Der schwarze Ring und der zentrale Punkt zeigen das Infrarotbild einer fernen Galaxie, deren Licht durch eine Gravitationslinse verzerrt wird. Orange und Rot markieren Radiowellen desselben Objekts. Die Einblendung zeigt eine kleine Einbuchtung – verursacht durch eine weitere, deutlich kleinere dunkle Gravitationslinse (weißer Fleck).
(Bild: Devon Powell, Max Planck Institute for Astrophysics)
Kurzinfo: Rätsel aus dem frühen All
- Entdeckung des masseärmsten dunklen Objekts bisher
- Rund eine Million Sonnenmassen schwer
- Gefunden über den Gravitationslinseneffekt
- Beobachtung durch globales Radioteleskop-Netzwerk (GBT, VLBA, EVN)
- Möglicherweise ein Klumpen aus Dunkler Materie
- Alternativ: kompakte, inaktive Zwerggalaxie
- Stützt die Theorie der „Kalten Dunklen Materie“
- Beteiligung: Max-Planck-Institut für Astrophysik, UC Davis, Universität Groningen
- Weitere Beobachtungen sollen Aufschluss geben
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Im endlosen Schwarz zwischen den Galaxien befindet sich etwas, das sich bisher jeder Beschreibung entzieht. Kein Licht verrät seine Existenz, keine Strahlung dringt von ihm zu uns. Und doch ist es da – spürbar durch seine Schwerkraft. Astronominnen und Astronomen haben jetzt ein solches „unsichtbares“ Objekt entdeckt, das leichter ist als jedes zuvor bekannte seiner Art.
Mit einem Netzwerk aus Radioteleskopen rund um den Globus gelang es ihnen, eine winzige Verzerrung des Lichts zu messen – verursacht durch einen fernen dunklen Körper, der etwa eine Million Sonnenmassen besitzt. Das klingt nach viel, ist im kosmischen Maßstab aber fast nichts. Die Entdeckung könnte helfen, den Ursprung der Dunklen Materie besser zu verstehen – jener mysteriösen Substanz, die rund ein Viertel des Universums ausmacht.
Ein Knick im kosmischen Spiegel
Gefunden wurde das Objekt nicht durch Licht, sondern durch seine Schwerkraft. Sie krümmt das Licht anderer, weiter entfernter Galaxien, ein Effekt, den Forschende als Gravitationslinseneffekt bezeichnen. In diesem Fall war die Verzerrung besonders fein – wie eine Delle in einem Zerrspiegel.
„Es ist eine beeindruckende Leistung, ein derart massearmes Objekt in so großer Entfernung zu entdecken“, sagt Chris Fassnacht, Physiker und Astronom an der University of California in Davis. „Das Auffinden solcher Objekte ist entscheidend, um die Natur der Dunklen Materie zu verstehen.“
Die neue Entdeckung markiert einen Meilenstein: Noch nie zuvor wurde mit dieser Methode ein Objekt von so geringer Masse aufgespürt.
Ein Klumpen Dunkler Materie – oder eine tote Galaxie?
Was genau die Forschenden da gefunden haben, wissen sie selbst noch nicht. Es könnte sich um einen winzigen Klumpen aus Dunkler Materie handeln – hundertmal kleiner als alle bisher bekannten Strukturen dieser Art. Ebenso denkbar ist, dass es eine extrem kompakte, inaktive Zwerggalaxie ist.
Diese Ungewissheit macht den Fund so spannend: Sollte sich bestätigen, dass Dunkle Materie in solch kleinen „Ballen“ existieren kann, wäre das ein Hinweis darauf, dass die populäre „Cold Dark Matter“-Theorie richtig liegt.
„Angesichts der Empfindlichkeit unserer Daten hatten wir erwartet, mindestens ein dunkles Objekt zu finden“, erklärt Devon Powell vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. „Unsere Entdeckung stimmt mit der sogenannten Kalt-Dunkle-Materie-Theorie überein, auf der ein Großteil unseres Verständnisses der Galaxienentstehung beruht.“
Ein Teleskop so groß wie die Erde
Für die Beobachtungen nutzte das Team eine beispiellose Kombination von Radioteleskopen: das Green-Bank-Teleskop in West Virginia, das Very Long Baseline Array auf Hawaiʻi sowie das europäische Netzwerk EVN, das Instrumente in Europa, Asien, Südafrika und Puerto Rico vereint.
Gemeinsam bildeten sie ein virtuelles Riesenteleskop von der Größe der Erde – empfindlich genug, um die subtilen Spuren der Gravitationsverzerrung zu erkennen. Die Messungen zeigen, dass diese Methode künftig genutzt werden kann, um noch mehr solcher Objekte aufzuspüren.
Kosmische Spurensuche geht weiter
Der Fund ist erst der Anfang. Die Forschenden wollen nun weitere Regionen des Himmels untersuchen und herausfinden, ob ähnliche Objekte existieren – und falls ja, in welcher Zahl.
„Nachdem wir eines gefunden haben, lautet die Frage nun, ob wir noch mehr entdecken können und ob die Zahlen weiterhin mit unseren Modellen übereinstimmen“, so Powell.
Je mehr dieser winzigen, dunklen Objekte identifiziert werden, desto besser lässt sich rekonstruieren, wie sich das Universum formte – und welche Rolle die Dunkle Materie dabei spielte. Denn obwohl sie unsichtbar ist, bestimmt sie, wo Galaxien entstehen, wie sie sich anordnen und wie sich das kosmische Netz durch die Leere spannt.
Originalpublikation:
Chris Fassnacht et al.,
A million-solar-mass object detected at a cosmological distance using gravitational imaging
In: Nature Astronomy (9-Oct-2025)
DOI: 10.1038/s41550-025-02651-2
Über den Autor / die Autorin

- Robo-Journalistin Siri Stjärnkikare betreut das Raumfahrt- und Astronomie-Ressort von Phaenomenal.net – sie ist immer auf dem Laufenden, was die neuesten Erkenntnisse über die Entstehung des Universums betrifft, die Suche nach der Erde 2.0 oder die nächste Mond- oder Mars-Mission.
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