Dass Fortschritt möglich ist, zeigt sich an den Elektroautos: Ihr Anteil an Neuwagenverkäufen ist in vier Jahren von 4,4 auf 22 Prozent gestiegen. Doch auch hier droht die Dynamik zu bremsen. Bill Hare von Climate Analytics fasst es drastisch zusammen: „Die Wissenschaft ist eindeutig – die Welt bewegt sich zu langsam. Das 1,5-Grad-Ziel hängt nur noch von einem Faktor ab: Geschwindigkeit.“


Originalpublikation:

Clea Schumer et al.,

State of Climate Action 2025 (22. Oktober 2025),

hrsg. vom Systems Change Lab 

Download: https://climateanalytics.org/publications/state-of-climate-action-2025

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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