Gesundheitliche Folgen des Klimawandels rücken aus dem Blickfeld

Gesundheitliche Folgen des Klimawandels rücken aus dem Blickfeld

Hitzestress ist der einzige Bereich, den die Bundesbürger weiterhin als besonders besorgniserregend betrachten – wohl wegen der regelmäßigen, konkreten Belastung in den Sommermonaten. (Bild: Redaktion/PiPaPu)


Klimawandel, Luftverschmutzung, Mikroplastik – was einst als bedrohliche Umweltprobleme breite Besorgnis auslöste, scheint für viele Menschen an Schrecken verloren zu haben. Zumindest legt das eine aktuelle Online-Befragung nahe, die das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) durchgeführt hat. Sie zeigt: Die Sensibilität für gesundheitliche Risiken durch Umwelteinflüsse nimmt ab. Und mit ihr das Problembewusstsein.

Klimawandel rückt in den Hintergrund

Noch 2020 machten sich 79 Prozent der Befragten Sorgen über den Klimawandel. Vier Jahre später sind es nur noch 66 Prozent. Beim Thema Luftverschmutzung fiel der Anteil der Besorgten sogar von 56 auf 45 Prozent. Und mehr als jeder vierte Befragte (29 Prozent) ist inzwischen der Meinung, dass Umweltprobleme generell übertrieben dargestellt werden – zehn Prozent mehr als noch vor vier Jahren.

Für Sophie Rabe, Erstautorin der Studie und Präventionsexpertin im AOK-Bundesverband, ist das eine deutliche Verschiebung: „Wir sehen in den Befragungsergebnissen relevante Verschiebungen in der Wahrnehmung gesundheitlicher Risiken infolge von Umweltproblemen. Sie bestätigen den Trend einer aktuell rückläufigen Bedeutung von Umweltthemen, der auch in anderen Studien zu beobachten ist.

Krisen und Konkurrenz der Themen

Die Ursachen dafür sehen die Autoren nicht in einem verringerten Gefahrenpotenzial, sondern in der Überlagerung durch andere gesellschaftliche Krisen: Energiepreise, Inflation, Kriege, Migration. Jürgen Klauber, Mitautor der Studie und scheidender Geschäftsführer des WIdO, sagt: „Die Sorgen der Menschen haben sich auf existenzielle wirtschaftliche Fragen verlagert, während Umweltfragen als weniger dringlich wahrgenommen werden – zumal die Medien angesichts anderer Krisen auch weniger über Umweltthemen berichten.

Hinzu komme die zunehmende Politisierung des Themas: „Auch die ideologische Aufladung gerade des Themas Klimawandel dürfte zu den Verschiebungen in der Wahrnehmung der Bevölkerung beitragen.

Sinkendes Gesundheitsbewusstsein trotz realer Belastung

Besorgniserregend sei vor allem, dass sich dieser Trend auch in der Einschätzung gesundheitlicher Risiken niederschlägt. 2020 gaben noch knapp 40 Prozent der Befragten an, sich durch Umweltverschmutzung stark oder sehr stark gesundheitlich belastet zu fühlen. Ende 2024 waren es nur noch 27 Prozent.

Auch das Wissen über die gesundheitlichen Gefahren der Luftverschmutzung scheint abzunehmen: Der Aussage, dass Luftverunreinigungen die körperliche und psychische Gesundheit in Deutschland gefährden, stimmten 2020 noch 68 Prozent zu. 2024 sind es nur noch 54 Prozent. „Obwohl wir in Deutschland trotz Einhaltung der Grenzwerte nach wie vor eine erhebliche Krankheitslast durch Schadstoffe in der Luft verzeichnen, sinkt das Bewusstsein für die Gefahren der Luftverschmutzung“, warnt Rabe.

Hitze wird bewusster wahrgenommen

Ein Teilaspekt allerdings sticht hervor: Die gesundheitlichen Belastungen durch sommerliche Hitzewellen werden zunehmend wahrgenommen. Rund ein Drittel der Befragten fühlt sich durch Hitze stark oder sehr stark beeinträchtigt. Besonders chronisch kranke Menschen nennen Hitzebelastung als drängendes Problem. In der Vorgängerbefragung 2021 war dieser Wert mit 25 Prozent noch deutlich niedriger. Zugleich zeigt sich eine Altersschere: Jüngere Menschen unter 30 Jahren machen sich signifikant häufiger Sorgen über den Klimawandel – mit einem Anteil von 81 Prozent. Bei älteren Menschen nimmt die Besorgnis deutlich ab.

Die Zukunft aus dem Blick verloren?

Auch der Blick in die Zukunft wirkt getrübt: Nur noch 64 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass Umweltverschmutzung und Schadstoffe die Gesundheit künftiger Generationen stark oder sehr stark belasten werden. 2020 lag dieser Wert noch bei 76 Prozent. Für Jürgen Klauber ein klares Warnsignal: „Insgesamt verzeichnen wir eine wachsende Diskrepanz zwischen der realen und wachsenden Gefährdung durch Klimawandel und Umweltveränderungen auf der einen Seite und einer Abnahme der wahrgenommenen gesundheitlichen Gefahren in der Bevölkerung andererseits.“ Sein Appell: „Um das Problembewusstsein in der Bevölkerung zu stärken, sollten die Menschen noch besser als bisher über Gesundheitsgefahren durch Umwelteinflüsse informiert werden.


Kurzinfo: WIdOmonitor zur Umweltwahrnehmung (2024)

  • Repräsentative Online-Befragung von 3.033 Personen über 18 Jahren
  • Durchgeführt im November 2024 vom Befragungsinstitut forsa
  • Vergleich mit Daten aus 2020 und 2021
  • Rückgang der Sorgen um Klimawandel (von 79 auf 66 Prozent)
  • Sinkende Wahrnehmung der Luftverschmutzung als Gesundheitsgefahr
  • Übertreibung von Umweltproblemen: Anstieg von 19 auf 29 Prozent
  • Zunahme der Sorge vor Hitze: von 25 (2021) auf 33 Prozent
  • 81 Prozent der unter 30-Jährigen machen sich Sorgen um den Klimawandel
  • Kluft zwischen realer Umweltgefahr und individueller Risikowahrnehmung

Originalstudie:

WIdO-Monitor 1/2025

Umweltbewusstsein im Wandel – gesundheitliche Risiken durch Umweltstressoren

https://www.wido.de/publikationen-produkte/zeitschriften/widomonitor/widomonitor-1-2025

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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