Grünes Comeback: dürre-resistentes Gras als Hoffnungsträger

Grünes Comeback: dürre-resistentes Gras als Hoffnungsträger

Trockenheit ist für die meisten Pflanzen bedrohlich – denn ihr Wasserleitsystem wird dabei zerstört. Doch manche Gräser scheinen einen Trick zu kennen, um sich zu regenerieren.

(Bild: Redaktion/PiPaPu)


Zwischen heißen Asphaltplatten, im Schatten von Autoreifen, wuchs sie unbeachtet vor sich hin – eine unscheinbare Grasart mit einem erstaunlichen Talent. Als Wissenschaftler der Colorado State University (CSU), der University of Colorado und des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) sich entschlossen, genau dieses Gewächs zu untersuchen, ahnte noch niemand, dass es zum Hoffnungsträger für die Landwirtschaft der Zukunft werden könnte.

Was sie entdeckten, könnte die Sicht auf Pflanzen und ihren Umgang mit Wassermangel grundlegend verändern: Das wildwachsende Gras war in der Lage, nach extremer Trockenheit sein Wasserleitungssystem vollständig zu regenerieren – eine Fähigkeit, von der viele Forscher bislang glaubten, sie sei nur theoretisch möglich.

Wenn der Wasserfluss versiegt

Bei Wassermangel kommt es in Pflanzen zum sogenannten Embolismus: Gasblasen blockieren die feinen Kanäle im Xylem, dem Leitsystem der Pflanzen, durch das Wasser von den Wurzeln zu den Blättern transportiert wird. In vielen Fällen bleiben diese Blockaden bestehen – und die Pflanze vertrocknet. Doch was, wenn sich das System wieder reparieren ließe?

Lange Zeit galt das als umstritten. Frühere Studien hatten Hinweise geliefert, allerdings meist mit invasiven Methoden, bei denen Pflanzen zerschnitten und unter unnatürlichem Druck behandelt wurden. Das Team um Jared Stewart, Troy Ocheltree und Sean Gleason wollte es genauer wissen – und setzte auf moderne Bildgebung.

Röntgenblick ins Pflanzeninnere

Mithilfe eines Mikro-CT-Scanners, normalerweise für kleine Tiere in der Veterinärmedizin eingesetzt, beobachteten die Forschenden das Innere lebender Pflanzen in Echtzeit. Das Ergebnis: Selbst nach massiver Austrocknung – bei der bis zu 88 Prozent des Xylems blockiert waren – zeigte das Gras innerhalb von 24 Stunden nach dem Gießen eine vollständige Erholung.

Dies ist der erste überzeugende Nachweis einer vollständigen Embolismusrückbildung in einer Gefäßpflanze – mit anschließender funktionaler Wiederherstellung“, sagte Sean Gleason vom USDA.

Dass diese Beobachtung an einer zufällig ausgewählten Pflanze aus einem Parkplatz gelang, überrascht selbst die Forschenden.

Ein Zufallsfund mit Potenzial

Die Grasart war ursprünglich gar nicht für die Studie vorgesehen. Doch ihr erstaunliches Wachstum zwischen heißem Asphalt und Trockenperioden machte sie zur perfekten Kandidatin. Dass sich das Xylem der Pflanze nach Wassergabe vollständig regenerierte, wirft ein neues Licht auf die Möglichkeiten pflanzlicher Resilienz.

Wenn wir eine Pflanze auf einem Parkplatz finden, die sich erholen kann, dann gibt es wahrscheinlich auch andere Arten mit dieser Fähigkeit. Das verändert unser Denken“, sagte Studien-Mitautor Troy Ocheltree von der CSU.

Der nächste Schritt: Die genetischen Grundlagen dieses Refilling-Mechanismus zu entschlüsseln. Gelingt dies, könnten Pflanzenzüchter die Eigenschaft auf Kulturpflanzen übertragen – etwa Mais oder Weizen. Damit wäre es möglich, Ernteausfälle durch Dürre künftig abzumildern.

Neue Wege in der Pflanzenzucht

Die Forschenden hoffen nun, weitere Pflanzen mit vergleichbaren Eigenschaften zu finden. Gelingt es, das verantwortliche Gen oder den biochemischen Prozess zu isolieren, könnte man klimaresistente Sorten entwickeln – ein Meilenstein in Zeiten zunehmender Wetterextreme.

Wenn Pflanzen sich schnell von Trockenstress erholen können, lässt sich vielleicht ein Teil der Ernte trotz Dürre retten“, so Ocheltree. „Es könnte auch neue Strategien für den gezielten und flexiblen Einsatz von Bewässerung eröffnen.

Dass solche Erkenntnisse aus der Schnittstelle zwischen Botanik und medizinischer Bildgebung stammen, sei dabei kein Zufall, sondern ein Beleg für die Kraft interdisziplinärer Forschung, betont das Team.

Hightech trifft auf Wildgras

Der Mikro-CT-Scanner stammte aus der Veterinärmedizin der CSU – dort wird er normalerweise für Kleintiere eingesetzt. Nicole Ehrhart, Direktorin des „Center for Healthy Aging“, stellte ihn den Pflanzenforschenden zur Verfügung.

Die Widerstandsfähigkeit dieses bescheidenen Grases – seine Fähigkeit, über Nacht sein Leitungssystem zu reaktivieren – war ebenso überraschend wie inspirierend“, sagte Ehrhart. „Solche Kooperationen zeigen, wie fruchtbar der Austausch zwischen Disziplinen sein kann.

Ob aus dem Wildgras der Zukunftsweizen wird, bleibt offen. Doch schon jetzt liefert die Studie ein neues Bild davon, was Pflanzen im Verborgenen leisten können – und wie sich selbst zwischen Rissen im Asphalt neue Hoffnungspfade auftun.


Kurzinfo: Wasserleitungs-System in Pflanzen:

  • Xylem transportiert Wasser von den Wurzeln zu den Blättern.
  • Bei Trockenheit entstehen Luftblasen (Embolien), die den Fluss blockieren.
  • Refilling = Auflösung dieser Embolien und Wiederherstellung der Wasserleitung.
  • Lange Zeit galt Refilling als kaum belegbar – invasive Methoden galten als fehleranfällig.
  • Nun erstmals per Mikro-CT live beobachtet.
  • Beobachtete Pflanze: widerstandsfähiges Wildgras aus einem Parkplatz.
  • Potenzial: Züchtung dürreresistenter Nutzpflanzen.
  • Kooperation zwischen Botanik und Veterinärmedizin.
  • Studie veröffentlicht in PNAS, April 2025.
  • Forschungsteam: CSU, CU und USDA.

Originalpublikation:

Jared J. Stewart et al.,
„Xylem embolism refilling revealed in stems of a weedy grass“, in:
Proceedings of the National Academy of Sciences

DOI: 10.1073/pnas.2420618122//

Über den Autor / die Autorin

Arty Winner
Arty Winner
Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.

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