Öl- und Gasförderung im globalen Süden ist zu einer wichtigen Quelle der Methan-Emissionen geworden – vor allem wegen der weniger strengen Umweltstandards.
(Bild: Redaktion/PiPaPu)
Über den Äckern, Städten und Fabriken der Welt liegt ein unsichtbarer Schleier: Methan. Es entweicht aus Viehställen, Deponien und Gasleitungen, sammelt sich in der Atmosphäre – und verstärkt die Erderwärmung. Neue Daten zeigen, dass dieser Trend ungebremst weitergeht. Eine internationale Studie unter Leitung der Universitäten Birmingham und Groningen zeigt, dass besonders die globalen Handelsströme die Entwicklung vorantreiben.
Handelsketten als Methanmotor
Etwa 30 Prozent der weltweiten Methanemissionen sind direkt oder indirekt dem internationalen Handel zuzurechnen. Dabei verlagern sich die Ströme zunehmend in Richtung „Süd-Süd“: Transaktionen zwischen Entwicklungs- und Schwellenländern dominieren heute die Lieferketten. Vor allem Asien und der Pazifikraum, getrieben von Industrialisierung und Bevölkerungswachstum, tragen am meisten bei.
Methan ist auf kurze Sicht ein wesentlich stärkeres Treibhausgas als CO₂. Über 20 Jahre betrachtet, besitzt es die 80-fache Erwärmungswirkung. Gleichzeitig verweilt es deutlich kürzer in der Atmosphäre – und bietet damit eine Chance für rasche Klimawirkungen. „Methan hat eine kurze atmosphärische Lebensdauer, was bedeutet, dass Reduktionen sofort spürbar sind. Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit koordinierter globaler Maßnahmen, besonders in Regionen mit stark steigenden Emissionen“, erklärt Studienleiter Yuli Shan von der University of Birmingham.
Technologielücke zwischen Nord und Süd
Die Studie deckt eine Diskrepanz auf: Nur entwickelte Länder haben ihre Methanemissionen bislang gesenkt, ohne dabei das Wirtschaftswachstum zu gefährden. Möglich wurde das durch höhere Effizienz in Produktion und Energieeinsatz. In vielen ärmeren Ländern fehlen dagegen die technischen Voraussetzungen, etwa beim Umgang mit Lecks in der Öl- und Gasförderung oder in der Abfallwirtschaft.
Der Agrarsektor ist ein weiterer Schlüssel. Die Produktion von Düngemitteln schlägt stark zu Buche, ebenso die Viehhaltung. Neue Futtermittelzusätze oder veränderte Konsumgewohnheiten – etwa weniger Rindfleisch – könnten Abhilfe schaffen. Auch die Abfallwirtschaft bietet Chancen, Methanquellen zu kontrollieren.
Politik mit Blick auf die Lieferketten
Die Forschenden betonen, dass nationale Klimastrategien Methan stärker berücksichtigen müssen. Klaus Hubacek, Mitautor aus Groningen, bringt es auf den Punkt: „Diese Studie liefert einen Fahrplan für die Politik, Methan systematisch in Klimastrategien einzubinden. Es geht nicht nur darum, wo Emissionen entstehen, sondern warum – und dafür muss man die gesamte Lieferkette betrachten.“
Die globale Vernetzung sorgt dafür, dass Konsum in einem Land Emissionen in einem anderen Land erzeugt. Ein Smartphone, das in Europa verkauft wird, kann Methanquellen in asiatischen Lieferketten vergrößern. Für die Politik bedeutet das: Maßnahmen müssen international abgestimmt werden – von der Energieeffizienz über Handelsregeln bis hin zu Konsumtrends.
Fortschritt und Rückschritt zugleich
Zwischen 1998 und 2023 sind die durchschnittlichen Emissionskoeffizienten weltweit um fast 67 Prozent gesunken. Diese Zahl zeigt, dass technologische Verbesserungen durchaus wirken. Doch das globale Wachstum von Wirtschaft und Bevölkerung hat diesen Fortschritt aufgezehrt. In Summe steigen die Emissionen weiter.
Hinzu kommt der gesundheitliche Aspekt: Methan verstärkt nicht nur die Erderwärmung, sondern trägt auch zur Luftverschmutzung bei. Laut der Studie sterben jährlich rund eine Million Menschen vorzeitig an den Folgen. Methan ist also nicht nur ein Klimaproblem, sondern auch eine stille Gesundheitsgefahr.
Die schnelle Stellschraube im Klimasystem
Dass Methan rund 30 Prozent zur Erderwärmung seit Beginn der Industrialisierung beigetragen hat, rückt es in eine Schlüsselrolle. Anders als CO₂ lässt sich sein Effekt kurzfristig beeinflussen – wenn weltweit gehandelt wird. Ein sofortiger Rückgang würde sich schnell bemerkbar machen. Doch die globalen Handels- und Konsummuster stehen dem bislang entgegen.
Kurzinfo: Methan-Emissionen auf der Spur
- Methan: 80-mal wirksamer als CO₂ über 20 Jahre
- Trägt rund 30 Prozent zur globalen Erwärmung bei
- 30 Prozent der Emissionen entstehen durch internationalen Handel
- Asien & Pazifikregion: stärkste Emittenten, getrieben durch Wachstum
- Düngemittel, Viehhaltung, Öl & Gas: Hauptsektoren
- Nur Industrieländer reduzierten Emissionen durch Effizienz
- Technologielücke in Entwicklungsländern verstärkt Problem
- Gesundheit: Methan trägt zu einer Million vorzeitigen Toten jährlich bei
- Emissionskoeffizienten sanken seit 1998 um 67 Prozent
- in absoluten Zahlen sind die Emissionen kontinuierlich gestiegen
Originalpublikation:
Yuli Shan et al., Global methane footprints growth and drivers 1990-2023,
in: Nature Communications (16, Article number: 8184 (2025))
DOI: s41467-025-63383-5
Über den Autor / die Autorin

- Der Robo-Journalist Arty Winner betreut das Wirtschafts- und Umweltressort von Phaenomenal.net – gespannt und fasziniert verfolgt er neueste ökonomische Trends, ist ökologischen Zusammenhängen auf der Spur und erkundet Nachhaltigkeits-Themen.
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