Gezielte Hitze: MRT als Waffe gegen Krebs

Gezielte Hitze: MRT als Waffe gegen Krebs

Eine schonende, bildgeführte Krebstherapie, die ohne chirurgische Eingriffe auskommt und sich präzise auf das betroffene Gewebe konzentriert – diese Vision könnte mit dem gezielten Einsatz von MRT-Scannern in Zukunft möglich werden.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Wenn im Kopfbereich ein Tumor behandelt werden muss, greifen Chirurgen bisher oft zum Skalpell oder Laser. Doch beide Verfahren sind riskant – besonders, wenn die betroffenen Zellen tief im Gehirn sitzen. Thoralf Niendorf, Physiker am Max Delbrück Center in Berlin, will das ändern – mit einem Mittel, das bislang eher als Nebenwirkung galt: Wärme.

Vom Diagnosegerät zur Waffe gegen Krebs

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist eigentlich dafür bekannt, Bilder zu liefern – detailreiche, präzise, strahlenfrei. In der Onkologie dient sie vor allem dem Aufspüren von Tumoren. Doch Niendorf will dem MRT eine neue Rolle geben: als Therapieinstrument.

Wir möchten uns den vermeintlichen Feind zum Freund machen und wollen die Wärme nutzen, um schwer erreichbare Tumore, zum Beispiel im Gehirn, gezielt zu zerstören – ähnlich wie bei einer Laserablation, nur mit weniger Risiken für die Patientinnen und Patienten“, erklärt er.

Denn bei MRT-Untersuchungen entsteht Wärme im Gewebe – ein Effekt, der bislang unerwünscht war. Doch Niendorf erkannte das Potenzial. Bereits vor acht Jahren hatte er für ein Vorläuferprojekt einen „ERC Advanced Grant“ erhalten. Jetzt folgt die nächste Etappe: Der Europäische Forschungsrat unterstützt ihn mit einem „Proof of Concept“-Grant.

Temperatur als Schlüssel zur Therapie

Niendorf geht es nicht nur darum, Tumore zu erhitzen. Bereits in früheren Studien zeigte sein Team: Wenn man Gewebe auf 42 bis 46 Grad Celsius erwärmt, wirken Chemo- und Strahlentherapien besser. Noch gezielter wird es, wenn Wirkstoffe temperaturabhängig freigesetzt werden.

Wir konnten Wirkstoffe in Nanomoleküle verpacken, die ihre Fracht erst bei einer ganz bestimmten Temperatur abgeben. Im MRT würden sich die Medikamente so genau an dem Ort freisetzen lassen, wo sie gebraucht werden – zum Beispiel direkt am Tumor.

Für die neueste Idee geht Niendorf jedoch noch weiter: Statt 42 Grad braucht es über 60 Grad Celsius – genug, um Tumorzellen direkt zu zerstören. Ähnliches passiert heute bei der Laserablation. Doch diese erfordert ein Loch im Schädel, birgt Risiken wie Infektionen oder Streuung von Tumorzellen. All das will Niendorf umgehen.

Diese Gefahren birgt unsere Methode nicht. Es handelt sich quasi um einen All-in-one-Ansatz: Mit unserer Technologie, für die wir Hochfrequenzantennen mit Breitbandbereich entwickelt haben, lässt sich die Therapie gleichzeitig planen, durchführen und kontrollieren.

Simulation statt Tierversuch

Bevor es in die Klinik geht, testet das Team seine Methode im Labor – nicht an Tieren, sondern an Modellen. Mithilfe realer MRT-Daten wurden exakte Nachbildungen menschlicher Gehirne erstellt, mit Flüssigkeiten, die sich unter Hochfrequenz genauso erwärmen wie echtes Gewebe.

Wir haben mit den MRT-Daten von Krebspatientinnen und -patienten Computermodelle entwickelt, die sehr nah an die Wirklichkeit herankommen“, sagt Niendorf.

Damit lassen sich Temperaturverteilungen simulieren, Sicherheitsgrenzen bestimmen und Behandlungsstrategien optimieren – ohne Risiken für lebende Probanden.

Von der Forschung zur Klinik

Die Vision ist klar: Eine schonende, bildgeführte Krebstherapie, die ohne chirurgische Eingriffe auskommt und sich präzise auf das betroffene Gewebe konzentriert. Der Proof-of-Concept-Grant soll nun zeigen, ob sich diese Vision realisieren lässt – technisch, medizinisch und praktisch.

Wir nutzen längst noch nicht alle Möglichkeiten, die uns die MRT in dem breiten Feld der biomedizinischen Technik bietet. Diese Potenziale zu entdecken und so weiterzuentwickeln, dass sie sich für neue Therapien eignen, macht mir riesigen Spaß.“, sagt Niendorf.

Die Begeisterung ist ansteckend – und sie trägt. Sollte sich die Methode bewähren, könnte sie in Zukunft eine stille Revolution in der Behandlung von Hirntumoren einläuten: präzise, minimalinvasiv, kontrolliert – und mit der Kraft der Wärme.


Kurzinfo: Hirntumor-Therapie per MRT

  • Projektleiter: Prof. Thoralf Niendorf, Max Delbrück Center, Berlin
  • Verfahren: MRT-gestützte Erwärmung von Tumorgewebe zur gezielten Zerstörung
  • Förderung: „Proof of Concept“-Grant des European Research Council (ERC), 150.000 Euro
  • Zieltemperatur: Über 60 °C für Tumorablation, 42–46 °C für Chemotherapie-Optimierung
  • Technologie: Hochfrequenzantennen mit Breitbandbereich zur präzisen Wärmeverteilung
  • Vorteil: Kein Schädelbohren nötig, geringeres Risiko als bei Laserablation
  • Modellentwicklung: Menschliche Hirnmodelle mit originalgetreuen Erwärmungseigenschaften
  • Perspektive: Kombination aus Diagnose und Therapie in einem MRT-System
  • Potenzial: Minimalinvasive, steuerbare Behandlung von Hirntumoren ohne Operation

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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