Farblose Mehrschicht-Folie verwandelt Fenster in unsichtbare Solarkraftwerke

Farblose Mehrschicht-Folie verwandelt Fenster in unsichtbare Solarkraftwerke

Die farblose Mehrschichtfolie nutzt Flüssigkristallfilm, um polarisiertes Sonnenlicht zu reflektieren und zu leiten – und ermöglicht so am Rand des Fensters die diskrete Energiegewinnung für die nächste Generation grüner Gebäude.

(Bild: Center for Liquid Crystal and Photonics/ Nanjing University)


Ein Blick nach draußen – und zugleich ein Schritt in die Energiezukunft. Was bisher kaum vereinbar schien, haben Forschende der Nanjing University möglich gemacht: Fenster, die vollkommen klar bleiben und dennoch Strom erzeugen. Die Innovation trägt den Namen „colorless unidirectional solar concentrator“ (CUSC) und könnte Gebäude in dezente, unsichtbare Solarkraftwerke verwandeln.

Klarheit statt Verzerrung

Bisherige Ansätze für transparente Solarfenster litten unter zwei Nachteilen: Sie verfälschten den Blick und waren kaum effizient. Lumineszenz-basierte Systeme oder Streuverfahren führten zu Farbverschiebungen, trübten die Durchsicht und erreichten nur geringe Wirkungsgrade. Der neue CUSC hingegen setzt auf eine besondere Struktur aus cholesterischen Flüssigkristall-Schichten.

Indem wir die Struktur der Flüssigkristallfilme gezielt gestalten, erzeugen wir ein System, das zirkular polarisiertes Licht selektiv beugt und in die Glasschicht leitet,“ erklärte Studienautor Dewei Zhang. „So lässt sich bis zu 38,1 Prozent der einfallenden grünen Lichtenergie an der Fensterkante sammeln.

Die Technik führt das Sonnenlicht unsichtbar zu Photovoltaik-Zellen am Fensterrand. Der Blick durchs Glas bleibt unverändert: Die Transparenz liegt bei 64,2 Prozent, der Farbwiedergabeindex bei 91,3 – Werte, die fast Standardfenstern entsprechen.

Strom am Fensterrahmen

Im Versuch konnte ein winziges CUSC-Fenster von nur einem Zoll Durchmesser bereits einen kleinen Ventilator betreiben. Hochgerechnet auf eine Glasfläche von zwei Metern Breite würde das System das Sonnenlicht fünfzigfach konzentrieren. Der Clou: Dadurch sinkt der Bedarf an teuren Solarzellen um bis zu 75 Prozent.

Weil sich die Technik mit hocheffizienten Materialien wie Galliumarsenid kombinieren lässt, eröffnen sich zusätzliche Spielräume. Gebäude könnten damit einen erheblichen Teil ihres Energiebedarfs selbst decken, ohne Dachflächen oder Fassaden zu verschandeln.

Produktionsreif dank Rollenverfahren

Die Mehrschichtfolien entstehen durch Fotoausrichtung und Polymerisation – Prozesse, die sich über rollende Produktionsanlagen im industriellen Maßstab herstellen lassen. Stabilitätstests zeigen, dass die Beschichtung auch bei langfristiger Sonneneinstrahlung funktionsfähig bleibt.

Das CUSC-Design ist ein Fortschritt in der Integration von Solartechnik in die gebaute Umwelt, ohne dass dabei die Ästhetik leidet“ betonte Projektleiter Wei Hu. „Es ist eine praktische und skalierbare Strategie für weniger Emissionen und mehr Energieautarkie.

Das Verfahren erlaubt zudem die Nachrüstung bestehender Gebäude. Aus gläsernen Hochhausfassaden könnten so unauffällig Solarkraftwerke werden – eine Vision, die Architekten und Stadtplaner weltweit interessieren dürfte.

Fenster als Stromquelle im Alltag

Neben Büro- und Wohngebäuden denken die Forschenden an weitere Einsatzfelder: Gewächshäuser könnten mit klaren Solarfenstern ausgestattet werden, ohne dass die Pflanzen weniger Licht erhalten. Auch transparente Displays mit integrierter Energieversorgung sind vorstellbar.

Die Kombination aus Funktionalität und Unauffälligkeit macht die Technologie besonders attraktiv für Städte. Glasflächen, die bisher reine Energieverbraucher waren, würden selbst zu Erzeugern. Damit könnte die urbane Energiewende wortwörtlich an der Fensterfront beginnen.


Kurzinfo: Farblose Solarfenster

  • Technologie: „Colorless Unidirectional Solar Concentrator“ (CUSC), entwickelt an der Nanjing University
  • Funktionsweise: Lenkt Sonnenlicht über Flüssigkristall-Schichten unsichtbar zum Fensterrand, wo Solarzellen installiert sind
  • Transparenz: 64,2 Prozent Lichtdurchlässigkeit, 91,3 Farbwiedergabeindex
  • Effizienz: Konzentration bis zu 50-fach, 75 Prozent weniger PV-Zellen nötig
  • Prototyp: 1-Zoll-Modell betrieb kleinen Ventilator mit Sonnenlicht
  • Produktion: Skalierbar durch Rollenverfahren, beständig gegen Langzeit-Belastung
  • Anwendungen: Bürogebäude, Wohnungen, Gewächshäuser, transparente Displays
  • Vorteile: Stromerzeugung ohne optische Verzerrung, Nachrüstung möglich
  • Ökologischer Nutzen: Beitrag zu CO₂-Reduktion und Energieautarkie im urbanen Raum


Originalpublikation:

Dewei Zhang et al.,

Colorless and Unidirectional Diffractive-type Solar Concentrators Compatible with Existing Windows,

in: PhotoniX (28-Jul-2025)

DOI 10.1186/s43074-025-00178-3

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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