Der Unterschied liegt bei 0,34 Watt pro Quadratmeter bei der aufgenommenen Sonnenstrahlung. Das klingt nach wenig – doch hochgerechnet auf die Fläche der Nordhalbkugel entspricht es einer enormen zusätzlichen Energiemenge
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Unser blauer Planet mag auf Satellitenbildern für das menschliche Auge so aussehen wie immer. Doch eine neue Studie zeigt jetzt: Die Erde reflektiert messbar weniger Sonnenlicht als noch vor ein paar Jahrzehnten, und nimmt dadurch mehr Wärmeenergie auf. Besonders die Nordhalbkugel wird dunkler, und das hat Auswirkungen: denn die Strahlungsbilanz der Erde steuert das Klima, sie hat Einfluss auf Winde, Niederschläge und Ozeane – und damit für das Leben von Milliarden Menschen.
Symmetrie, die ins Wanken gerät
Lange war es eine Selbstverständlichkeit: Die Erde reflektiert im Durchschnitt gleich viel Sonnenlicht auf beiden Hemisphären. Diese Symmetrie in der sogenannten Albedo galt als fast fundamentale Eigenschaft des Klimasystems. Neue Daten der NASA-Satellitenmission CERES, ausgewertet über 24 Jahre, stellen diese Gewissheit nun infrage.
In einer aktuellen Studie betonen die Forschenden: „Beide Hemisphären werden dunkler, doch die Nordhalbkugel verändert sich deutlich schneller. Damit wird die bisherige Symmetrie gebrochen.“ Der Unterschied liegt im Bereich von 0,34 Watt pro Quadratmeter bei der aufgenommenen Sonnenstrahlung. Das klingt nach wenig – doch hochgerechnet auf die Fläche der Nordhalbkugel entspricht es einer enormen zusätzlichen Energiemenge, die das Klimasystem antreibt.
Die Ursachen im Detail
Das Dunklerwerden der Erde hat mehrere Gründe. Aerosole aus Industrie und Verkehr, die das Sonnenlicht streuen, nehmen ab – die Atmosphäre reflektiert also weniger Strahlung. Gleichzeitig schmilzt Eis in Arktis und Gebirgen, wodurch helle Flächen verschwinden und dunkleres Wasser oder Gestein mehr Energie aufnimmt. Auch mehr Wasserdampf in der Luft verstärkt den Effekt.
Wolken, lange als ausgleichender Faktor betrachtet, zeigen widersprüchliche Trends: In den Tropen werden sie dichter, in höheren Breiten eher schwächer. Die Forschenden stellen aber fest: „Wolken gleichen die Unterschiede nicht vollständig aus. Unsere Beobachtungen deuten auf Grenzen dieser Kompensationsmechanismen hin.“
Folgen für Ozeane und Winde
Die Strahlungsbilanz ist kein Nebenschauplatz, sondern die Grundlage für globale Zirkulation. Normalerweise transportieren Luft- und Meeresströmungen Energie von der Süd- zur Nordhalbkugel, um Ungleichgewichte auszugleichen. Doch wenn der Norden mehr Energie speichert, könnten diese Strömungen aus dem Takt geraten.
Beobachtungen deuten bereits auf Verschiebungen hin: Sturmzonen wandern polwärts, die Innertropische Konvergenzzone, jener Regen- und Wolkengürtel nahe des Äquators, verengt sich. Solche Veränderungen beeinflussen Monsune in Asien oder Regenmuster in Afrika – mit erheblichen Folgen für Landwirtschaft und Wasserversorgung.
Unsicherheit in den Prognosen
Klimamodelle versuchen abzuschätzen, wie stark die Asymmetrie noch werden kann. Doch die Ergebnisse schwanken: Manche Modelle sehen Grenzen, andere erwarten ein weiteres Auseinanderdriften. Die Unterschiede sind groß, die Richtung jedoch eindeutig.
Für die Politik ergibt sich daraus ein Dilemma: Handeln muss sie auch bei unsicheren Zahlen. Je länger die Erde im Norden dunkler wird, desto mehr Energie bleibt im System. Das könnte Extremwetter verstärken – von Hitzewellen bis zu Starkregen. Der unscheinbare Wert von 0,34 Watt pro Quadratmeter ist also ein leiser Hinweis auf künftige, laute Folgen.
Ein leiser, aber deutlicher Weckruf
Das Dunklerwerden der Erde ist kein plötzliches Ereignis, sondern ein schleichender Prozess. Gerade deshalb gilt es als Frühwarnsignal. Ähnlich wie das Schmelzen der Gletscher oder das Steigen des Meeresspiegels erzählt es vom tiefgreifenden Wandel im Klimasystem.
Kurzinfo: Erde wird dunkler – Kernergebnisse der Studie
- Neue Satellitendaten der Mission CERES ausgewertet
- Nordhalbkugel absorbiert 0,34 Watt pro Quadratmeter mehr Sonnenenergie pro Jahrzehnt
- Albedo-Symmetrie der Erde bricht erstmals sichtbar auf
- Ursachen: weniger Aerosole, Eis- und Schneeschwund, mehr Wasserdampf
- Wolken kompensieren Unterschiede nur teilweise
- Auswirkungen auf globale Zirkulation und Meeresströmungen möglich
- Sturmzonen verschieben sich, tropische Regenzonen verändern sich
- Folgen für Landwirtschaft, Wasserressourcen und Extremwetter
- Klimamodelle uneins über Obergrenze der Asymmetrie
- Studie von Norman G. Loeb et al., veröffentlicht in PNAS September 2025
Originalpublikation:
Norman G. Loeb et al.,
Emerging hemispheric asymmetry of Earth’s radiation,
in: PNAS September 29, 2025 122 (40) e2511595122
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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