Steak teurer, Tomaten billiger – wie eine Steuerreform Leben retten könnte

Steak teurer, Tomaten billiger – wie eine Steuerreform Leben retten könnte

Preisänderungen wirken stärker auf das Konsumverhalten als moralische Appelle: Wird Fleisch teurer, sinkt der Konsum. Fällt die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse weg, steigt deren Absatz.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Kurzinfo: Steuerreform für gesunde Ernährung

  • Kosteneutral für Staat und Verbraucher
  • Studie: Chalmers University of Technology (Göteborg)
  • Partner: Karolinska Institutet, Swedish University of Agricultural Sciences
  • Modell: Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse, Vollkorn
  • Einführung von Abgaben auf Fleisch und zuckerhaltige Getränke
  • Erwarteter Effekt: 700 gerettete Leben pro Jahr in Schweden
  • CO₂-Reduktion: rund 700.000 Tonnen jährlich
  • Fleischkonsum sinkt um 19 Prozent
  • Kein Preisanstieg im Gesamteinkauf


Ein teureres Steak, aber günstigere Tomaten – und am Ende bleibt der Kassenbon gleich. Was klingt wie eine Vision aus dem Reformlabor, könnte bald politische Realität werden. Forschende der Chalmers University of Technology in Göteborg haben berechnet, dass eine Verschiebung von Lebensmittelsteuern Leben retten und die Umwelt entlasten könnte – ohne dass der Wocheneinkauf teurer wird.

Weniger Fleisch, mehr Leben

Der Kern der Studie: Auf klimaschädliche Lebensmittel wie Rind, Lamm und stark verarbeitete Fleischprodukte sollen Abgaben erhoben, auf gesunde Produkte wie Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkorn hingegen die Mehrwertsteuer gestrichen werden. Die Berechnungen zeigen, dass eine solche Umstellung in Schweden jährlich rund 700 vorzeitige Todesfälle verhindern könnte – dreimal so viele wie durch Verkehrsunfälle verursacht werden.

Studienleiter Jörgen Larsson bringt es auf den Punkt: „Unsere Ernährung macht uns krank und schadet dem Klima. Wenn wir daran gemeinsam etwas ändern wollen, sind Steuern und Subventionen der richtige Weg. Und das geht, ohne dass der durchschnittliche Supermarkteinkauf teurer wird.“

Die Ökonomie des guten Essens

Larsson und sein Team haben Verkaufsdaten von 22.000 Produkten aus 31 Supermärkten ausgewertet. Ihre Schlussfolgerung: Preisänderungen wirken stärker auf das Konsumverhalten als moralische Appelle. Wird Fleisch um 25 Prozent teurer, sinkt der Konsum um fast 20 Prozent. Fällt die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse weg, steigt deren Absatz um rund vier Prozent.

„Dass Preise den Konsum beeinflussen, wissen wir seit Langem. In den 1990er-Jahren stieg der Rindfleischverbrauch in Schweden um 50 Prozent, weil die Preise nach dem EU-Beitritt fast halbiert wurden,“ sagt Larsson. Eine inverse Bewegung, so die Forschenden, könne nun Gesundheit und Klima gleichermaßen verbessern.

Klimaschutz auf dem Teller

Der Effekt wäre messbar: Die Klimabilanz der schwedischen Ernährung würde sich um rund 700.000 Tonnen CO₂-Äquivalente jährlich verbessern – das entspricht etwa acht Prozent der Emissionen aller schwedischen Autos. Damit ließe sich fast jede zehnte Pkw-Emission einsparen, nur durch klügeres Steuern und Essen.

Larsson betont: „Nicht jeder muss Vegetarier werden. Aber wenn wir den Fleischkonsum auf das Niveau der 1990er-Jahre zurückführen, gewinnen wir viel – für das Klima und für die öffentliche Gesundheit.“

Ein Modell für Europa

Auch für andere Industrieländer ist das Modell relevant. Denn in ganz Westeuropa sind ungesunde Ernährungsgewohnheiten inzwischen für ähnlich viele Todesfälle verantwortlich wie das Rauchen – weit mehr als Alkohol. Die EU-Kommission selbst hat bereits empfohlen, mit ökonomischen Anreizen gesündere Ernährung zu fördern. Schweden könnte so zum Vorbild für eine faire und kostenneutrale Ernährungswende werden.

Kostengerecht und politisch machbar

Besonders bemerkenswert: Das Modell wäre laut Studie nicht nur sozialverträglich, sondern auch haushaltsneutral. Teurere Fleischpreise würden durch günstigere Grundnahrungsmittel ausgeglichen, auch für Menschen mit geringem Einkommen. Gleichzeitig würden die langfristigen Gesundheitskosten sinken. „Die Reform ist kostenneutral für den Staat und entlastet ihn langfristig durch weniger Krankheitsfälle und geringere Gesundheitsausgaben,“ so Larsson.

Was also bleibt, ist eine Idee, die wirkt, ohne wehzutun – eine Steuer, die nicht straft, sondern lenkt. Eine Einladung, beim nächsten Einkauf nicht nur auf den Preis, sondern auf die Zukunft zu schauen.


Originalpublikation:

Jörgen Larsson et al.,

Cost-Neutral Food Tax Reforms for Healthier and More Sustainable Diets (15-Oct-2025)

in: Ecological Economics

DOI: 10.1016/j.ecolecon.2025.108822

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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