Genaue Daten zu den Gletschermassen sind wichtig, um den möglichen Anstieg des Meeresspiegels vorhersagen zu können – falls das Eis tatsächlich im großen Maßstab schmelzen sollte.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Die Gletscher der Erde schmelzen in rasantem Tempo – doch wie viel Eis ist noch vorhanden? Diese Frage versucht ein neues KI-Modell zu beantworten, das die globale Eisdicke der Gletscher erstmals umfassend kartiert. Entwickelt wurde das Modell von einem Forschungsteam um Niccolò Maffezzoli. Es basiert auf maschinellem Lernen und einem Datensatz aus über 4 Millionen Eisdickenmessungen.
KI-Modell als neues Werkzeug
Das Modell kombiniert zwei Entscheidungsbaum-Algorithmen und nutzt 39 verschiedene Parameter – darunter Eisgeschwindigkeit, Temperaturverläufe und geodätische Variablen. Ziel ist es, präzisere Eisdickenkarten zu erstellen, die als Grundlage für Simulationen zum Meeresspiegelanstieg dienen. Das Modell liefert besonders in den polaren Breiten und an den Rändern der großen Eisschilde genauere Daten als bisherige Ansätze.
Datenbasis und Kalibrierung
Die Grundlage für das KI-Modell bilden Messdaten, die im Rahmen von NASAs Operation IceBridge gesammelt wurden. Diese Mission lieferte in den letzten Jahren umfassende Datensätze zur Gletscherstärke – ein bislang ungenutzter Datenschatz. Das Forschungsteam kombiniert diese Daten mit Fernerkundungsinformationen, um auch in bislang kaum erfassten Regionen zuverlässige Karten zu erstellen. Besonders in den Gebirgsregionen des Himalaya, den Anden und den Polargebieten könnten so bisherige Wissenslücken geschlossen werden.
Anwendungsmöglichkeiten der Eisdickenkarten
Die geplanten Datensätze sollen nicht nur der Wissenschaft, sondern auch politischen Entscheidungsträgern zugutekommen. Bis Ende 2025 will das Team um Maffezzoli insgesamt 500.000 Eisdickenkarten veröffentlichen. Diese könnten genutzt werden, um gefährdete Gebiete frühzeitig zu identifizieren und die regionale Wasserverfügbarkeit zu überwachen. Auch die Dynamik der großen Eisschilde in Grönland und der Antarktis ließe sich damit präziser modellieren.
Auswirkungen auf den Meeresspiegelanstieg
Gletscher tragen derzeit rund 25 bis 30 Prozent zum globalen Meeresspiegelanstieg bei. Besonders in ariden Regionen wie den Anden oder dem Himalaya sind die Eisreserven ein kritischer Faktor für die Wasserversorgung. Ein genaues Monitoring dieser Gletscherregionen könnte dazu beitragen, frühzeitig vor Wasserknappheit zu warnen und geeignete Maßnahmen zu planen. Zudem könnten die Daten als Basis für Klimamodellierungen dienen, die die langfristige Entwicklung der Polargebiete simulieren.
Perspektiven für die Zukunft
Neben der globalen Anwendung bietet das KI-Modell auch die Möglichkeit, detaillierte regionale Analysen zu erstellen. So könnten beispielsweise in besonders betroffenen Gebieten, wie dem Himalaya oder den Anden, spezifische Karten generiert werden, die Hinweise auf potenzielle Wasserknappheit geben. Auch die Identifikation von sogenannten Hotspots, also Regionen mit besonders rasch schmelzenden Gletschern, könnte in zukünftigen Versionen des Modells integriert werden.
Darüber hinaus könnten die Daten auch zur Erstellung von Frühwarnsystemen dienen, die in ariden Gebieten rechtzeitig vor Wasserengpässen warnen. Die Forschenden planen außerdem, die Methodik weiterzuentwickeln, um auch kleinräumige Strukturen besser abbilden zu können. Dies würde nicht nur die Genauigkeit der Karten erhöhen, sondern auch die Nutzbarkeit für lokale Entscheidungsträger verbessern.
Fazit: Ein Meilenstein in der Glaziologie
Mit dem neuen Modell hat das Forschungsteam um Maffezzoli einen bedeutenden Beitrag zur Eisforschung geleistet. Erstmals liegen umfassende Daten zur globalen Eisdicke der Gletscher vor, die nicht nur für Klimaforscher, sondern auch für politische Entscheidungsträger von großer Relevanz sind. Bis 2025 könnten die geplanten Datensätze zu einem wichtigen Instrument für die Klimapolitik und das Wassermanagement werden.
Kurzinfo Projekt IceBoost v1.1
- Datenbasis: Über 4 Millionen Eisdickenmessungen
- KI-Modell: Entscheidungsbaum-Algorithmen
- Messgrößen: Eisgeschwindigkeit, Temperaturfelder, Geometrie
- Ziel: 500.000 Eisdickenkarten bis Ende 2025
- Bedeutung: Präzisere Prognosen zum Meeresspiegelanstieg
Originalstudie:
Niccolò Maffezzoli et al., A gradient-boosted tree framework to model the ice thickness of the world’s glaciers (IceBoost v1.1), in: Geoscientific Model Development,
DOI-Link: 10.5194/gmd-18-2545-2025
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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