Nachträgliche Maßnahmen sind ohnehin nur die zweitbeste Lösung beim Klimaschutz – doch gerade die Speicherung von Kohlendioxid scheint zudem auch nur sehr begrenzte Wirkung zu haben.
(Bild: Redaktion/PiPapu)
Es klingt nach einer simplen Formel: Kohlendioxid, das die Erdatmosphäre aufheizt, wird zurück in den Boden gedrückt – und der Klimawandel verliert an Wucht. Doch eine neue Studie zeigt: Das Versprechen der fast grenzenlosen unterirdischen CO₂-Speicherung ist trügerisch. Statt einer Abkühlung um sechs Grad, wie frühere Schätzungen suggerierten, liegt das realistische Potenzial bei nur 0,7 Grad.
Von der Hoffnung zur Ernüchterung
Das Internationale Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien hat gemeinsam mit internationalen Partnern erstmals sichere und praktisch nutzbare Speicherstätten kartiert. Dabei wurde nicht nur auf das technische Volumen geschaut, sondern auch auf Risiken: Leckagen, Erdbeben, Grundwassergefährdung oder Nähe zu Städten. So schrumpft die Speicherkapazität dramatisch – von industriellen Schätzungen von rund 14.000 Gigatonnen auf etwa 1.460 Gigatonnen Kohlendioxid.
„Mit dieser Studie können wir schließen, dass Kohlenstoffspeicherung als erschöpfbare Ressource betrachtet werden sollte, die verantwortungsvolles Management erfordert. Es müssen harte Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Länder, Sektoren und Generationen sie nutzen dürfen“ erklärt Studienleiter Matthew Gidden.
Grenzen eines Wundermittels
Unterirdische Speicherung galt lange als Joker im Kampf gegen die Erderhitzung. Doch die Analyse in Nature zeigt, dass selbst die volle Nutzung sicherer Speicherstätten nicht ausreicht, um die Pariser Klimaziele allein damit zu sichern. Das CO₂, das seit Jahrhunderten aus Schornsteinen und Motoren entweicht, lässt sich nicht ohne Weiteres „zurückspulen“. Selbst wenn Temperaturen wieder sinken, könnte das Klimasystem instabil bleiben.
„Diese Studie sollte ein Wendepunkt sein. Geologische Speicher dürfen nicht als unbegrenzte Lösung betrachtet werden, sondern als knappe Ressource, die verantwortungsvoll eingesetzt werden muss. Sie sollte nicht dazu dienen, vermeidbare Emissionen alter Technologien schönzurechnen“ betont Mitautor Joeri Rogelj vom Grantham Institute.
Globale Karten, ungleiche Chancen
Die Forschenden untersuchten Sedimentbecken weltweit, geologische Formationen, in denen sich Sand und Schlamm über Millionen Jahre abgelagert haben. In vielen davon lagern fossile Brennstoffe – und theoretisch ließe sich dort auch CO₂ einschließen. Doch die Verteilung ist ungleich: Länder wie die USA, Russland oder Australien verfügen über große sichere Speicherkapazitäten, während in Indien oder der EU ein erheblicher Teil der potenziellen Lagerflächen durch Risiken wegfällt.
Diese Schieflage wirft Fragen nach Gerechtigkeit auf. „Das ist nicht nur ein technisches Problem. Es geht um Gerechtigkeit zwischen Generationen und Nationen. Länder, die historisch am meisten emittiert haben, besitzen auch die größten Speicherpotenziale – sie müssen zeigen, dass sie damit verantwortungsvoll umgehen“ sagt Koautor Siddharth Joshi vom IIASA.
Politische Weichenstellungen
Die Ergebnisse setzen Klimapolitikern unter Druck. Manche Szenarien des Weltklimarats (IPCC) würden die sicheren Speicher schon vor 2100 überschreiten, fast alle bis 2200. Das heißt: Selbst mit massiver CO₂-Speicherung bleibt ohne schnelle Emissionsminderung kaum Spielraum. Der neue IIASA-Atlas bietet Entscheidungsträgern nun ein Instrument, um national und international besser zu planen.
„CO₂-Speicherung wird oft als Ausweg aus der Klimakrise dargestellt. Unsere Ergebnisse zeigen: Es ist nur ein begrenztes Werkzeug. Wer die Pariser Klimaziele ernst meint, muss Emissionen rasch senken und Carbon Storage klug einsetzen – nicht verschwenderisch“ so Gidden.
Eine knappe Ressource, ein langer Atem
Die Studie macht klar: Der Untergrund ist kein Fass ohne Boden. Sicherer Speicherplatz ist ein rares Gut, das über Generationen hinweg reichen muss. Wer ihn für vermeidbare Emissionen nutzt, verbaut künftigen Generationen Optionen. Die Pointe: Kohlenstoffspeicherung mag Teil der Lösung sein – doch nur, wenn sie nicht als bequeme Ausrede missverstanden wird, um heute weiterzumachen wie bisher.
Kurzinfo: CO₂-Speicherung im Untergrund
- Neue Studie unter Leitung des IIASA, publiziert in Nature
- Sicher nutzbare Speicherkapazität: ca. 1.460 Gigatonnen CO₂
- Potenzial: Senkung der Erwärmung um max. 0,7 Grad Celsius
- Frühere Schätzungen: bis zu 6 Grad – ohne Risikoabwägung
- Risiken: Erdbeben, Grundwasserverunreinigung, Leckagen
- Verteilung ungleich: USA, Russland, Australien mit großem Potenzial
- EU, Indien, Kanada verlieren durch Risiken viel Kapazität
- 70 Prozent an Land, 30 Prozent Offshore-Speicher
- Politische Konsequenz: Ressource ist knapp und endlich
- Botschaft: Speicher nur sinnvoll mit raschen Emissionsreduktionen
Originalpublikation:
Gidden, M.J. et al.,
A prudent planetary limit for geologic carbon storage,
in: Nature (3-Sep-2025)
DOI: 10.1038/s41586-025-09423-y
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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