Extremhitze in Europa wird zum Langzeit-Phänomen

Extremhitze in Europa wird zum Langzeit-Phänomen

Besonders der Süden Europas wird dauerhaft zum Hitze-Hotspot, warnen Hamburger Klima-Forscher: Ausnahmsommer wie 2023 könnten zum Standard werden – für Jahrhunderte.

(Bild: UHH/Thomas Wasilewski)


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Ein Hitzetag jagt den nächsten, Thermometer klettern über 40 Grad, und das nicht nur im Süden. Was sich heute wie Ausnahme anfühlt, wird in naher Zukunft wohl zur neuen Regel – für sehr lange Zeit. Eine neue Langzeitstudie des Exzellenzclusters CLICCS der Universität Hamburg und des Max-Planck-Instituts für Meteorologie blickt tausend Jahre in die Zukunft und warnt eindringlich: Was wir heute unterlassen, entscheidet über das Klima für kommende Generationen.

Die Hitze bleibt – auch ohne neue Emissionen

Ein überraschendes Ergebnis der Studie: Selbst wenn die Menschheit morgen alle Treibhausgasemissionen stoppen würde, wären die Rekordtemperaturen der Gegenwart nicht aus der Welt. Die Ursache liegt in den trägen Reaktionen der Ozeane, die weiterhin Wärme abgeben und damit den Klimawandel anheizen. „Was wir heute als Hitzerekorde erleben, wird in einem stabilisierten Klima der Zukunft zur durchschnittlichen maximalen Jahrestemperatur werden“, erklärt Eduardo Alastrué de Asenjo vom Team für Klimamodellierung am CLICCS.

Das bedeutet: Auch bei einem plötzlichen Erreichen der „Netto-Null“-Emissionen, wie es das Pariser Abkommen anstrebt, würde sich das Klima nicht einfach einpendeln. Die extremen Temperaturen bleiben – und mit ihnen die Herausforderungen. Städte, Landwirtschaft und Gesundheitssysteme müssen sich auf eine neue Normalität einstellen, die mit der alten wenig gemein hat.

Fünf Jahre später – dreißigmal mehr Hitze

Noch drastischer sind die Folgen, wenn der Ausstieg aus fossilen Energien weiter aufgeschoben wird. Das Forschungsteam untersuchte Szenarien mit Emissionsstopps in den Jahren 2030, 2040, 2050 und 2060. Dabei analysierten sie, wie sich der jeweils heißeste Tag des Jahres langfristig verändert.

„Eine Verzögerung um fünf Jahre führt bereits zu deutlich messbaren Unterschieden, die selbst nach tausend Jahren noch bestehen“, so Alastrué de Asenjo. Im Mittelmeerraum könnten heutige Extremhitzetage dreißigmal häufiger auftreten, wenn das Netto-Null-Ziel erst 2060 erreicht wird. In Mittel-, Ost- und Nordeuropa würden sich die Risiken immerhin um das Zwei- bis Fünffache erhöhen.

Besonders alarmierend: Die Unterschiede zwischen den Szenarien bleiben über Jahrhunderte bestehen. Der Hitzesommer 2023 mit über 45 Grad in Teilen Italiens oder Griechenlands könnte demnach nicht mehr als historische Ausnahme gelten, sondern zum Sommerstandard werden – für viele Generationen.

Jahrtausendsprung für die Klimaforschung

Die Methodik der Studie ist ebenso bemerkenswert wie ihre Ergebnisse. Anders als viele kurzfristige Klimamodelle betrachten die Forschenden hier einen Zeithorizont von tausend Jahren. Analysiert wurde nicht der Temperaturdurchschnitt, sondern gezielt der jeweils heißeste Tag eines Jahres. Denn dieser entscheidet oft darüber, ob ein Hitzesommer Menschenleben fordert, Ernten vernichtet oder die Infrastruktur überfordert.

Darüber hinaus berücksichtigt die Studie regionale Unterschiede: Neben ganz Europa wurden Mittel-, West- und Osteuropa sowie der Mittelmeerraum separat betrachtet. So entsteht ein präzises Bild davon, welche Gebiete wie stark betroffen sind – und wie viel Unterschied ein früherer oder späterer Ausstieg aus fossilen Brennstoffen macht.

Klimaanpassung für Generationen

Die Botschaft der Studie ist deutlich: Klimapolitik muss schneller, entschlossener und langfristiger gedacht werden. Nicht nur der Emissionsstopp ist entscheidend, sondern auch Strategien zur Anpassung – etwa durch grüne Stadtplanung, neue Kühltechnologien, klimaresistente Sorten in der Landwirtschaft oder Frühwarnsysteme im Gesundheitswesen.

„Es zählt jedes Jahr, in dem wir Emissionen nicht deutlich senken. Was heute entschieden wird, bestimmt, wie heiß es in Europa über viele Generationen hinweg sein wird“, betont Alastrué de Asenjo. Das bedeutet auch: Entscheidungen auf EU-Gipfeln, nationale Klimaziele und kommunale Maßnahmen sind keine Fragen tagespolitischer Taktik – sondern prägen das Leben im Europa von morgen, übermorgen und weit darüber hinaus.

Noch ist es nicht zu spät

So düster die Prognosen scheinen, sie sind kein unveränderliches Schicksal. Die Studie zeigt auch: Je früher gehandelt wird, desto mehr kann abgefedert werden. Es liegt also in unserer Hand, ob Hitzewellen alle paar Jahre oder alle paar Wochen auftreten. Ob das Klima kippt – oder wir die Kurve kriegen.

Die kommenden Jahre entscheiden, wie sich die Hitzegeschichte Europas schreiben wird. Noch ist Platz für ein anderes Kapitel.


Hitzefolgen über Jahrhunderte

  • Studie: CLICCS (Universität Hamburg), Max-Planck-Institut für Meteorologie, mit australischen Forschenden
  • Zeithorizont: Klimaprojektionen über 1000 Jahre
  • Fokus: Heißester Tag pro Jahr in europäischen Regionen
  • Szenarien: Emissionsstopp ab 2030, 2040, 2050, 2060
  • Zentrale Erkenntnis: Selbst fünf Jahre Verzögerung erhöhen Hitze langfristig spürbar
  • Besonders betroffen: Mittelmeerraum (bis zu 30-fache Zunahme von Extremhitzetagen)
  • Folgen: Hitzeschutz wird generationenübergreifende Aufgabe
  • Appell: Jede Verzögerung heute zählt – für das Klima bis ins Jahr 3025

Originalpublikation:
Alastrué de Asenjo E., King A. D., Ziehn T. (2025):

European heat extremes under net-zero emissions; Environmental Research Letters; DOI: 10.1088/1748-9326/addee4

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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