Die Welt ist doppelt ungerecht – ärmere Länder leiden nicht nur unter den Folgen des Klimawandels besonders stark, sie sind auch am stärksten von den daraus resultierenden Konflikten betroffen.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Die Welt ist nicht gerecht. Wer viel verschmutzt, bleibt oft verschont von den Folgen der eigenen Umweltschäden. Hingegen leiden gerade jene Länder am stärksten, die am wenigsten zu Klimawandel und Umweltzerstörung beitragen. Diese ernüchternde Bilanz zieht eine neue Studie, die zugleich aufzeigt, dass ökologische Probleme oft gewaltsame Konflikte begünstigen. Besonders betroffen: Staaten im globalen Süden.
Die Last tragen andere
Richard Marcantonio, Assistenzprofessor für Umwelt, Frieden und globale Angelegenheiten an der University of Notre Dame, und sein Forschungsteam haben untersucht, wie Umweltbelastungen und Konflikte zusammenhängen. Ihre Analyse erschien kürzlich in der Fachzeitschrift Communications Earth & Environment. Das Ergebnis zeigt eine doppelte Ungerechtigkeit: Industriestaaten, die den größten ökologischen Fußabdruck haben, bleiben überwiegend unversehrt, während ärmere Länder oft Opfer der globalen Klimafolgen und daraus resultierender Konflikte werden.
„Unsere Studie zeigt die Lücke in der bisherigen Forschung, wenn es darum geht, den Zusammenhang zwischen ökologischer Nachhaltigkeit und Frieden zu bewerten“, erklärt Marcantonio. „Das ist entscheidend für die Entwicklung evidenzbasierter Strategien, um globale Ungleichheiten anzugehen und die menschliche Würde zu unterstützen.“
Nachhaltigkeit und Frieden neu gedacht
Überraschend ist vor allem, dass frühere Studien oft von einer positiven Korrelation zwischen ökologischem Verhalten und Frieden ausgegangen waren. Doch diese Annahme hält einer genaueren Prüfung nicht stand. Marcantonios Team setzte erstmals ganzheitliche Maßstäbe ein, um Nachhaltigkeit und Frieden realitätsnah zu erfassen. So bezogen die Forschenden etwa den gesamten ökologischen Fußabdruck und die Beteiligung an innerstaatlichen Konflikten, die über Grenzen hinweg Schaden anrichten, mit ein.
Marcantonio hebt hervor, dass gerade soziale Normen und Institutionen eine wichtige Rolle bei der Verbindung zwischen Umwelt und Konflikten spielen. Umweltkrisen können bereits bestehende Konflikte verschärfen, indem sie etwa Ressourcenverteilungskämpfe verstärken und Bevölkerungen zur Flucht zwingen.
Gerechtigkeit innerhalb planetarer Grenzen
Letztlich betont die Studie die Dringlichkeit, globale Gerechtigkeit in Umweltfragen stärker ins Zentrum der internationalen Politik zu rücken. „Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, umfassend nachhaltigen Frieden zu erreichen“, sagt Marcantonio. „Obwohl wir festgestellt haben, dass ökologische Nachhaltigkeit und Frieden nicht automatisch Hand in Hand gehen, ist nachhaltiger Frieden dennoch erreichbar.“
Das Forschungsprojekt wurde von der University of Notre Dame und der University of Wyoming durchgeführt und vom Kroc Institute for International Peace Studies finanziert.
Die Herausforderung globaler Gleichheit
Die Schlussfolgerungen des Forschungsteams machen klar, wie dringlich politische Maßnahmen sind, die nicht nur Symptome bekämpfen, sondern grundlegende globale Ungleichheiten reduzieren. Ziel muss sein, Konfliktrisiken nicht mehr auf schwächere Länder abzuwälzen, sondern ein Modell nachhaltiger Entwicklung zu fördern, das weltweit funktioniert.
Marcantonio plädiert daher für eine strategische Neuausrichtung: „Künftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, wie nachhaltiger Frieden für alle geschaffen und langfristig gesichert werden kann, ohne Konfliktrisiken auszulagern.“ Denn nur durch einen solchen ganzheitlichen Ansatz ließen sich die Herausforderungen der Klimakrise und globaler Konflikte wirklich bewältigen.
Kurzinfo: Wer trägt die Folgen?
- Hauptverursacher von Umweltverschmutzung oft am wenigsten betroffen
- Länder des globalen Südens tragen unverhältnismäßig hohe Lasten
- Umweltzerstörung begünstigt gewaltsame Konflikte
- Frühere Studien überschätzten Nachhaltigkeit und Frieden in reichen Ländern
- Neue Forschung fordert evidenzbasierte Politik gegen globale Ungleichheit
- Ziel: nachhaltiger Frieden innerhalb planetarer Grenzen
Originalpublikation:
Richard (Drew) Marcantonio et al., „Environmental vulnerability and conflict occurrence are tightly related“, in: Communications Earth & Environment (24-Apr-2025)
DOI 10.1038/s43247-025-02300-6
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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