Besonders macht den Kometen nicht nur sein Alter, sondern auch seine Herkunft. Er stammt offenbar nicht aus der Umgebung der Sonne, sondern aus einer ganz anderen Region der Milchstraße.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Ein flüchtiger Besucher aus den Tiefen der Milchstraße sorgt derzeit für Aufregung unter Astronominnen und Astronomen weltweit. Der neu entdeckte Komet mit dem Namen 3I/ATLAS ist erst das dritte bekannte Objekt, das aus dem interstellaren Raum in unser Sonnensystem eingedrungen ist – und es könnte das bislang älteste sein: Mit einem geschätzten Alter von mehr als sieben Milliarden Jahren wäre es ein kosmisches Fossil, das deutlich mehr Jahrmilliarden auf dem Buckel hätte als unser Sonnensystem. Die Entdeckung des Eisriesen gelang am 1. Juli 2025 mithilfe des ATLAS-Teleskops in Chile. Da war 3I/ATLAS noch rund 670 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt. Seitdem läuft eine beispiellose Beobachtungskampagne mit Teleskopen auf der ganzen Welt.
Ein Bote aus der „dicken Scheibe“ der Milchstraße
Besonders macht den Kometen nicht nur sein Alter, sondern auch seine Herkunft. Er stammt offenbar nicht aus der Umgebung der Sonne, sondern aus einer ganz anderen Region der Milchstraße – der sogenannten „thick disk“, einem alten Sternenband, das weit oberhalb und unterhalb der galaktischen Hauptebene verläuft. Diese Zone ist bislang kaum erforscht, ihre Himmelskörper sind extrem alt.
„Alle nicht-interstellaren Kometen wie Halley haben sich gemeinsam mit unserem Sonnensystem gebildet und sind maximal 4,5 Milliarden Jahre alt“, erklärt der Oxford-Astronom Matthew Hopkins, der seine Forschung auf der National Astronomy Meeting 2025 in Durham vorstellte. „Interstellare Besucher dagegen könnten weitaus älter sein – unsere statistischen Modelle legen nahe, dass 3I/ATLAS der älteste Komet ist, den wir je gesehen haben.“
Ein Eis-Komet mit Vergangenheit
Hopkins und sein Team gehen davon aus, dass 3I/ATLAS rund um einen uralten Stern entstanden ist und daher reich an gefrorenem Wasser ist. Schon jetzt zeigt der Himmelskörper erste Aktivität – ein Zeichen, dass Sonnenstrahlen beginnen, Eis zu verdampfen und eine typische Koma und Schweif zu erzeugen.
„Das ist ein Objekt aus einem Teil der Galaxis, den wir noch nie aus der Nähe gesehen haben“, sagt Professor Chris Lintott, ebenfalls Co-Autor der Studie. „Wir halten es für wahrscheinlich, dass dieser Komet älter ist als das Sonnensystem und seit Milliarden Jahren durch den interstellaren Raum driftet.“
Sollte sich das Alter und die Zusammensetzung von 3I/ATLAS bestätigen, könnten daraus Rückschlüsse auf die Frühzeit der Galaxis gezogen werden – und auf die Rolle solcher Objekte bei der Bildung von Sternen und Planeten.
Beobachtung in Echtzeit – statt Urlaub
Für Matthew Hopkins war die Entdeckung ein echter Glücksfall – und eine berufliche Prüfung unter realen Bedingungen. Denn nur eine Woche vor der Entdeckung hatte er seine Doktorarbeit abgeschlossen, in der er ein Modell zur Vorhersage interstellarer Objekte entwickelt hatte: das Ōtautahi–Oxford-Modell.
„Eigentlich hatte ich an dem Mittwoch Urlaub geplant“, erinnert sich Hopkins. „Stattdessen wurde ich mit Nachrichten wie ‚3I!!!!!!!!!!‘ geweckt. Es ist eine fantastische Gelegenheit, unser Modell an einem echten und womöglich uralten Objekt zu testen.“
Rubin-Teleskop vor einem goldenen Jahrzehnt
Die Entdeckung kommt zu einem spannenden Zeitpunkt: Noch bevor das neue Vera C. Rubin Observatory offiziell in Betrieb geht, liefert 3I/ATLAS bereits einen Vorgeschmack auf das, was möglich ist. Das Modell der Forschenden sagt voraus, dass das Teleskop zwischen fünf und 50 interstellare Objekte entdecken könnte – vielleicht sogar mehrere ähnlich große Kometen wie 3I.
„Die Community war ohnehin schon gespannt auf das, was Rubin bringen würde“, sagt Dr. Rosemary Dorsey von der Universität Helsinki. „Aber mit 3I steigt die Erwartung: Vielleicht finden wir nicht nur fünf, sondern 50 Objekte – darunter einige, die so alt sind wie dieses. Das macht den baldigen Start der Beobachtungen umso aufregender.“
Noch bis Anfang 2026 könnte der Komet sogar durch ein mittelgroßes Hobby-Teleskop beobachtbar bleiben – ein Hauch von galaktischer Urzeit, direkt über unseren Köpfen.
Kurzinfo – 3I/ATLAS auf einen Blick
- Name: 3I/ATLAS (Dritter bekannter interstellarer Besucher)
- Entdeckt: 1. Juli 2025 durch ATLAS-Teleskop in Chile
- Herkunft: Wahrscheinlich aus der „dicken Scheibe“ der Milchstraße
- Alter: Möglicherweise über 7 Milliarden Jahre
- Zusammensetzung: Reich an Wasser-Eis, zeigt bereits Kometenaktivität
- Forschende: Team um Matthew Hopkins (Oxford), Chris Lintott (BBC/The Sky at Night), Michele Bannister (Canterbury), Rosemary Dorsey (Helsinki)
- Modell: Ōtautahi–Oxford-Modell zur Vorhersage interstellarer Objekte
- Zukunft: Vera C. Rubin Observatory könnte bald viele ähnliche Objekte entdecken
- Sichtbarkeit: Amateurbeobachtung möglich Ende 2025/Anfang 2026
Originalpublikation:
Mike Hopkins et al.,
The Galactic Interstellar Object Population in the LSST
präsentiert auf dem National Astronomy Meeting (NAM), 7.–11. Juli 2025, Durham University
Über den Autor / die Autorin

- Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.
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