Start einer Suborbital Express 3 – M15 Rakete von der Esrange-Basis in Schweden – mit Hilfe dieses Modells wurde auch das Mikroben-Experiment der australischen Forschenden durchgeführt.
(Bild: Gail Iles, RMIT University)
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Der Moment des Raketenstarts ist ein physikalisches Inferno: Druckwellen, Hitze, Beschleunigung. Für Menschen sind diese Kräfte schon extrem – für Mikroben sind sie geradezu existenziell. Dennoch hat ein Team um die RMIT-Universität in Melbourne jetzt bewiesen, dass winzige Lebensformen stärker sind, als man dachte.
Gesundheitshelfer im All
Im Zentrum der Studie stand Bacillus subtilis, ein unscheinbares Bodenbakterium, das eine entscheidende Rolle für die menschliche Gesundheit spielt – es unterstützt das Immunsystem, die Verdauung und den Blutkreislauf. Sollte die Menschheit eines Tages zum Mars aufbrechen, wäre das Überleben solcher Mikroorganismen überlebenswichtig.
Die Forschenden wollten wissen: Kann B. subtilis die extremen Bedingungen eines Weltraumflugs überstehen – vom katapultartigen Start über die Schwerelosigkeit bis hin zum glühenden Wiedereintritt in die Erdatmosphäre?
Der Flug ins Extreme
Um das herauszufinden, schickte das Team Sporen des Bakteriums mit einer Höhenrakete bis an den Rand des Alls. Die Rakete, gebaut von der schwedischen Weltraumagentur, erreichte rund 260 Kilometer Höhe. Während des Aufstiegs herrschten bis zu 13 g, also das 13-Fache der Erdanziehungskraft. Nach dem Brennschluss begann eine rund sechsminütige Phase der Schwerelosigkeit, ehe das Gerät mit bis zu 30 g wieder in die Atmosphäre eintauchte – und dabei 220 Mal pro Sekunde rotierte.
Als die Proben sicher geborgen wurden, zeigte sich: Die Mikroben hatten alles überstanden. Sie wuchsen weiter, ihre Zellstrukturen blieben intakt.
„Unsere Forschung zeigte, dass ein wichtiger Bakterientyp für unsere Gesundheit rasche Veränderungen der Schwerkraft, Beschleunigung und Abbremsung aushalten kann,“ erklärte die RMIT-Professorin Elena Ivanova. „Das erweitert unser Verständnis über die Auswirkungen langer Raumflüge auf Mikroorganismen, die in unserem Körper leben und uns gesund halten.“
Biologische Mitreisende
Die Erkenntnisse sind nicht nur für künftige Marsmissionen relevant, sondern auch für das Verständnis des Lebens selbst. Denn wenn Mikroben diese Strapazen bewältigen, könnte Leben auch auf anderen Planeten oder Monden bestehen – selbst nach interplanetarem Transport auf Meteoritenfragmenten.
RMIT-Weltraumexpertin Gail Iles betonte: „Diese Forschung vertieft unser Verständnis dafür, wie Leben unter extremen Bedingungen bestehen kann, und liefert wertvolle Einsichten für künftige Missionen zum Mars und darüber hinaus.“
Solche Mikroben sind weit mehr als blinde Passagiere: Sie sind integrale Bestandteile jeder Biosphäre – auch im All.
Von der Raumfahrt zur Medizin
Die Untersuchung öffnet zudem neue Türen für die Biotechnologie auf der Erde. Mikroben, die extremen Druck- und Temperaturbedingungen trotzen, könnten helfen, neue Medikamente oder industrielle Prozesse zu entwickeln.
„Die möglichen Anwendungen dieser Forschung gehen weit über die Raumfahrt hinaus,“ so Ivanova. „Sie umfassen die Entwicklung neuer antibakterieller Behandlungen und könnten helfen, Antibiotikaresistenzen zu bekämpfen. Wir stehen erst am Anfang, aber jetzt haben wir eine solide Grundlage.“
Iles ergänzt, dass ein tieferes Verständnis mikrobieller Resilienz „auch neue Möglichkeiten eröffnen könnte, Leben auf anderen Planeten zu entdecken und zu charakterisieren“.
Ein globales Experiment
Hinter dem Projekt standen neben der RMIT-Universität auch die australischen Partner ResearchSat und Numedico Technologies. Der Raketenstart fand in Schweden statt, wo ein eigens 3D-gedruckter Mikrobehälter die Sporen schützte. Anschließend wurden die Proben im Mikroskopie-Labor der RMIT analysiert – unter Elektronenmikroskopen, die selbst winzige Zellveränderungen sichtbar machen.
Das Team plant nun weitere Flüge, um zu prüfen, ob auch empfindlichere Organismen bestehen. Parallel dazu wird an neuen Anwendungen geforscht – von der Medikamentenentwicklung bis zur Materialforschung in Mikrogravitation.
Kurzinfo: Mikroben im Raketenflug
- Erste reale Weltraumtestreihe für lebende Mikroben
- Bacillus subtilis überstand Beschleunigung, Schwerelosigkeit und Wiedereintritt
- Bis zu 13 g beim Start, 30 g beim Wiedereintritt, 220 U/s Rotation
- Forschungsteam: RMIT University, ResearchSat, Numedico Technologies
- Startkampagne in Schweden
- Potenzial für Marsmissionen und biomedizinische Forschung
- Relevanz auch für Antibiotika-Resistenzforschung
- Veröffentlicht in npj Microgravity (Oktober 2025)
- DOI: 10.1038/s41526-025-00526-4
Originalpublikation:
Elena Ivanova et al.,
Effects of Extreme Acceleration, Microgravity, and Deceleration on Bacillus subtilis Onboard a Suborbital Space Flight
In: npj Microgravity (6-Oct-2025 )
DOI: 10.1038/s41526-025-00526-4
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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