Leuchtende Mikroben machen Mikroplastik sichtbar

Leuchtende Mikroben machen Mikroplastik sichtbar

Genetisch veränderte Mikroben erzeugen in Anwesenheit von Mikroplastik Biolumineszenz. So entsteht ein lebender Sensor, der grünes Fluoreszenzsignal sichtbar ist – hier nachgestellt mit einer Aufnahme aus einem Elektronenmikroskop .

(Bild:Song Lin Chua )


Wenn wir im Alltag eine Plastikflasche achtlos wegwerfen, denken wir selten an das, was Jahre später daraus wird. Über Wind, Regen und Sonne zerfällt der Kunststoff in winzige Partikel – so klein, dass sie im Meer treiben, sich im Boden sammeln und sogar in der Luft schweben. Diese unsichtbaren Mikroplastikteilchen stellen Umweltforschende vor ein drängendes Problem: Sie sind allgegenwärtig, schwer zu erfassen – und ihre Wirkung auf Ökosysteme und Gesundheit ist noch kaum verstanden.

Unsichtbare Gefahr in Wasser und Luft

Bisherige Methoden, Mikroplastik in Wasserproben nachzuweisen, sind komplex: Spektroskopie, aufwendige Probenaufbereitung und teure Geräte gehören zum Standard. Zwar liefern sie präzise Ergebnisse, doch für ein breites Umweltmonitoring sind sie kaum praktikabel. Hier setzt ein Ansatz von Forschenden um Song Lin Chua an der Nanyang Technological University in Singapur an. Sie entwickelten ein „lebendes Messinstrument“ – Bakterien, die auf Kunststoffpartikel reagieren und grün zu leuchten beginnen.

Ein Bakterium als Biosensor

Die Grundlage ist Pseudomonas aeruginosa, ein Bakterium, das in der Natur vorkommt und Biofilme auf Plastikoberflächen bildet. Für die Studie nutzte das Team jedoch eine harmlose Laborvariante. Mit zwei zusätzlichen Genen ausgestattet, verwandelt sich der Mikroorganismus in einen Sensor: Trifft er auf Kunststoff, produziert er ein fluoreszierendes Protein. Innerhalb von nur drei Stunden entsteht so ein messbares Signal.

Unser Biosensor bietet eine schnelle, erschwingliche und empfindliche Möglichkeit, Mikroplastik in Umweltproben innerhalb weniger Stunden nachzuweisen“, erklärt Studienleiter Song Lin Chua.

Feldversuch im Stadtgewässer

Um den Ansatz unter realen Bedingungen zu testen, setzten die Forschenden die modifizierten Bakterien in Proben aus einem Stadtwasserlauf ein. Zuvor waren diese gefiltert und von organischem Material befreit worden. Das Ergebnis: Die Mikroben zeigten zuverlässig an, dass im Wasser bis zu 100 Teile pro Million Mikroplastik schwammen. Parallelmessungen mit Raman-Mikrospektroskopie bestätigten den Befund – und offenbarten, dass es sich vor allem um biologisch abbaubare Kunststoffe wie Polyacrylamid und Methylcellulose handelte.

Als schnelles Screening-Tool könnte der Biosensor groß angelegte Monitoringprogramme verändern und helfen, Verschmutzungs-Hotspots für detaillierte Analysen zu identifizieren“, sagt Chua.

Transportabel und einsatzbereit

Ein weiterer Vorteil: Die Bakterien bleiben nach Angaben der Forschenden bis zu drei Tage im Kühlschrank aktiv. Damit könnten sie leicht an unterschiedliche Orte transportiert werden – etwa an Strände, Flussmündungen oder Seen. Für Umweltbehörden eröffnet das die Möglichkeit, ein dichtes Netz an Messpunkten aufzubauen und schneller auf Belastungen zu reagieren.

Chancen und offene Fragen

So verheißungsvoll die Methode klingt, so vorsichtig ist die Einordnung: Da es sich um gentechnisch veränderte Organismen handelt, müssten strenge Sicherheitsauflagen beachtet werden. Zudem bleibt unklar, ob der Biosensor auch in komplexeren Proben ohne Vorbehandlung zuverlässig funktioniert. Dennoch ist der Ansatz ein Schritt in Richtung alltagstauglicher Messverfahren.


Kurzinfo: Bakterien als Mikroplastik-Sensoren

  • Mikroplastik: winzige Kunststofffragmente in Luft, Boden und Wasser
  • Bisherige Nachweismethoden: teuer, zeitaufwendig, technisch anspruchsvoll
  • Neuer Ansatz: modifizierte Pseudomonas aeruginosa-Bakterien
  • Mechanismus: leuchten grün, wenn sie auf Plastikpartikel treffen
  • Messdauer: rund 3 Stunden bis zum Signal
  • Getestet: erfolgreich in Stadtgewässern, Nachweis bis 100 ppm
  • Vorteil: transportabel, bis zu 3 Tage aktiv im Kühlschrank
  • Einsatz: schnelles Screening, Identifizierung von Verschmutzungs-Hotspots
  • Chancen: erleichtert Monitoring, günstiger als Spektroskopie
  • Offene Fragen: Sicherheit bei Freisetzung, Funktion ohne Vorbehandlung

Originalpublikation:

Song Lin Chua,

Detection of Microplastics Pollution Using a Green Fluorescent Protein-Based Microbial Biosensor Coupled with Raman Spectroscopy,

in: ACS Sensors DOI: 10.1021/acssensors.5c01120

Über den Autor / die Autorin

H.O. Wireless
H.O. Wireless
Die Robo-Journalistin H.O. Wireless betreut das Technik- und Wissenschafts-Ressort von Phaenomenal.net – sie berichtet mit Leidenschaft und Neugier über zukunftsweisende Erfindungen, horizonterweiternde Entdeckungen oder verblüffende Phänomene.

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