Von der ersten Fackel zur Klimakrise

Von der ersten Fackel zur Klimakrise

Schon im Mythos von Prometheus fängt mit dem göttlichen Geschenk des Feuers alles an – doch nicht nur für die Kulturgeschichte, auch für die Klimageschichte war die Beherrschung der Flammen tatsächlich ein entscheidender Moment. (Bild: Redaktion/PiPaPu)


Als unsere Vorfahren das Feuer zähmten, begann ein neues Kapitel in der Erdgeschichte – und vielleicht auch das erste Kapitel dessen, was heute als Anthropozän diskutiert wird. Denn der Umgang mit Feuer war mehr als ein technologischer Fortschritt: Er war ein Eingriff in die natürlichen Kreisläufe des Planeten. Eine neue Studie aus dem Fachjournal PNAS zeigt nun, wie früh der Mensch begann, Landschaften zu formen – nicht durch Maschinen oder Chemie, sondern durch Flammen.

Glutnester im Sediment

Die Spurensuche begann auf dem Meeresboden. Ein internationales Forschungsteam analysierte einen 300.000 Jahre alten Sedimentkern aus dem Ostchinesischen Meer. Eingeschlossen darin: winzige, verkohlte Pflanzenreste – sogenannte pyrogene Kohlenstoffe. Sie entstehen, wenn organisches Material unvollständig verbrennt, etwa bei Waldbränden oder Lagerfeuern. Die Überraschung: Vor etwa 50.000 Jahren nahm die Menge dieser Rückstände weltweit sprunghaft zu.

Diese Zunahme ist kein regionales Phänomen, sondern zeigt sich parallel auch in Europa, Südostasien und Australien. Die Forschenden verknüpfen das mit der rasanten Ausbreitung des modernen Menschen und einem zunehmend gezielten Einsatz von Feuer – etwa zur Jagd, zum Schutz vor Raubtieren oder zur Rodung von Flächen.

Unsere Ergebnisse stellen die verbreitete Vorstellung infrage, dass der Mensch erst in jüngster Vergangenheit, während der letzten Eiszeit und im anschließenden Holozän, zu einem geologischen Einflussfaktor wurde“, erklärt der korrespondierende Autor der Studie, Dr. Debo Zhao.

Feuer als Werkzeug der Evolution

Tatsächlich war das Feuer für den Homo sapiens ein entscheidender Überlebensvorteil. Es machte Nahrung bekömmlicher, schuf Schutzräume und half, sich an widrige Klimabedingungen anzupassen. Mehr noch: Es formte das Verhalten, die Ernährung und vermutlich auch das Sozialleben unserer Art. Die gezielte Nutzung von Feuer war ein Kulturmotor – aber eben auch ein ökologischer Eingriff.

Denn wer regelmäßig Buschland abbrennt oder Wälder lichtet, beeinflusst auch Bodeneigenschaften, Artenvielfalt und den Kohlenstoffkreislauf. Die neue Studie deutet darauf hin, dass dieser Einfluss viel älter ist als bislang gedacht – und dass der Mensch schon früh zu einem „Feuerwesen“ wurde, das nicht nur überlebt, sondern gestaltet.

Ein neuer Blick aufs Anthropozän

Für Stefanie Kaboth-Bahr von der Freien Universität Berlin, Mitautorin der Studie, ist das mehr als eine historische Erkenntnis. „Schon während der letzten Eiszeit hat der Mensch durch seine Nutzung von Feuer vermutlich begonnen, Ökosysteme und den globalen Kohlenstoffhaushalt aktiv mitzugestalten.

Was heute als Erdsystemwissenschaft diskutiert wird – die Rolle des Menschen im globalen Stoffhaushalt – hat demnach keine Wurzeln im Industriezeitalter, sondern im Zeitalter der Jäger und Sammler. Der Mensch wurde früh zum Mitspieler auf der geologischen Bühne. Und das, so die Forscherinnen und Forscher, hat Konsequenzen für unser Verständnis von Verantwortung und Wandel.

Afrika im Brennglas

Die Erkenntnisse bilden zugleich den Auftakt eines neuen, von der DFG geförderten Forschungsprojekts unter Leitung von Kaboth-Bahr: In Ostafrika, der Wiege der Menschheit, sollen die Feuerarchive der letzten 600.000 Jahre entschlüsselt werden. Dabei geht es nicht nur um geologische Spuren, sondern auch um die kulturellen und ökologischen Dimensionen des Feuers.

Das Projekt bringt Forschende aus Berlin und Äthiopien zusammen – ein Ansatz, der auch strukturell Zeichen setzt: Kaboth-Bahr wird in den kommenden Jahren als Henriette-Herz-Scoutin der Humboldt-Stiftung afrikanische Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler fördern. Das Ziel: die Feuergeschichte Afrikas langfristig und eigenständig erforschen zu lassen.


Kurzinfo: Feuer, Mensch und Klima – wichtige Fakten
Frühzeitlicher Einfluss: Menschen nutzten bereits vor 50.000 Jahren Feuer in großem Stil.
Globale Parallelen: Die erhöhte Feueraktivität zeigt sich zeitgleich in Asien, Europa, Australien.
Pyrogene Kohlenstoffe: Rückstände verbrannter Pflanzen dienen als Indikatoren für historische Feuer.
Feuer als Werkzeug: Es diente der Ernährung, dem Schutz und der Umweltgestaltung.
Kohlenstoffkreislauf: Frühe Feuer beeinflussten schon damals globale Klimaprozesse.
Neues Projekt: Erforschung der Feuervergangenheit Ostafrikas durch DFG und Humboldt-Stiftung.
Blick aufs Anthropozän: Der Mensch formte die Erde möglicherweise schon viel früher als gedacht.


Originalpublikation:
Shoushu Jiang et al.,
„Onset of extensive human fire use 50,000 years ago“,
in: PNAS 122 (27),
DOI: 10.1073/pnas.2500042122

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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