Fühlen ohne Grenzen: flexible Hautsensoren verbinden virtuelle und reale Welt

Fühlen ohne Grenzen: flexible Hautsensoren verbinden virtuelle und reale Welt

Taktile Rückmeldungen des Wearable-Interface ermöglichen es einem sehbeeinträchtigten Nutzer, ein Zielobjekt zu finden – in diesem Fall eine Orange auf einem Tisch mit anderem Obst und Besteck.

(Bild: Carnegie Mellon University College of Engineering)


Eine Golfpartie auf dem virtuellen Green, das Aufhängen eines Bildes im Wohnzimmer oder das Ertasten von Gegenständen mit verbundenen Augen – all das könnte künftig durch ein kaum sichtbares Stück Technik unterstützt werden. Forschende der Carnegie Mellon University haben ein haptisches Interface entwickelt, das direkt auf der Haut getragen wird. Ihr Ziel: Technologie so unauffällig zu gestalten, dass sie nicht ablenkt, sondern unser Gespür für die Welt erweitert.

Technik, die kaum spürbar ist

Das Team um Carmel Majidi, Professor für Maschinenbau und Leiter des Soft Machines Lab, beschreibt das neue Interface in Nature Electronics. Es ist drahtlos, leicht, flexibel und kaum größer als ein Fingerhut. Ein spezieller Formgedächtnislegierungs-Aktor sorgt für elf unterschiedliche Bewegungen, die auf der Haut spürbar werden. Ein Epoxid-Schutz trennt das Bauteil von der Haut, damit keine Hitze übertragen wird.

Wir bauen eine Technologie, die praktisch unsichtbar ist. Sie soll uns unterstützen, ohne abzulenken, keinen hohen kognitiven Aufwand verlangen und uns nicht von anderen Aufgaben abhalten, die unsere volle Aufmerksamkeit erfordern“, erklärt Majidi.

Virtuelle Realität wird greifbarer

Besonders eindrucksvoll zeigte sich die Wirkung des Interfaces in Kombination mit einer VR-Brille. Wer die Hautsensoren trug, konnte virtuelle Objekte nicht nur sehen, sondern auch fühlen. Damit verschwimmt die Grenze zwischen digitaler Simulation und physischer Erfahrung – ein entscheidender Schritt für immersive Anwendungen in Gaming, Medizin oder Ausbildung.

Normalerweise braucht man mehrere Aktoren, um verschiedene Bewegungen darzustellen. Uns ist es gelungen, mit nur einem Aktor eine sehr reiche taktile Rückmeldung zu erzeugen. Das macht das Gerät robuster und vielseitiger“, so Majidi.

Alltagshelfer für präzise Aufgaben

Die Forschenden wollten das Interface aber nicht auf virtuelle Spielewelten beschränken. In einem Versuch half es dabei, ein Bild aufzuhängen: Statt ungenauer Zurufe wie „höher!“ oder „weiter links!“ übermittelte das Gerät gezielte Tapsignale. So wurde eine alltägliche Tätigkeit deutlich effizienter.

Auch im Test mit verbundenen Augen bewies der Sensor seine Stärke. Durch subtile Impulse lotste er den Nutzer zu bestimmten Objekten auf einem Tisch. Für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen könnte dies ein wertvoller Schritt zu mehr Selbstständigkeit sein.

Universell verständliche Impulse

Die Stärke der Technologie liegt nicht nur in ihrer Miniaturisierung, sondern auch in ihrer Verständlichkeit. Tastsignale überwinden Sprach- und Kulturbarrieren, sie sind direkt und intuitiv.

Die Skalierbarkeit, Vielseitigkeit, schnelle Reaktionszeit, Unauffälligkeit und die Fähigkeit, Sprachgrenzen zu überwinden, machen unser haptisches Interface zu einer universell zugänglichen Lösung“, betont Majidi.

Damit rückt ein Szenario näher, in dem Technik nicht mehr als Fremdkörper wirkt, sondern wie ein zweiter Sinn in den Alltag integriert ist.

Ausblick auf Mensch-Maschine-Schnittstellen

Noch stehen die Forschenden am Anfang. Doch sie haben klare Visionen: Ein Chirurg könnte in Zukunft durch haptische Signale unterstützt werden, ein Musiker könnte einem Roboter beibringen, ein Instrument zu spielen – oder umgekehrt. Anwendungen reichen von der Industrie über die Rehabilitation bis zur Interaktion mit künstlicher Intelligenz.


Kurzinfo: Hautnahes Haptik-Interface

  • Entwickelt von Forschenden am Soft Machines Lab der Carnegie Mellon University
  • Größe: etwa wie ein Fingerhut, flexibel, kabellos, leicht
  • Technik: Formgedächtnislegierung-Aktor, elf unterschiedliche Bewegungen
  • Schutzschicht verhindert Hitzeübertragung auf die Haut
  • Einsatzfelder: Virtual Reality, Alltagsunterstützung, Hilfen für Sehbehinderte
  • Vorteile: unauffällig, universell verständlich, sprachunabhängig
  • Potenzial: von Gaming über Medizin bis zur Mensch-Maschine-Interaktion
  • Vision: Haptik als intuitiver, zweiter Sinn für Mensch und Maschine
  • Ziel: Technologie, die unterstützt, ohne zu stören

Originalpublikation:

Carmel Majidi et al.,

A flexible skin-mounted haptic interface for multimodal cutaneous feedback,

in: Nature Electronics (2-Sep-2025)

DOI: 10.1038/s41928-025-01443-w

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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