Klassische Lichtübertragung setzt auf die Intensität des Signals – hell oder dunkel, an oder aus. Beim neuen optischen Chip nutzen kanadische Forscher nun zusätzlich die Phase des Lichts, also den Zeitpunkt der Wellenbewegung, um Informationen zu kodieren.
(Bild: Nature Photonics)
Einmal schnell einen KI-Datensatz hochladen – das dauert heute mitunter Stunden, kostet Rechenzeit und verbraucht viel Strom. Doch künftig könnte genau das in der Zeitspanne eines Kaffeekochens möglich sein. Forschende der Universität Laval im kanadischen Québec haben einen optischen Chip entwickelt, der massive Datenmengen mit Licht überträgt – und zwar hundertfach schneller als bisherige Systeme.
Nicht nur die Geschwindigkeit ist beeindruckend. Der Energieverbrauch ist so gering, dass selbst ein Espresso mehr Hitze erzeugt. Der Durchbruch, veröffentlicht im Fachjournal Nature Photonics, verspricht eine erhebliche Effizienzsteigerung bei der Entwicklung und Anwendung Künstlicher Intelligenz.
Phase statt nur Intensität
Was unterscheidet diesen Chip von konventioneller Glasfasertechnik? Klassische Lichtübertragungen setzen auf die Intensität des Signals – hell oder dunkel, an oder aus. Das neue System nutzt zusätzlich die Phase des Lichts, also den Zeitpunkt der Wellenbewegung, um Informationen zu kodieren. Dadurch lässt sich pro Lichtimpuls deutlich mehr Inhalt übertragen.
„Wir springen von 56 Gigabit pro Sekunde auf 1.000 Gigabit pro Sekunde“, so beschreibt der Erstautor der Studie, Doktorand Alireza Geravand, den Leistungszuwachs. Möglich wird das durch sogenannte Mikroring-Modulatoren – winzige Silizium-Ringe, die Licht manipulieren und so Daten codieren können. Zwei Paare solcher Ringe kommen zum Einsatz: eines für die Intensität, eines für die Phase.
Datentransfer in Rekordzeit
Wirklich eindrucksvoll wird die Innovation, wenn man sie in Relation setzt. Die Übertragungsrate entspricht laut Geravand dem Transfer von mehr als 100 Millionen Büchern in unter sieben Minuten. „Das ist etwa die Zeit, die man braucht, um eine Tasse Kaffee zu kochen“, sagt er – und ergänzt: „Der Energieverbrauch liegt bei vier Joule – das reicht gerade mal aus, um einen Milliliter Wasser um ein Grad Celsius zu erhitzen.“
Für KI-Anwendungen bedeutet das einen echten Quantensprung. Denn deren Trainingsdaten umfassen häufig Millionen von Bildern, Texten oder Zahlenkolonnen – und müssen zwischen Hunderten von Prozessoren hin- und hergeschoben werden.
Mini-Chip für Mega-Zentren
In heutigen Rechenzentren nehmen diese Datenströme gigantische Ausmaße an. Die beteiligten Prozessoren, obwohl selbst nur millimetergroß, summieren sich zu Anlagen, die sich über ganze Hallen erstrecken – inklusive massiver Energie- und Kühlkosten. „Man landet am Ende bei einem System, das kilometerlang ist“, erklärt Geravand.
Hier kommt der neue Chip ins Spiel: Indem er Kommunikation auf Lichtbasis über kürzeste virtuelle Distanzen ermöglicht, lässt sich das System nicht nur verkleinern, sondern auch effizienter gestalten. Denkbar ist etwa, dass die Prozessoren künftig so miteinander kommunizieren, als lägen sie nur wenige Meter auseinander.
Industrie in den Startlöchern
Schon heute experimentieren Unternehmen wie NVIDIA mit Mikroring-Technologie, bislang jedoch beschränkt auf die Lichtintensität. Die zusätzliche Nutzung der Phase eröffnet nun ganz neue Möglichkeiten. Und auch wenn die Technologie noch nicht marktreif ist, zeigt sich das Forschungsteam optimistisch.
„Vor zehn Jahren haben wir die Grundlagen gelegt. Heute bringen wir das Konzept auf ein neues Level“, so Geravand. „Vielleicht zieht die Industrie bald nach – und dann könnte unsere Technologie Realität werden.“
Kurzinfo – Der neue Chip in Stichpunkten
- Was? Optischer Mikrochip für ultraschnellen Datentransfer
- Wer? Forschungsteam am Centre for Optics, Photonics and Lasers (COPL), Universität Laval (Kanada)
- Wie schnell? Bis zu 1.000 Gigabit pro Sekunde – rund 18-mal schneller als heutige Standards
- Wie energieeffizient? Nur 4 Joule pro Übertragung – genug, um 1 ml Wasser um ein Grad zu erhitzen
- Wie funktioniert’s? Nutzung von Lichtintensität und Lichtphase zur Datenkodierung
- Wozu? Effizientere Kommunikation in KI-Rechenzentren, potenziell auch in Cloud- und Supercomputing
- Veröffentlichung: Nature Photonics, Juni 2025
- Ausblick: Kommerzialisierung innerhalb weniger Jahre möglich
Originalpublikation:
Alireza Geravand et al.,
„Ultrafast coherent dynamics of microring modulators“,
in: Nature Photonics (3-Jun-2025)
DOI: 10.1038/s41566-025-01686-1//
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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